Название: Gesammelte Werke von Nikolai Gogol
Автор: Nikolai Gogol
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027211272
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Nach dem Essen streckten sich alle, die abmarschieren sollten, zur Ruhe aus und fielen in einen tiefen, langen Schlaf, wie wenn sie ahnten, daß dies der letzte Schlaf sei, den sie in solcher Freiheit genießen sollten. So schliefen sie bis Sonnenuntergang; und da die Sonne verschwand und leichte Dämmerung einfiel, begannen sie die Wagen zu schmieren. Als dann alles bereit war, schickten sie die Wagen voraus, schwenkten noch einmal die Mützen gegen die Kameraden und zogen stumm, jedes Geräusch vermeidend, hinter dem Troß drein – zuerst das Fußvolk, zum Schluß die Reiterei; kein Ruf wurde laut, kein Pfiff trieb einen Gaul an; und bald war alles vom Dunkel verschluckt. Gedämpft nur hallte das Hufgetrappel aus der Nacht herüber und hie und da das Kreischen eines Rades, das sich noch nicht eingelaufen hatte oder bei dem Zwielicht nicht gut geschmiert worden war.
Noch lange winkten die Kameraden ihnen nach, wenngleich nichts mehr von ihnen sich blicken ließ. Und als sie dann wieder zu ihren Lagerplätzen gingen, sahen sie im heller gewordnen Sternenlicht, daß die Hälfte der Wagen und viele, viele ihrer Genossen fehlten. Da wurde es den Kosaken wunderlich ums Herz, wider Willen verfielen sie in Grübeln und ließen die sonst so muntern Köpfe hangen.
Taraß sah wohl, wie traurig seine Leute um die Feuer saßen, wie weichliche Wehmut, deren ein tapfrer Mann sich schämen sollte, die Kosakenherzen beschlich; aber er sagte nichts: er wollte ihnen Zeit lassen, den Trübsinn auszukosten, mit dem sie der Abschied von den Kameraden erfüllte. Und derweil rüstete er sich in aller Stille, sie mit einem Schlag durch gut kosakischen Zuspruch emporzureißen, auf daß mit verdoppeltem Feuer der Mut in ihnen entbrenne, der kühne Mut, wie ihn nur die slawische Seele kennt. Weiträumig und gewaltig macht er die slawische Seele vor den Seelen der andern Völker, wie es das Meer ist vor allen den flachen Flüssen: stürmt es, so brüllt und donnert das Meer, Wellenberge entspringen aus seinem Schoß, hundertfach höher, als die schwachen Flüsse sie kennen; schweigen die Winde, so breitet es unabsehbar, klarer als jemals ein Fluß, seinen gläsernen Spiegel, eine ewige Weide den Menschenaugen.
Taraß schickte seine Diener zu einem Wagen, der seitab von den andern stand. Es war der größte und stärkste Packwagen im ganzen Troß; schwere doppelte Eisenreifen umspannten die plumpen Räder; die Ladung war mit Pferdedecken und derben Rinderhäuten verhüllt, über die sich stramm die geteerten Seile spannten. Der Wagen trug nichts als Gebinde und Fäßchen voll köstlichen alten Weins, der lange in Bulbas Kellern gelagert hatte. Er führte ihn für irgendeinen besonders feierlichen Augenblick mit sich. Käme einmal eine große Stunde, da das Heer vor einer Aufgabe stände, die würdig wäre, den kommenden Geschlechtern überliefert zu werden, dann sollte jeder Kosak bis zum letzten Mann einen Schluck von dem sonst im Feld verbotnen Weine trinken, auf daß in der großen Stunde ein großes Gefühl die männischen Herzen regiere.
Die Diener eilten, zu tun, was ihnen der Oberst befahl: sie gingen hin, durchschnitten die Seile mit den Säbeln, taten die derben Ochsenhäute und die Decken herunter und hoben die Gebinde und Fäßchen vom Wagen.
»Und jetzt«, sagte Bulba, »halte jeder, soviele ihr da seid, her, was er hat: einen Becher, oder den Eimer, mit dem er seinen Gaul tränkt, oder einen Fausthandschuh, oder die Mütze, oder meinetwegen auch die zwei hohlen Hände.«
Alle Kosaken, soviele ihrer da waren, hielten her, was jeder hatte, der eine einen Becher, der andre den Eimer, mit dem er seinen Gaul tränkte, dieser einen Fausthandschuh, jener die Mütze, manch einer auch die zwei hohlen Hände. Und die Diener des alten Taraß schänkten allen vom Wein aus den Gebinden und Fässern. Taraß aber verbot ihnen zu trinken, bevor er ihnen das Zeichen gäbe; denn sie sollten alle zugleich trinken. Sie sahen, daß er ihnen vorher noch etwas sagen wollte. So stark auch der gute alte Wein ganz von selbst ist, und so gut er ein Mannesherz mit Kraft zu erfüllen versteht – kommt noch ein gutes Wort dazu, so doppelt das die Kraft des Weins und der Herzen. Dies wußte Bulba.
