Gesammelte Werke von Nikolai Gogol. Nikolai Gogol
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Название: Gesammelte Werke von Nikolai Gogol

Автор: Nikolai Gogol

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027211272

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СКАЧАТЬ hat. Dichter Nebel sinkt ihm auf die Augen.

       Inhaltsverzeichnis

      »Ich hab wohl lange geschlafen?« fragte Taraß. Ihm war, als erwache er aus der Betäubung schwerer Trunkenheit. Er suchte die Dinge um sich zu erkennen.

      Eine schreckliche Schwäche lähmte ihm die Glieder. Zweifelnd tastete sein Blick über die Wände der fremden Stube … War aber der Mann, der da an seinem Bett saß und auf jeden seiner Atemzüge zu lauschen schien, nicht der Oberstleutnant Towkatsch?

      – Geschlafen hast du freilich eine Weile, dachte Towkatsch bei sich, – hätte leicht sein können, daß du gar nicht mehr aufgewacht wärst!

      Doch sagte er nichts; er drohte nur mit dem Finger und drückte den dann warnend an die Lippen.

      »Ja, Herrgott, sag mir, wo bin ich!« rief Taraß und marterte sein Hirn, um die Erinnerung an das Geschehene wiederzufinden.

      »Mund halten!« herrschte ihn der alte Kamerad an. »Was brauchst du’s zu wissen! Daß du halb zuschanden gehauen bist, spürst du wohl selbst; oder …? Zwei Wochen sind es, daß ich mit dir reite, ohne mich einmal auszuruhen, und daß du in deinem Fieber den dümmsten Unsinn sprichst. Heut hast du zum erstenmal ruhig geschlafen. Halt den Mund! Das Sprechen hat ja keinen Wert. Du machst dich damit bloß kaputt.«

      Taraß jedoch strengte sich weiter an, seine Gedanken zu ordnen. »Ja, haben mich die Polacken denn nicht gefangen? Ich war doch umzingelt und konnte mich nicht mehr durchhaun!«

      »Halt den Mund, wenn ichs dir sag, verfluchter Satansbraten!« schrie Towkatsch erbost, im Ton einer Amme, die ungeduldig ihren widerspenstigen Säugling schilt. »Was schert es dich, wie du herausgekommen bist! Hauptsache, daß du draußen bist! Es sind wahrscheinlich Leute dagewesen, die dich nicht stecken ließen – das kann dir genug sein! Wir beide, lieber Freund, dürfen noch manche Nacht zusammen reiten. Bist du so dumm und glaubst du, die Brüder taxieren dich für einen einfachen Kosaken? Da täuschst du dich: zweitausend Dukaten haben die Polacken freundlichst auf deinen Kopf gesetzt.«

      »Und … und Ostap?« schrie Bulba in plötzlichem Erinnern und strengte alle Kraft an, sich aufzurichten. Es stand ihm klar vor Augen, wie sie Ostap gefangen und gebunden hatten. So war sein Sohn nun in der Hand der Feinde …

      Wild schüttelte der Schmerz den Alten. Er riß die Verbände von seinen Wunden und warf sie weit ins Zimmer; er wollte sprechen, doch nur ein sinnlos wirres Stammeln kam ihm aus dem Mund. Die Glut des Fiebers hielt ihn von neuem gepackt, und er begann irre zu reden. Fluchend stand der treue Towkatsch neben dem Bett und überhäufte den Kranken mit Vorwürfen und den saftigsten Schimpfworten, die ihm nur einfallen wollten. Dann hielt er ihm die Arme und Beine fest und wickelte ihn in Tücher wie ein kleines Kind, verband die Wunden frisch, rollte ein Ochsenfell um den gewaltigen Leib, verschnürte den ganzen Packen mit Bast und Stricken und lud ihn vor sich aufs Pferd, stieg in den Sattel und ritt schleunigst weiter.

      »Und bring ich dich nicht lebend heim – nach Hause bring ich dich!« sprach er. »Das duld ich nicht, daß die Polacken deinen Kosakenleichnam in Stücke hauen und ihn dann ins Wasser schmeißen! Und will es der liebe Gott schon, daß dir ein Adler die Augen aushackt, dann solls ein Steppenadler sein, einer von unsern Adlern, und kein verfluchter Polackenvogel, der aus dem fremden Land kommt. Bring ich dich auch nicht lebend heim – ins Grenzland bring ich dich!«

