Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe). О. Генри
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СКАЧАТЬ für ihn selbst, der sie immer missen würde. Er hatte Pläne gehabt, glänzende Pläne, aber daß Rosmarie sich niemals zwingen lassen würde, das war ihm auch klar geworden. Jene Geschichte von den sich begegnenden Seelen, die keine körperliche Trennung scheiden konnte ... Die eine Seele ging suchen, durch weite Länder, und die andere hatte die Botschaft empfangen. Ihren Leib konnte er halten, ihre Seele niemals. Die entschlüpfte ihm und ging auf ihre Reise und fand vielleicht nicht mehr den Weg zurück. Und wie Rosmaries Kerkermeister wäre er sich dabei vorgekommen, wenn er einmal einen wirklichen Zwang auf sie hatte ausüben müssen.

      Und zu all dem war noch das Leben in jener warmen und leichten Luft gekommen, die seine Tochter umgab, und die ihm viele irdische Dinge in anderem Lichte zeigte. Nie noch war er so lange und ausschließlich mit ihr zusammen gewesen und noch dazu mit einem von großer Sorge erschütterten Herzen.

      Wenn nun sein Geschlecht, sein alter Name doch mit ihm zu Ende gingen, so sollte dem letzten Sprossen noch einmal ein Glück beschert sein. Und bei dem Gedanken war es ihm so wohl geworden, als schaffte er sich noch ein letztes Eckchen Glück und Freude, und einen Winkel, wohin er aus den Stürmen und der Eisluft der eigenen Ehe flüchten könne.

      Es waren auch andere Stunden gekommen, wo es einen harten Kampf mit seinem Stolze galt und er Harros Leben nicht ohne brennende Qual überdenken konnte.

      Die bösen Zungen, die sich auf ihn stürzen würden, der Hohn und Spott seiner Welt, die es nie begreifen würde, daß er die einzige Tochter freiwillig einem armen Manne gegeben. Aber alles ward überwunden unter dem Einfluß der holden Nähe und in der Entfernung von seiner gewohnten Umgebung, seiner Beschäftigung. Wie das Getriebe der Menschenwesen sich in hoher, reiner Bergluft so anders ausnimmt.

      Und nun war eine Ruhe über ihn gekommen, die nicht einmal das eingelaufene Telegramm zerstören konnte, das ihm für den nächsten Morgen mit sehr viel unnötigen Worten die Ankunft der Fürstin anmeldete.

      Irgend etwas mußte sie in Berlin erzürnt haben, daß ihr der Einfall gekommen war, zu entfliehen und ihren täglichen Kampf mit der Langeweile von Berlin nach der Riviera zu verlegen.

      Sie konnte dabei so gut die Sehnsucht nach ihrem Manne und die Pflicht, nach der genesenden Tochter zu sehen, hervorheben. – Ein ganz anderer Hauch weht dem Fürsten aus den Worten entgegen, und nun ist es gut, daß alles entschieden ist.

      Auf dem Thorsteiner lastet das Glück. Es ist ihm fremd, es ist bedrängend, er wagt kaum Rosmaries weiße Hand zu halten und in ihre selig träumenden Augen zu sehen. Und er sieht sie blasser und blasser werden, er, der die feine Seele kennt wie kein anderer, er weiß, daß bei ihr nur zu schnell die Freude das arme, daran so ungewohnte Herz überwältigt. Und er geht, ehe sie sich überfreut, und küßt noch die weiße kühle Hand und flüstert ihr das selige Wort zu: Auf morgen! Wie ein Träumender geht er dahin unter dem südlichen Sternenhimmel.

      Hinunter ans Meer, über ihm funkeln die Sterne, und die Flut atmet leise, wie er über den knirschenden Kies schreitet.

      Dunkel liegen die Berge und Palmenhaine, ganz von ferne schimmern noch ein paar Lichter.

      Und die plötzliche Wendung seines Lebens überwältigt ihn aufs neue. Noch ist alles so märchenhaft, so traumähnlich.

      Nicht das Äußere, Rosmaries hohe Stellung, ihr Reichtum ist das Wunderbare, nein, wenn er daran denkt, kann er sich eines Schauders nicht erwehren, – wenn er sich das ganze Braunecker Zeremoniell in seine Heimat verpflanzt vorstellt. Das Wunderbare ist, daß gerade auf ihn, den verrückten Thorsteiner, den Ruinengrafen, sich alles Glück der Erde herabsenken will. Er muß seine erschütterte Seele fragen in der einsamen Nacht am Strand des fremden Meeres ...