Und also sprach er: »Ihr Herren und Brüder, zum Wein geladen hab ich euch nicht, meine Erwählung zum Hetman zu feiern, so sehr ich euch danke für diese große Ehre, und auch nicht zur Feier des Abschieds von unsern Kameraden – nein, jedes Ding zu seiner Zeit; dafür ist nicht die Stunde. Schwere Mühe liegt vor uns, große Kosakentaten werden von uns verlangt! Laßt uns darum, alle vereint, zuerst auf den heiligen rechten Glauben trinken; kommen soll endlich die Zeit, da der eine heilige Glaube sich über die ganze Erde ausbreitet und alles beherrscht und alle Ketzer zu wahren Christen macht! Zum zweiten trinken wir auf das Heimatlager; lang soll es stehen und blühen, allen Ketzern zum Verderben, frische Jungmannschaft soll mit jedem neuen Jahr von ihm ausziehn, einer immer tapfrer als der andre, einer immer schmucker als der andre. Zum dritten trinken wir auf unsern eignen Ruhm – mögen noch unsere Enkel und Enkelsöhne von uns singen und sagen, wie wir so treu die Kameradschaft in Ehren hielten und den Freund nicht verrieten. Wohlan denn: auf den Glauben, ihr Herren und Brüder, auf unsern Glauben!«
»Auf unsern Glauben!« fielen die zunächst Stehenden mit tiefen Stimmen ein.
»Auf unsern Glauben!« antworteten die ferner Stehenden, und alle, Alte und Junge, tranken auf den heiligen rechten Glauben.
»Auf unser Lager!« rief Taraß und stieß die Hand hoch über seinen Kopf in die Luft.
»Auf unser Lager!« hallte es dumpf aus den vordern Reihen wieder.
»Auf unser Lager!« sagten leise die Alten, ihre grauen Schnauzbärte zuckten.
Und die Jungen fuhren empor wie erwachende junge Falken und riefen: »Auf unser Lager!«
Weithin dröhnte das Feld von dem Schrei der Kosaken.
»Und nun den letzten Schluck, Kameraden: auf unsern Ruhm, und auf jeden Christenmenschen, der in der Welt lebt!«
Alle Kosaken, vom ersten bis zum letzten Mann, tranken die Neige auf ihren Ruhm und auf jeden Christenmenschen, der in der Welt lebt. Und oft noch scholl es aus den Reihen zurück: »Auf jeden Christenmenschen, der in der Welt lebt.«
Geleert waren die Becher, doch wie erstarrt standen die Kosaken, die Hand noch gen Himmel geschwungen. Fröhlich glänzten die Augen vom Wein, aber jeder war tief in Gedanken. Nicht an Plünderung dachten sie jetzt und Beute, nicht daran, wieviel ihnen zu gewinnen glücken möchte an goldnen Dukaten, kostbaren Waffen, gestickten Röcken und tscherkessischen Gäulen. Sie spähten gedankenschwer in die Weite, wie Adler, die auf den Gipfeln der Berge thronen, auf schwindelndem Felsgrat, von dem der Blick das unendliche Meer umfaßt. Über seinen Spiegel gleiten, gleich kleinen Vögeln, Galeeren, Korvetten und allerhand Schiffe, fern blauen die dünnen Striche der Küsten, an denen, winzigen Fliegen ähnlich, die Städte liegen und die Wälder zu niedrigem Rasen zusammenschrumpfen. Wie Adler sahen die Kosaken über das Blachfeld, schauten sie in dämmernder Ferne ihr eignes Schicksal. Kommen, fern daherkommen sahen sie die Stunde, da dieses Blachfeld mit allen den Schluchten und Straßen starren würde von ihrem weißen Gebein, getränkt sein würde von ihrem Blut, bedeckt von den Trümmern ihrer Wagen, vom schartigen Eisen zerhauener Säbel und Lanzen. Ringsum, so weit ihre Blicke trugen, würden Kosakenköpfe verstreut sein mit wirrem, blutverklebtem Schopf und hangendem Schnauzbart; und niederstürzen würden die Schwärme der Geier, ihnen die Augen aus ihren Höhlen zu hacken.
Aber ein Schönes und Großes hat solch ein weites und freies Totenbett: keine herrliche Tat kann sterben! Mag der Pulverrauch aus der Büchse verwehen – niemals verweht der Kosakenruhm.
Wahrlich, es kommt die Zeit, da einst ein Pandoraspieler, ein rüstiger Graukopf mit wallendem Bart, prophetischen Geistes voll singen und sagen wird vom Ruhme der Helden. Über die Welt hin hallt dann ihr Name; und alles, was lebt, wird ihn nennen. Denn hellen Klang hat das mächtige Wort, gleich dröhnendem Glockenerz, darein der Meister viel köstlichen Silbers verschmolz, daß СКАЧАТЬ