      So sprach der treue Kamerad. Und ohne Rast und Ruhe ritt er weiter, Tag um Tag und Nacht um Nacht, bis er am Ende mit dem bewußtlosen Taraß glücklich im Heimatlager ankam. Dort pflegte er seine Wunden sorgsam mit Kräuterbalsam und machte eine heilkundige Jüdin ausfindig, die dem Kranken solange kräftige Mixturen eingab, bis es ihm endlich besser ging. Lag es nun an der Arznei, oder siegte seine eiserne Kraft – um die Mitte des zweiten Monats stand Taraß wieder fest auf den Füßen. Die Wunden waren verharscht – nur noch die tiefen Säbelnarben gaben Kunde davon, wie die Polacken den alten Recken in der Arbeit gehabt hatten. Doch wich der schwere Trübsinn nicht von ihm. Drei scharfe Falten hatte der Gram in seine Stirn geprägt, und die verlor er nicht mehr bis ans Ende. Blickte er um sich, dann dünkte ihn im Lager alles so neu und fremd – die alten Genossen waren tot. Keiner lebte mehr von denen, die mit ihm für die gute Sache, für Glauben und Kameradschaft ins Feld gezogen waren. Auch der Teil des Heeres, den der Hetman auf die Verfolgung der Tataren mitgenommen hatte, war aufgerieben worden bis zum letzten Mann, gestorben und verfault. Die einen hatte der Feind im Schlachtgewühl gefällt, die andern waren vor Hunger und Durst in den weiten Salzsümpfen der Krim verschmachtet, die dritten an Scham und Gram dahingesiecht in der Gefangenschaft der Heiden. Auch den Hetman hatte der Tod ereilt, ihn und alle die andern getreuen Kameraden. Gras wucherte schon wieder auf den Hügeln, darunter so viel feurige Kosakenkraft zur ewigen Ruhe gebettet lag.

      Taraß ging durch die Tage wie im Gedenken an ein verrauschtes überschäumend frohes Fest. Alles Geschirr ist zu Splittern zerschlagen, du findest keinen Tropfen Wein mehr, die Gäste und die Diener haben die kostbaren Becher und Schüsseln gestohlen; da stehst du, ein betrübter Hausherr, und denkst in deinem Sinn: – Hätte ich das Fest doch gar nicht erst gefeiert!

      Die andern Kosaken taten alles, den Alten zu zerstreuen und aufzumuntern – umsonst! Gar mancher graubärtige Pandoraspieler, der in das Lager kam, pries in seinem Lied die ruhmvoll stolzen Taten des Obersten Taraß – umsonst! Finster und teilnahmlos blieb Bulbas Gesicht, unendlich tiefe Trauer brütete in seinem Blick, hangenden Hauptes murmelte er vor sich hin: »Mein Sohn! Ostap!«

      Die Kosaken rüsteten einen neuen Beutezug über das Meer. Zweihundert Kähne stark, fuhren sie den Dnjepr hinunter, und Kleinasien lernte von neuem die Männer mit den langen Schöpfen auf den rasierten Schädeln kennen. Feuer und Schwert hausten mörderisch an den fruchtbaren Küsten. Die Turbane der Moslim sprenkelten die blutgetränkten Felder so dicht wie Wiesenblumen und schwammen hundertweise in den Bächen und Flüssen. Überall wimmelte es von teerbefleckten Kosakenpluderhosen, überall schwangen kräftige Fäuste die schwarzen Knuten. Jeder Weinberg wurde von den Kosaken leergefressen und verwüstet, in den Moscheen ließen sie Berge von Kot zurück, kostbare persische Schale zerrissen sie zu Fußlappen oder gürteten ihre schmierigen Röcke damit. Lange Jahre nachher noch fand man in den Winkeln der Moscheen kurze Kosakenpfeifen. Endlich machten sie sich frohen Muts auf die Heimfahrt; doch ein mit zehn Geschützen bestücktes Türkenschiff jagte ihnen nach und blies mit einer Breitseite ihre morschen Kähne wie einen Schwarm Wandervögel auseinander. Der dritte Teil der Mannschaft versank im tiefen Meer, der Rest sammelte sich wieder, kam wohlbehalten in die Dnjeprmündung und brachte zwölf Fässer bis an den Rand voll goldner Zechinen in das Lager heim.

      Taraß war dies alles einerlei. Er streifte durch die Steppe, als wolle er auf die Jagd; doch Kraut und Lot blieben ruhig im Lauf. Endlich setzte er sich müde und kummervoll am Strande nieder und warf die Büchse in den Sand. Lange konnte er so hangenden Hauptes sitzen. Und immer wieder murmelten seine Lippen das eine: »Ostap! Ostap! Mein Sohn!«

      Vor seinem Blick wogte funkelnd das Schwarze Meer, im Schilfrohr drüben klang ein Möwenschrei; des Alten Schnauzbart glänzte wie Silber in der Sonne, Träne um Träne rann ihm aus den Augen.

      Und endlich riß es Taraß zu einem Entschluß empor.

      »Soll kommen, was will!« sprach er zu sich. »Ich muß erfahren, was ihm geschehen ist: ob er noch lebt, ob er im Grabe liegt, ob sie ihm gar im Tod kein Grab vergönnen. Das muß ich wissen – soll kommen, was will!«

      Und keine Woche war seit diesem Entschluß vergangen, da sah man ihn schon in der Stadt СКАЧАТЬ