Название: Gesammelte Werke: Kriminalromane + Detektivgeschichten + Historische Romane
Автор: Arthur Conan Doyle
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788026850861
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»Ja, deshalb bin ich hier.«
»Nun, was für Fortschritte haben Sie denn gemacht?«
»Ganz und gar keine. Ich habe zwei Gefangene frei lassen müssen, und es giebt weder Zeugen noch Beweise gegen die andern zwei –«
»Lassen Sie’s gut sein. Wir werden Ihnen bald zwei neue dafür liefern, wenn Sie sich meinen Anordnungen fügen wollen. Den Ruhm mögen Sie hernach meinetwegen davon tragen, aber Sie müssen zu Werke gehen, wie ich es Ihnen vorschreibe. – Einverstanden?«
»Vollständig, wenn Sie mir nur die Kerle herbeischaffen.«
»Gut denn. Erstens brauche ich ein schnelles Polizeidampfboot – das um sieben Uhr an der Westminster-Treppe sein muß.«
»Das läßt sich leicht machen. Dort herum liegt immer eins; aber ich kann der Sicherheit wegen telephonieren.«
»Ferner muß ich zwei stämmige Leute haben, für den Fall des Widerstandes.«
»Zwei bis drei sollen im Boot sein. Was sonst noch?«
»Wenn wir die Männer festnehmen, werden wir auch den Schatz haben. Es würde meinem Freunde hier gewiß Vergnügen machen, den Kasten der jungen Dame zu bringen, welcher die Hälfte des Inhalts rechtmäßig zukommt. Sie soll die erste sein, die ihn öffnet – nicht wahr, Watson?«
»Es würde mir eine große Freude sein.«
»Das ist nun freilich gegen alle Regel,« sagte Jones kopfschüttelnd. »Aber die ganze Sache ist außer der Ordnung, und da werden wir wohl ein Auge zudrücken müssen. Nachher muß der Schatz natürlich dem Polizeiamt übergeben werden bis nach der gerichtlichen Untersuchung.«
»Gewiß. Das läßt sich leicht machen. Mir liegt aber noch ein anderer Punkt am Herzen. Es würde mich besonders interessieren, die ganze Geschichte von Jonathan Smalls eigenen Lippen zu hören. Es ist meine Liebhaberei, wie Sie wissen, schwierige Kriminalfälle bis ins einzelne auszuarbeiten. Ich hoffe, man wird nichts dagegen einwenden, daß ich eine Privatunterredung mit ihm habe, entweder hier in meinem Zimmer oder sonst wo, wenn er nur ausreichend bewacht ist?«
»Je nun, Sie haben die Sache völlig in der Hand. Ich besitze noch nicht einmal einen Beweis von der Existenz dieses Jonathan Small. Wenn Sie ihn fangen können, wüßte ich nicht, wer Ihrer Unterredung mit ihm ein Hindernis in den Weg legen sollte.«
»Darüber sind wir also einig?«
»Vollkommen. Wünschen Sie sonst noch etwas?«
»Nur, daß Sie mit uns speisen. In einer halben Stunde ist das Mittagessen bereit. Ich habe Austern und ein paar Birkhühner besorgt, auch eine feine Sorte Weißwein. – Sie sollen meinen wirtschaftlichen Talenten Ihre Anerkennung zollen, Watson.«
10. Das Ende des Insulaners
Unser Mahl war ein sehr heiteres. Holmes befand sich in vortrefflicher Stimmung; ich habe ihn nie so glänzend in der Unterhaltung gesehen. Er sprach über die verschiedenartigsten Gegenstände – über Passionsspiele, mittelalterliche Töpferarbeit, berühmte Violinen, den Buddhismus von Ceylon und die Kriegsschiffe der Zukunft – so eingehend, als hätte er aus jedem ein spezielles Studium gemacht. Sein guter Humor bildete den größten Gegensatz zu der düstern Niedergeschlagenheit der vorhergehenden Tage. Jones erwies sich als liebenswürdiger Gesellschafter und genoß sein Mahl mit der Miene eines Feinschmeckers. Mich selbst erregte der Gedanke, daß wir uns dem Ende unserer Aufgabe näherten, auf das angenehmste, und ich ließ mich durch Holmes’ Heiterkeit fortreißen. Keiner von uns machte auch nur eine Anspielung auf den Grund unseres Beisammenseins.
