Название: Die bekanntesten Dramen und Lustspiele von Arthur Schnitzler
Автор: Артур Шницлер
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027209309
isbn:
Johanna herb. Was hülfe es mir oder ihm? Was soll er mir sein oder ich ihm? Ich bin nicht dazu geschaffen, Menschen beizustehen in trüben Tagen. Ich kann mir nicht helfen, es ist nun einmal so. Wie eine Feindschaft regt es sich in mir gegen Menschen, die auf mein Mitleid angewiesen sind. Ich hab' es gefühlt die ganze Zeit hindurch, als die Mutter krank war.
Felix. Nein, du bist nicht dazu geschaffen . . . Wozu nur magst du geschaffen sein?
Johanna zuckt die Achseln, sitzt wieder mit verschlungenen Händen und sieht vor sich hin.
Felix. Johanna! Warum redest du denn nicht mehr zu mir wie sonst? Hast du mir nicht vielleicht etwas zu sagen? Erinnere dich doch, wie wir uns früher alles erzählt haben.
Johanna. Das ist lange her. Damals waren wir Kinder.
Felix. Warum kannst du nicht mehr so zu mir reden wie damals, Johanna? Weißt du denn nicht mehr, wie gut wir uns einmal verstanden haben? Wie wir uns alle Geheimnisse anvertraut haben! Wie gute Kameraden wir gewesen sind! . . . Wie wir zusammen in die weite Welt haben ziehen wollen!
Johanna. In die weite Welt... O ja. Ich weiß es noch. Aber jetzt gibt es keine solchen Märchen- und Wunderworte mehr!
Felix. Das käme vielleicht nur auf uns an.
Johanna. Nein, jetzt bedeuten die Worte nicht dasselbe wie früher.
Felix. Wie meinst du das?
Johanna. In die weite Welt . . .
Felix. Was hast du, Johanna?
Johanna. Einmal hab' ich zusammen mit dir im Belvedere ein Bild gesehen, an das denk' ich oft: Da ist eine Wiese mit Rittern und Damen – und ein Wald, ein Weinberg, ein Wirtshaus, und Burschen und Mädeln im Tanz, und eine große Stadt mit Kirchen und Türmen und Brücken. Und über die Brücke marschieren Soldaten, und auf dem Fluß gleitet ein Schiff dahin. Und weiter draußen ist ein Hügel, und auf dem Hügel ein Schloß, und in der Ferne hohe Berge. Und über dem Berg stehen Wolken, und über der Wiese schwimmen Nebel, und über die Stadt ergießt sich Sonnenglanz, und über das Schloß zieht ein Gewitter, und auf den Bergen liegt Schnee und Eis. – Und wenn einer sagte »die weite Welt«, oder wenn ich das Wort irgendwo las, so hab' ich immer an das Bild denken müssen. Und so ging's mir mit vielen von diesen Worten, die so großartig klingen. Gefahr, das war ein Tiger mit weitaufgesperrtem Rachen, – Liebe, das war ein Page mit blonden Locken, der vor einer Dame kniet, – der Tod war ein schöner Jüngling mit schwarzen Flügeln und einem Schwert in der Hand, – und Ruhm war Schall von Trompeten, Menschen, die sich verneigen, und ein blumenbestreuter Weg. Damals konnte man freilich über alles reden, Felix. Aber jetzt sieht alles anders aus . . . Ruhm und Liebe und Tod und die weite Welt.
Felix zögernd. Mir wird ein wenig bang um dich, Johanna.
Johanna. Warum, Felix?
Felix. Johanna! – Ich möchte, daß du unserm Vater keinen Kummer bereitest.
Johanna. Steht das bei mir allein?
Felix. Ich weiß, wohin deine Träume gehen, Johanna. – Was soll das werden?
Johanna. Muß denn alles etwas werden? – Ich denke, Felix, daß es die Bestimmung mancher Menschen sein mag, einander gar nichts anderes zu bedeuten als Erinnerung.
Felix. Johanna! – Du hast es selbst gesagt, – daß du nicht geschaffen bist, Menschen leiden zu sehen.
Johanna zuckt leicht zusammen.
Felix. Leiden . . . und . . .
Sechste Szene
Felix, Johanna. Julian tritt ein.
Julian. Guten Tag. Er reicht Felix die Hand.
Johanna ist aufgestanden. Herr Fichtner! Sie reicht ihm die Hand.
Julian. Ich hätte dich kaum wiedererkannt, Johanna. Du bist ja eine junge Dame geworden. – Euer Vater ist noch nicht zu Hause?
Johanna. Er ist noch gar nicht weggegangen. Erst um zwölf hat er auf der Akademie zu tun.
Julian. Er wird wohl im Atelier sein?
Johanna. Ich will ihn gleich rufen.
Julian sieht um sich.
Wie Johanna weggeben will, tritt Wegrat ein, mit Hut und Stock.
Siebente Szene
Felix, Johanna, Julian, Wegrat. Dann Stubenmädchen.
Wegrat reicht Julian die Hand. Mein lieber Freund! Ich freue mich sehr.
Julian. Erst gestern nach meiner Ankunft habe ich es erfahren – durch Sala. Ich brauche dir nicht erst zu sagen . . .
Wegrat. Ich danke dir für deine Teilnahme. Ich danke dir herzlich. – Setz' dich doch, Julian.
Julian. Du wolltest fortgehen?
Wegrat. Es ist nicht so eilig; erst um zwölf hab' ich auf der Akademie zu tun. Johanna, möchtest du so gut sein, mir für alle Fälle einen Wagen holen zu lassen –?
Johanna ab.
Wegrat setzt sich.
Julian ebenso.
Felix steht an den Kamin gelehnt.
Wegrat. Nun, du bist ja diesmal recht lange fortgeblieben.
Julian. Mehr als zwei Jahre.
Wegrat. Wärest du nur um zehn Tage früher gekommen, so hättest du sie noch einmal gesehen. Es kam so schnell; – wenn auch nicht unerwartet.
Julian. Ich habe gehört.
Wegrat. Und nun bleibst du wohl wieder daheim, nicht wahr?
Julian. Einige Zeit. Wie lange, kann ich freilich nicht sagen.
Wegrat. Nun ja. Programme zu machen, ist deine Sache nie gewesen.
Julian. Ja. Dagegen hab' ich eine gewisse Abneigung. Pause.
Wegrat. Ach Gott, mein lieber Freund – wie oft habe ich in der letzten Zeit an dich gedacht! –
Julian. Und ich . . .
Wegrat. Du hast nicht so oft Gelegenheit dazu . . . Aber ich . . . wenn ich das Gebäude betrete, wo ich jetzt in Amt und Würden schalte, fällt es mir natürlich manchmal ein, wie wir als junge Leute nebeneinander im Modellsaal gesessen sind, mit tausend Plänen und Hoffnungen.
Julian. Das sagst du so СКАЧАТЬ