Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe). О. Генри
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Читать онлайн книгу Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe) - О. Генри страница 35

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      »O Harro, laß – laß, es ist dein schönstes Bild ...« – – –

      Am andern Morgen begleitet das Seelchen ihren Vater in den Saal, wo er das Bild sehen will. Wenn der Vater es beachtete, so konnte er fast hören, wie das kleine Herz flattert. Was wird geschehen ... wird er furchtbar zornig sein und Harro nie mehr sehen wollen, weil er ihm ein solches Bild gemalt? Ihre Hände sind eiskalt und ihre Augen dunkel. Aber nichts geschieht. Papa ist erstaunt. Er sagt:

      »Verrate es niemand, Rosmarie: ich habe gar nicht gewußt, daß Mama so schön ist. Und es ahnt mir, daß es ein großartiges Bild ist. Das kannst du Harro sagen. Aber es ist mir doch lieb, daß es nicht für den großen Saal ist. Es macht die andern Bilder so fahl. Harro hatte doch vielleicht recht, wenn er vom Stilisieren sprach. Er kann offenbar nicht recht stilisieren, so wie es sich für ein Porträt in einer Sammlung gehört.«

      Die Fürstin ist sehr erstaunt, daß die Sitzungen nun plötzlich ein Ende haben sollen, eben wie sie anfing sich zu amüsieren. Und das Bild gefällt ihr unsäglich. Sie kann lange davor stehen und es bewundern. So gemalt zu werden, das ist doch die schönste Huldigung, die man darbringen kann. Dieser Thorsteiner ist ein stilles Wasser.

      Nach einigen Tagen fragt das Seelchen ihren Vater: »Darf Harro Mamas Porträt nach München in die Ausstellung schicken? Er hat Frau von Hardenstein erzählt, sie hätten ihn aufgefordert, und es wäre eine Ehre für ihn, er habe aber nichts, was ihm genüge.«

      Der Fürst hat nicht die mindeste Lust dazu, die Fürstin ist aber Feuer und Flamme dafür. Als schöne Frau sich einer bewundernden Welt zu zeigen, dies überträfe ihre kühnsten Träume. Der Thorsteiner soll oben rechts ein kleines Wappen malen mit dem Fürstenhut, dann kann es ausgestellt werden: Porträt Ihrer Durchlaucht der Fürstin B. Und was für eine Reklame gibt das für den armen Kavalier von einem Thorsteiner! Man muß ihm doch auch etwas voran helfen. Die Fürstin wird ganz mildtätig, und sie bekommt auch ihren Willen, und das Bild tritt seine Reise an. Vor ihrer Abreise reiten Fürst und Fürstin noch nach dem Thorstein hinüber und lassen den Hausherrn herausbitten, die Pferde wollen nicht halten ... Die Fürstin sagt lächelnd:

      »Sie dürfen den Winter nicht in der Einsamkeit verbringen, Sie müssen nach Berlin kommen, wo Sie doch auch Anregung haben. Alle Künstler müssen nach Berlin, sonst gelten sie nichts, habe ich mir sagen lassen. Und wie viel schöne Damen werden sich von Ihnen porträtieren lassen wollen! Sie dürfen nicht abwehren. Lassen Sie mich nur machen. Ich sage auf Wiedersehen in Berlin!«

      Und nun hält der feurige Goldfuchs wirklich nicht mehr, und sie stiebt davon, der Fürst ihr nach. Der wendet sich noch im Sattel ... »Es soll mich sehr freuen!« –

      Elftes Kapitel.

       Der Herr Stiftsprediger

       Inhaltsverzeichnis

      Rosmarie geht dieses Mal sicher mit nach Berlin. Die Fürstin seufzt zwar: »Die Luft bekommt ihr nie gut ... und es wird Schwierigkeiten haben, sie unterzubringen, da wir ja die Zimmer zu einem Wintergarten machen wollen ...«

      »Für meine Tochter werden sich doch in dem ganzen großen Haus passende Räumlichkeiten finden,« sagt der Fürst eisig und ganz ohne seine gewohnte Höflichkeit.