      Seele, meine alte Seele, bist du's wirklich? Bist du es, die so lange in der Einsamkeit gehungert hat, die nun die Fülle haben soll, die du nie in den kühnsten Träumen erhofft. Du sollst die höchsten Güter des Lebens besitzen, dir soll die hehre Kunst gedeihen, dir soll eine neue Heimat erstehen, und darin wird die Holdseligste walten, mit ihren feinen Händen täglich an dem Goldgespinste deines Glückes weben.

      Warum das alles für dich, das in seiner Fülle auf drei hungernde Seelen fallen dürfte, und keine könnte sich beklagen: ich stehe leer da.

      Und seine Seele hebt die Hände nach den funkelnden Lichtern da oben, dorthin, wohin es immer das Kind der Erde zieht, wenn es »seines bleibenden Teils ewigen Frieden bedenkt«.

      Oh, könnt ich jetzt danken, könnt ich mein Glück aus einer Vaterhand nehmen und mich vor ihr beugen. Wie ein blöder Tor steh ich da, der nimmt und nimmt, als wäre es sein gutes Recht, das ihm vor Tausenden und Tausenden geworden ist.

      Aber fremd und feindlich schauen des Himmels Heere auf ihn herab. Was ist dem, der da oben seine Sonnen und Sternenheere weidet, eine einzige Menschenseele?

      Wie verworrenes Getöse, so mag wohl das Seufzen und Klagen, das Flehen der Menschen von der dunkeln Erde aufsteigen.

      Wie könnte eine einzige Stimme hoffen dürfen, das millionenfache Stimmengewirre zu durchdringen?

      Seltsam, wie eine halbverwischte Erinnerung plötzlich wieder in ihm auftaucht. Aus einer alten feierlichen Bilderbibel des Thorsteiner Schlosses. Der nächtliche Kampf einer Seele vor Jahrtausenden und dieselbe Bitte, die jetzt in seiner Seele aufsteigt: Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn.

      Immer stehen die Worte vor ihm; die dunkeln, nur von matten Lichtern erhellten Wellen tragen sie ihm aus nächtlicher Ferne zu, in den glitzernden Himmelslichtern stehen sie geschrieben: Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn.

      Und aus der Tiefe seines Herzens steigt etwas auf, formlos noch, ein Hauch, ein fremdes Gebilde unter den gewohnten Dingen seines Innern ... es ist, als durchglühe es ihn – die Tränen stürzen aus seinen Augen ...: ich lasse dich nicht, du segnest mich denn.

      Und ist es nicht, als ob sich eine leise, zarte Welle von goldenem Lichte auf ihn herabsenkte, als überströme etwas Fremdes, Herrliches, unsäglich Geheimnisvolles ihn, daß der ganze Körper es mitempfindet, was die Seele, die »Einsame«, in ihm erlebt.

      Einen Menschen erschüttert das Leid, der Tod in seinen Tiefen. An diesem Manne hat es die Freude getan.

      Die in sein Leben eingetretenen, in alle Winkel ihre bunten Strahlen geworfen hat und der Seele mit ihrer frohen Silberstimme zugerufen hat: Nun bin ich da!

      Vierundzwanzigstes Kapitel.

       Der nächste Tag

       Inhaltsverzeichnis

      Der Fürst fuhr am andern Morgen zum Bahnhofe, nicht ohne die sichere Erwartung, daß der Tag ihm einige recht wenig angenehme Stunden bringen würde. Es fröstelte ihn jetzt schon wie einen, der lange in der Sonne gestanden hat und nun in den Schatten treten muß.

      Die Fürstin hat im Schlafwagen eine sehr gute Nacht gehabt, und ihre plötzliche, unerwartete und, wie sie wohl ahnt, unerwünschte Ankunft macht sie freundlicher und geschmeidiger. Freilich, in ihres Mannes Augen ist ein gewisser Blick, der ihr nicht gefällt. – Das wird Rosmaries Einfluß sein.

      »Nun, diese graue Luft könnte man zwar auch in Berlin haben, aber ich bin froh, daß ich dem alten Nebel- und Regenneste entflohen bin. Du freust dich auch, daß ich komme; nichts als Scherereien und Ungemütlichkeiten wirst du gehabt haben.«

      Der Fürst lächelt СКАЧАТЬ