»Du wirst eine gute Frau für einen armen Mann geben, wenn dich nicht der Pariser Wahnsinn doch noch überfällt. Hat dir Harro übrigens schon von seiner Empfangshalle in seinem Haus erzählt?«
»Das weiß ich schon seit vielen Jahren, wir sprachen ja so oft von dem Haus und bauten in die Luft und machten alles so schön, wie wir wollten. Und daß es nun doch wahr werden soll! Und bei den Goldmosaiken ist er auch geblieben! Ach, wenn wir Harro dazu helfen könnten, Vater! Im Leben wollte ich nichts Pariserisches tragen!«
»Da hätte ich mit Harros Goldmosaiken ein Geschäft gemacht, Rosmarie. Wollen wir es ihm vortragen?« »Ach. er tut's ja doch nicht! Er ist viel zu stolz darauf, daß er sich alles allein erarbeitet hat.«
»Rosmarie, du bringst mich auf etwas, das muß man ihm abgewöhnen. Er behaut Steine in seinem Hofe! Jeder, der hereinkommt, kann ihn sehen, wie er da jedenfalls im weißen Kittel dasteht und Steine behaut!«
»Bildhauer haben immer weiße Kittel, Vater.«
»Gut und schön, wenn sie die haben. Aber Harro steht im offenen Schuppen bei den Arbeitern! Denke dir, wenn Mama da vorbeifährt.«
»Das versteht sie nicht, man kann es auch nicht von ihr verlangen.«
»Eine unmögliche, eine ganz unmögliche Situation!«
»Ach, das schöne Haus,« flüstert Rosmarie, »an dem selbst die Steine von seinen Händen behauen sind. Einmal darf ich's doch sehen, Vater! Und etwas habe ich ihm versprochen für sein Haus, und das wird er vielleicht doch annehmen.« Und sie erzählt:
»Ein Zimmer heißt der Schmollwinkel. Wir gaben ja den Zimmern Namen. Eine Tantenstube gab es auch, wo Harros Tanten, die strengen Stiftsdamen, wohnen sollten, wenn sie einmal zu ihm kämen.
Und der Schmollwinkel bekommt Wandbespannung und schmale Panneaux. Und die darf ich sticken. Das hat mir Harro versprochen, als ich sticken lernte. Und lauter fröhliche Dinge sollten darauf sein, daß der, der sich mit einer schlechten Laune dahin zurückzöge, ganz strahlend wieder zum Vorschein käme.«
»Was meinst du, Rosmarie, wenn wir Mama ein solches Zimmer machen ließen!«
»Ich will es dir gestehen, Vater, eine ganze Reihe von den Panneaux habe ich schon gestickt. Eins ist auf blauem Seidengrund. Frischgrüne Buchenzweige, dazwischen dunkle Tannenarme, die sich neigen über einen schmalen grünen Weg, auf dem die Sonnenflecken liegen. Da muß man doch an einen Maienwald denken. Das Liebste, was es auf Erden gibt, einen deutschen Maienwald mit weichen seidigen Blättern. Eins ist auf ovalfarbigen Atlas mit Silberfäden und kleinen Kristallen gestickt. Ein Dornbusch im Rauhreif, und aus all dem Silber und Weiß und blauen Grau leuchten noch ein paar rote Beeren. So war der Wald, als ich Harro zum erstenmal sah.
Dann gibt es eines, das heißt die Wasserfreude. Da ist ein stilles, gründunkles Eckchen Weiher. Ein Stück von unserem Wach, Vater. Hohe Schilfstauden stehen so schön mit ihren dunkeln Federkronen ... Darüber huschen blauschillernde Libellen, viele, viele, und an einer Stelle spiegelt sich ein Stück Himmelsblau im Wasser.«
»Und das hast du alles schon fertig, Rosmarie?«
»Ich sticke doch so gerne; seit ich niemand mehr beim Malen zusehen kann, ist das meine größte Freude gewesen. Mama habe ich von meinen Sachen schon angeboten, aber sie macht sich nichts daraus, weil es zu bunt sei und nicht zu ihren Möbeln passe.«
»Hast du die Sachen denn da?«
»Gewiß, ich schleppe sie überall mit mir herum. Soll ich sie dir zeigen? Ach, da kommt schon Harro, ich höre die Gartentüre.«
»Du mußt seine Ohren haben, oder du hörst wohl mit dem Herzen. Weiß denn Harro von den Panneaux?«
»Ach nein, Vater, und ich weiß nicht, ob wir es ihm sagen wollen. Er ist so verändert. So seltsam. – Ich würde mich scheuen, es ihm jetzt anzubieten. Findest du nicht, daß er seit einiger Zeit gar nicht mehr unser alter Harro ist?«
»Alt! Ist er nun auf einmal alt, der Harro?«
»Ach, ich meine, wie er früher war. So ruhig und gleichmäßig. Frau von Hardenstein nannte ihn doch im Scherz den sicheren Mann nach dem Märchen von Mörike. Nun fängt er etwas an, dann läßt er es liegen, ich komme gar nicht zum ruhigen Zusehen.