Als der Tisch abgeräumt war, sah Holmes nach der Uhr und füllte drei Gläser mit Portwein.
»Ein Glas auf das glückliche Gelingen unserer kleinen Expedition. Und nun ist es hohe Zeit, aufzubrechen. Haben Sie eine Pistole, Watson?«
»Nur den alten Revolver in meinem Pult.«
»Nehmen Sie ihn ja mit. Es ist gut, auf alles vorbereitet zu sein. Die Droschke steht vor der Thür; ich habe sie auf halb sieben bestellt.«
An der Westminster-Werft fanden wir das Boot schon für uns bereit; Holmes prüfte es mit kritischen Blicken.
»Woran läßt sich erkennen, daß dies ein Polizeiboot ist?« fragte er.
»An der grünen Lampe auf der Seite.
»Dann schaffen Sie sie fort.«
Die kleine Veränderung war bald gemacht, wir bestiegen das Boot und die Seile wurden gelöst. Jones, Holmes und ich saßen auf dem Hinterdeck. Ein Mann war am Steuerruder, ein anderer bediente die Maschine und zwei stämmige Polizeibeamte standen auf dem Vorderteil.
»Wohin?« fragte Jones.
»Nach dem Tower. Sagt ihnen, daß sie gegenüber Jakobsons Werft halten.«
Unser Fahrzeug war augenscheinlich ein sehr schnelles. Die langen Reihen beladener Kähne, an denen wir vorüberschossen, schienen uns still zu stehen. Holmes lächelte vor Zufriedenheit, als wir einen Flußdampfer überholten und hinter uns zurückließen.
»Wenn es so weiter geht, sollte uns, denke ich, nichts auf dem Flusse entgehen können,« sagte er.
»Das meine ich auch, und es giebt gewiß nicht viele Boote, die es uns zuvor thun werden.«
»Wir müssen es mit der ›Aurora‹ aufnehmen, die als ein Schnellsegler bekannt ist; das wird nicht leicht sein. Nun lassen Sie sich aber erzählen, wie es mir ergangen ist, Watson:
»Um mich von meinem Aerger über das Hindernis zu zerstreuen, das uns im Wege lag, hatte ich mich, wie Sie wissen, in eine chemische Analyse gestürzt. Einer unserer größten Staatsmänner sagt, daß ein Wechsel in der Arbeit die beste Ruhe ist. Und er hat recht. Nachdem mir das Experiment mit dem Kohlenwasserstoff gelungen war, kehrte ich zu unserm Scholto-Problem zurück und dachte die ganze Geschichte von neuem durch. Meine Jungen hatten stromaufwärts und -abwärts gesucht, ohne Erfolg. Das Boot war an keinem Landungsplatz, an keiner Werft, und war auch nicht zurückgekommen. Daß sie es versenkt haben sollten, hielt ich für unwahrscheinlich. Ich traute dem Small einen gewissen Grad von Schlauheit zu; die hatte er bewiesen bei seiner fortgesetzten Wacht über Pondicherry-Lodge. Er mußte wahrend seines Aufenthalts in London irgend ein geheimes Versteck gehabt haben, das er gewiß nicht aufgeben würde, ohne erst sicher zu sein, daß er den Zufluchtsort entbehren könne. Besonders mußte ihm daran liegen, seinen Kameraden vor allen Blicken zu verbergen, denn, mochte er ihn zustutzen wie er wollte, seine Erscheinung blieb höchst auffallend. Die beiden waren aus ihrem Schlupfwinkel unter dem Deckmantel der Dunkelheit aufgebrochen und mußten wünschen, ihn vor Tagesanbruch wieder zu erreichen. Nun war es nach Angabe der Frau Smith drei Uhr vorbei, als sie das Boot bekamen. Eine Stunde später wurde es ganz hell und viele Leute waren schon auf den Füßen. Daraus folgerte ich, daß sie nicht weit gefahren sein könnten. Sie bezahlten den Smith gut dafür, daß er reinen Mund hielt, legten einstweilen Beschlag auf sein Boot bis zur schließlichen Flucht, und eilten mit dem Schatz in ihr Versteck. In einer späteren Nacht konnten sie dann unter dem Schutz der Dunkelheit nach irgend einem Schiff СКАЧАТЬ