      Schon kann man die Braunecker Tage zählen, als Frau von Hardenstein sich bei der Fürstin, die sie sonst sehr ungern stört, melden läßt: Herr Stiftsprediger habe wegen des Konfirmandenunterrichts angefragt. Wenn die Prinzessin den Winter in Berlin zubringen werde, so wünsche er den Namen des dortigen Geistlichen zu erfahren, daß er sich mit ihm in Verbindung setzen könnte. Den letzten Unterricht werde die Prinzessin ja doch in Brauneck erhalten, und es sollte irgendein Plan der Unterweisung zugrund gelegt werden. Die Fürstin hatte mit allen Zeichen äußerster Langeweile zugehört, sie flocht Zöpfe aus den Fransen ihres Stuhles und gähnte kunstvoll und höflich durch die Nase. Plötzlich war sie ganz lebendig:

      »Ich bitte Sie, Frau von Hardenstein, Rosmarie ist vorher schon verwirrt genug, – was werden da zwei geistliche Herren anrichten! Natürlich ist der eine orthodox und der andere liberal – und die arme Rosmarie mit ihren schon vorher verrenkten Ideen! Nein, das kann ich nicht gut finden. Ich werde mit dem Fürsten reden.«

      Der Fürst ist ganz erstaunt, wie die Sache ihm vorgetragen wird. Ist es denn schon so weit – seine Kleine! Freilich, sie ist dreizehn, und der Unterricht geht über zwei Jahre, sie wird also fünfzehn ... Nein, zweierlei Unterricht soll Rosmarie gewiß nicht bekommen. –

      Also wird der Herr Stiftsprediger zum Diner gebeten, und nachher, wenn die Herren zu einer Zigarre in die Sommerstube gegangen sind, kann die Frage mit ihm besprochen werden. Der Fürst kennt seinen Hofprediger und Seelsorger noch kaum. Er ist zwar schon einige Jahre da, aber der Fürst ist ja so selten daheim. Der allsonntägliche Predigtbesuch gehört wohl zu den Braunecker ererbten Gewohnheiten. Des Fürsten Vater hat seinen Erbprinzen, der an Sonntagen hie und da gegen die altgewohnte Sitte und milde Langeweile aufmucken wollte, stets abgefertigt: »Es gehört sich.« Gar zu regelmäßiger und gezwungener Besuch des Gottesdienstes ist nicht immer förderlich für die Gewohnheit des Aufmerkens; der Fürst hat selten eine bessere Gelegenheit gefunden, seinen Gedanken Audienz zu geben, als während der Sonntagspredigt. So kennt er also den Herrn Stiftsprediger recht wenig; es liegt ihm aber sehr daran, daß seine Tochter einen befriedigenden Unterricht bekommt. Er findet, daß einer Frau ein leichter religiöser Anhauch sehr wohl anstehe. Eine freidenkende Frau erscheint ihm auch ästhetisch unbefriedigend – vulgär.

      Die Unterredung mit Hochwürden verlief aber etwas anders, als sich Serenissimus gedacht. Der Stiftsprediger fragt, ob die Prinzessin wohl die Kenntnisse habe, welche die Volksschüler schon mitbringen in den Unterricht? Herr Präzeptor habe sich gleich bei seinem Antritt von jedem Religionsunterricht dispensieren lassen ... und Frau von Hardenstein habe ihm gesagt, daß sie keinen Unterricht übernommen habe, sie fühle sich nicht vorgebildet genug ...

      Der Fürst wird etwas ärgerlich und verlegen. Es ist nicht angenehm, seine Tochter unter dem Bildungsniveau der Volksschüler anzutreffen. Und allerdings bleibt da nur Miß Whart übrig, die ihm als eine sehr religiöse Dame gerühmt worden ist.

      »Es schien mir eher zu viel Religion damals, als zu wenig ... Freilich, was meine Kleine davon behalten hat?«

      Der Herr Stiftsprediger meint, es werde das einfachste sein, wenn er selbst der Prinzessin einige Fragen stelle, und danach werde er Seiner Durchlaucht einen Plan vorlegen, wie der Unterricht am besten zu gestalten sei. Der Fürst findet, daß sein Hofprediger ein umständlicher und pedantischer Herr sei, und überdies steigen ihm die dunkelsten Befürchtungen über Rosmaries fragebereite Wissenschaft auf.

      »Meine Kleine, fürchte ich, wird etwas schüchtern sein, sie gewöhnt sich schwer an Fremde. – Auch drückt sie sich zuweilen etwas sonderbar aus. Darauf müssen Sie schon Rücksicht nehmen ...« Der Herr Siftsprediger lächelt auf eine besondere Weise und sagt:

      »Ich glaube, daß Durchlaucht sich darüber beruhigen können. Ich habe von Herrn Präzeptor schon gehört, wie ungewöhnlich begabt und eifrig die Prinzessin ist.«

      Der Fürst selbst sieht in diesem Moment nicht überwältigend geistreich aus. Hätte ihm der Herr Präzeptor etwas Ähnliches gesagt, so hätte er ihn für übertrieben höflich und zudringlich gehalten. Aber daß er sich andern gegenüber so geäußert, verwundert ihn sehr. Seine Kleine! Seine arme Kleine mit den konfusen Ideen sollte nun mit einem Male begabt sein!

      Er teilte Rosmarie die Sache nicht ohne aufrichtiges СКАЧАТЬ