Und es ist, ja Vater, wie soll ich es denn sagen, wie wenn er eine Scheu vor mir hätte. Ach und geheimnisvoll ist er, und das ist mir das allertraurigste.
Habe ich je ein Geheimnis vor ihm gehabt?« »Nein, das hast du nicht. O Rosmarie, du solltest eine Mutter haben!«
Rosmarie erhob sich und stand einen Augenblick lauschend da. Das Lampenlicht floß an ihrer zarten, hellen Gestalt nieder und erglänzte auf ihrem Haar und ihrer kleinen Krone, denn sie trug die alte Spange.
So lieblich, so poetisch sah sie aus mit ihren hängenden Haaren und dem anschmiegenden Gewande, als käme sie aus Meister Schwinds Skizzenbuch, und als fehlten ihr nur ein Paar Raben und ein weißer Hirsch, und das deutsche Märchen, wie es nur je die Großmutter im Westerwalde erzählt, stünde da in seiner holden Schönheit. Der Fürst sah zu ihr auf. Nun erwartet sie ihren Freund und wundert sich noch dazu, daß er ihr nicht mehr den guten Onkel spielen kann ...
Da kam der Erwartete und stand an der Türe, wie wenn er da Wurzeln zu schlagen gedenke, und brachte kein Wort hervor.
Rosmarie erschrak: »Ach, Harro, was ist dir? Hast du eine schlimme Nachricht bekommen, oder ist etwas geschehen?«
»Nichts weiter – und guten Abend, Durchlaucht ... ich muß um Entschuldigung bitten ... eine Nachricht ... ich dachte ...« stammelt er. Was ist aus dem sicheren Mann geworden! Endlich faßt er sich, und als sage er etwas auswendig Gelerntes her:
»Ich werde wohl in den nächsten Tagen abreisen müssen. Nach Rom. Es ist da wegen des Ateliers –« Nun stockt er schon wieder. Der Fürst hat plötzlich ein ganz kleines Lächeln gefunden.
»Ach wie schade!«
Rosmarie ist weiß geworden, sie muß sich an einen Stuhl lehnen und sagt mit einer Stimme, die seltsam fremd klingt: »Du sagtest ›morgen noch nicht‹, Harro?«
Es ist wie ein leises Aufatmen, das durch die beiden geht. »Morgen noch nicht. Nein. Noch einen Tag lebe ich,« denkt Rosmarie, und sie sagt fast freundlich:
»Und nun gehen wir zu Tisch, wir haben nur auf dich gewartet.« Harro stammelt Entschuldigungen, heute kann man ihn beim besten Willen keinen anregenden Gesellschafter nennen. Und Rosmarie sieht er kaum an, so daß sie betrübt denkt, mein Kleid gefällt ihm nun doch nicht. Und sie strengt sich an, so munter und liebenswürdig zu sein wie möglich. Und so geht die Mahlzeit leidlich vorbei. Nach dem Essen sitzt man wie gewöhnlich noch ein wenig in dem kleinen Wohnzimmer zusammen, und Rosmarie, die noch immer etwas bläßlich wird, wenn sie zu lange sitzt, legt sich auf ihre Chaiselongue. Die hat einen schönen Platz am offenen Fenster, in das die Rosenranken hängen. Die Lampe beleuchtet die weißen Blüten, die geheimnisvoll lieblich aus der blauen Nacht hereinsehen. Rosmarie hat ein großes, flaches, grünseidenes Kissen von einem ein wenig harten Grün mit Goldverschnürung, und da liegt sie nun darauf wie eine Wasserrose, weiß und gold auf grünen Gewässern, СКАЧАТЬ