Название: Die wichtigsten Werke von Adalbert Stifter
Автор: Adalbert Stifter
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027237647
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»Ich stehe hier in meiner Heimat da«, antwortete das Mädchen; »stehst du auch in derselben, daß du frägst, oder kamst du wo anders her?«
»Ich komme anders woher«, sagte der Reiter.
»Wie kannst du dann fragen?« entgegnete das Mädchen.
»Weil ich es wissen möchte«, antwortete der Reiter.
»Und wenn ich wissen möchte, was du willst«, sagte das Mädchen.
»So würde ich es dir vielleicht sagen«, antwortete der Reiter.
»Und ich würde dir vielleicht sagen, warum ich mit den Rosen hier stehe«, entgegnete das Mädchen.
»Nun, warum stehst du da?« fragte der Reiter.
»Sage zuerst, was du willst«, erwiderte das Mädchen.
»Ich weiß nicht, warum ich es nicht sagen sollte«, erwiderte der Reiter, »ich suche mein Glück.«
»Dein Glück? hast du das verloren?« sagte das Mädchen, »oder suchst du ein anderes Glück, als man zu Hause hat?«
»Ja«, antwortete der Reiter, »ich gehe nach einem großen Schicksale, das dem rechten Manne ziemt.«
»Kennst du dieses Schicksal schon, und weißt du, wo es liegt?« fragte das Mädchen.
»Nein«, sagte der Reiter, »das wäre ja nichts Rechtes, wenn man schon wüßte, wo das Glück liegt, und nur hingehen dürfte, es aufzuheben. Ich werde mir mein Geschick erst machen.«
»Und bis du der rechte Mann, wie du sagst?« fragte das Mädchen.
»Ob ich der rechte Mann bin«, antwortete der Reiter, »siehe, das weiß ich noch nicht; aber ich will in der Welt das Ganze tun, was ich nur immer tun kann.«
»Dann bist du vielleicht der rechte«, erwiderte das Mädchen, »bei uns, sagt der Vater, tun sie immer weniger, als sie können. Du mußt aber ausführen, was du sagst, nicht bloß es sagen. Dann weiß ich aber doch noch nicht, ob du ein Schicksal machen kannst. Ich weiß auch nicht, ob du ein Schicksal machst, wenn du in unserem Walde auf der Wiese stehst. «
»Ich darf da stehen«, sagte der Reiter, »denn heute ist Sonntag, der Ruhetag für Menschen und Tiere, wenn es nicht eine Not und Notwendigkeit anders heischt. Mein Pferd habe ich eingestellt. Ich bin in den Wald herauf gegangen, zu beten. Und für den übrigen Tag will ich versuchen, ob ich nicht zu dem Steine der drei Sessel hinauf gelangen kann.«
»Das kannst du«, sagte das Mädchen, »es geht ein Pfad hinauf, den du immer wieder leicht findest, wenn du ihn einmal verlierst. Weil aber der Stein von dem Grunde, der um ihn herum ist, wie eine gerade Mauer aufsteigt, so haben sie Stämme zusammen gezimmert, haben dieselben an ihn gelehnt, und durch Hölzer eine Treppe gemacht, daß man auf seine Höhe gelangen kann. Du mußt aber oben sorgsam sein, daß dein Haupt nicht irre wird; denn du stehst in der Luft allein über allen Wipfeln.«
»Bist du schon oben gestanden?« fragte der Reiter.
»Ich werde doch, da ich so nahe bin«, antwortete das Mädchen.
»Nun«, sagte der Reiter, wenn du schon oben gestanden bist, so werde auch ich oben stehen.«
»Und wenn du heute von den drei Sesseln herunter kommst«, sagte das Mädchen, »dann reitest du morgen nach deinem Geschicke weiter?«
»Ich werde weiter reiten«, sagte er; »warum hast du die Rosen?«
»Muß ich antworten, wenn ich gefragt werde?« sagte das Mädchen.
»Wenn die Eltern fragen, mußt du antworten«, entgegnete der Reiter, »wenn jemand anderer artig fragt, sollst du, und wenn du es versprochen hast, mußt du antworten.«
»So will ich dir so viel sagen, als du gesagt hast«, antwortete das Mädchen, »ich trage die Rosen, weil ich will.«
»Und warum willst du denn?« fragte der Reiter.
»Für den Willen gibt es keine Ursache«, sagte das Mädchen.
»Wenn man vernünftig ist, gibt es für den Willen immer eine Ursache«, erwiderte der Reiter.
»Das ist nicht wahr«, sagte das Mädchen, »denn es gibt auch Eingebungen.«
»Trägst du die Rosen aus Eingebung?« fragte der Reiter.
»Das weiß ich nicht«, entgegnete das Mädchen, »aber wenn du mir mehr von dir sagst, so sage ich dir auch mehr.«
»Ich kann dir nicht viel sagen«, antwortete der Reiter, »ich habe eine Mutter, die in Bayern wohnt, mein Vater ist gestorben, und ich reite jetzt in die Welt, um meine Lebenslaufbahn zu beginnen.«
»So will ich dir auch etwas sagen«, erwiderte das Mädchen. »Meine Eltern haben von hier weiter oben ein Haus. Wir würden es erreichen, wenn wir hier in den Wald gingen, wo ich mit meiner Gespanin herausgetreten bin, wenn wir in dem Walde nach aufwärts gingen, bis wir ein Wasser rauschen hörten, und wenn wir dann zu dem Wasser gingen, und demselben immer entgegen, dann würden endlich Wiesen und Felder kommen, und in ihnen das Haus. An dem Hause ist ein Garten, wo die Sonnenseite ist, und in dem Garten stehen viele Blumen. Und an der Hinterseite des Hauses geht ein Riegel gegen die Tannen, auf welchem viele Waldrosen stehen, und diese nehme ich oft.«
»Hast du die Rosen heute aus Eingebung genommen? Sie sind mir ein Zeichen, daß meine Fahrt gelingen wird«, sagte der Reiter.
»Ich habe einen Metallring, in welchen die Rosenstiele passen«, sagte das Mädchen, »habe heute Rosen genommen, habe sie in den Ring gesteckt, und den Ring auf das Haupt getan.«
»Weil wir noch mehr sprechen werden«, sagte der Reiter, »so gehen wir ein wenig an dem Waldsaume hin, woher du mich kommen gesehen hast. Da werden wir Steine finden, welche zu Sitzen taugen. Auf dieselben können wir uns setzen, und dort sprechen.«
»Ich weiß es nicht, ob ich noch mehreres mit dir sprechen werde«, antwortete das Mädchen, »aber ich gehe mit dir zu den Steinen, und setze mich ein wenig zu dir. Ich kenne die Steine, ich selber habe die Sitze machen lassen. Im Sommer ist es am Vormittage dort sehr heiß, am Nachmittage aber schattig. Im Herbste ist es vormittags lieblich und mild.«
Sie wandelten nun in der Richtung an dem Saume des Waldes hin, in welcher der Reiter zu den Mädchen hergekommen war. Sie hatten bald jene Steine erreicht, an denen der Reiter versucht hatte, ob sie zu Sitzen tauglich wären. Er blieb stehen, und harrte, bis das Mädchen sich gesetzt hatte. Es setzte СКАЧАТЬ