Der Hetman erwiderte: »Schönen Gruß zuvor an den Bischof von mir und allen Kosaken! Er soll keine Angst haben: die Kosaken zünden sich bloß ihre Pfeifen an.«
Und alsbald wurde die stattliche Abtei von der mörderischen Flamme gepackt, die hohen gotischen Fenster schauten düster aus lodernden Feuerwogen. Flüchtende Scharen von Mönchen, Juden und Weibern übervölkerten plötzlich alle Städte, wo irgendeine Hoffnung auf die Besatzung oder das Bürgeraufgebot zu setzen war. Die Hilfstruppen, die die Regierung hier und da, wenns schon zu spät war, schickte, waren gering an Zahl; sie fanden die Kosaken gar nicht, oder sie bekamen es mit der Angst, gaben Fersengeld bei der ersten Begegnung und rissen auf ihren flüchtigen Gäulen aus. Es geschah auch wohl, daß sich mehrere königliche Heerführer, die in früheren Schlachten ruhmreich gefochten hatten, zusammentaten und ihre Kräfte vereinten, den Kosaken die Stirn zu bieten. Hier war es, wo sich die jungen Kosaken vor allem erprobten. Sie schauderten noch vor Raub, vor Plünderung, vor der Vergewaltigung Wehrloser zurück, brannten aber darauf, sich den Alten als Kämpfer zu zeigen, Mann gegen Mann sich gegen einen geschmeidigen Polackenfant zu erproben, der auf edelm Roß einherstolzierte und die hängenden Ärmel des Dolmans im Wind flattern ließ. Fröhliche Wissenschaft war das; genug an Pferdegeschirr, kostbaren Säbeln und Flinten hatten sie schon erbeutet. Im Lauf eines Monats wurden sie Männer, waren die eben erst ausgeschlüpften Flaumküken erwachsen und völlig verwandelt; ihre Gesichter, die vorher noch knabenhafte Weichheit zur Schau getragen hatten, blickten jetzt streng und stark. Der alte Taraß hatte seine Freude daran, wie seine Söhne überall unter den vordersten waren. Ostap schien der Weg des Soldaten von Geburt an vorgezeichnet zu sein, er hatte alle Gaben für die schwierige Kriegskunst. Nichts, was ihm zustieß, konnte ihn aus der Ruhe und Fassung bringen; voll einer Kaltblütigkeit, die bei einem Zweiundzwanzigjährigen fast unglaublich schien, ermaß er mit einem Blick die ganze Gefahr und die Aussichten des Kampfes, fand er, wo das geraten schien, schleunigst ein Mittel, ihm auszuweichen, aber bloß auszuweichen, um nachher desto gewisser den Sieg zu gewinnen. Seine Bewegungen atmeten jetzt schon die Sicherheit der Erfahrung; der künftige Feldherr war nicht zu verkennen. Sein Körper strotzte von Kraft, sein Kampfesmut lieh ihm die Gewalt eines Löwen.
»Oh, der!« sagte der alte Taraß. »Das gibt einmal einen tüchtigen Hetman. Teufel, gibt das einen Hetman! Der Bursch steckt mit der Zeit den eignen Vater noch in die Tasche!«
Andri ließ sich von der bezaubernden Musik der Kugeln und Schwerter völlig fortreißen. Er wußte nicht, was überlegen heißt, einen Plan machen, die eignen und die Kräfte des Gegners in Rechnung ziehn. Ihm war die Schlacht wilde Wonne und Lust; gleich einem Rausch überkam es ihn in den Minuten, da den Mann die Kampfeswut packt, da alles vor seinen Augen flimmert und wirbelt, da abgehauene Köpfe fliegen und Rosse dröhnend zu Boden schlagen, da der Kosak trunken dahinsprengt, durch Kugelpfeifen und Säbelblitzen, und Hiebe austeilt und nichts von den Hieben spürt, die er selber empfängt. Auch an Andri hatte der Vater oft seine Freude, wenn er, einzig dem feurigen Drange folgend, Gefahren anging, die ein Mensch mit kaltem Blut und Kopf wohl vermieden hätte, und wenn er durch sein berserkerhaftes Draufgehn Wunder vollführte, vor denen auch die ältesten Kämpfer staunende Augen machten.
Der alte Taraß hatte seine Freude daran und sagte:
»Auch er – möge ihn Gott in der Schlacht beschützen – ist ein tapfrer Krieger. Er ist kein Ostap, aber, das muß man sagen, ein tapfrer Krieger!«
Der Hetman hatte beschlossen, geradeswegs gegen die Stadt Dubno zu ziehen, wo einem Gerücht zufolge ein schwerer Kriegsschatz lag und die Bürger Geld in Scheffeln besaßen. Schon um die Mitte des zweiten Tages rückte das Heer vor die Stadt. Die Einwohner beschlossen, sich bis zum letzten Mann und zur letzten Möglichkeit zu wehren und lieber auf dem Markt und den Gassen ihr Blut zu verströmen, als den Feinden den Weg über ihre Schwellen freizugeben. Ein hoher Erdwall umgab die Stadt; wo er nicht hoch genug war, hatte man Steinmauern errichtet oder mit Kanonen bestückte Blockhäuser oder Verhaue aus eichenen Palisaden. Die Besatzung war stark und wußte, worum es ging. Die Kosaken versuchten den Wall in schneidigem Ansturm zu nehmen, wurden aber von heißem Kartätschenfeuer empfangen. Auch die Bürger und das übrige Volk der Stadt schienen nicht müßig hinten bleiben zu wollen und drohten in hellen Haufen vom Wall. In ihren Augen las man den Willen zu verzweifeltem Widerstand. Selbst die Weiber nahmen am Kampfe teil. Den Kosaken auf die Köpfe regneten Steine, Fässer, Töpfe mit siedendem Wasser und endlich Säcke voll Sand, der ihnen die Augen blendete. Die Kosaken hatten nicht gern etwas mit festen Plätzen zu tun, der Sturm gegen Mauern war nicht ihr Fall.
Der Hetman gab also Befehl zum Rückzug und sagte: »Wartet es ab, ihr Herren und Brüder! Wir ziehn uns zurück; aber ein ungläubiger Tatar will ich heißen, und nicht ein Christenmensch, wenn auch nur einer von denen da aus der Stadt kommt! Sollen sie nur alle vor Hunger verrecken, die Hunde!«
Das Heer zog sich zurück, umzingelte die Stadt und machte sich aus lauter Langeweile daran, die Umgegend zu verwüsten. An die Dörfer der Nachbarschaft und die Kornschober, die noch nicht eingefahren waren, wurde Feuer gelegt; auf die ungemähten Felder jagte man die Gäule und ließ sie die vollen Ähren niedertrampeln, die den Landleuten in diesem Jahr einen selten reichen Lohn ihrer Mühe versprochen hatten. Die Leute in der Stadt sahen mit Schrecken, wie das, was ihnen Nahrung gewähren sollte, der Zerstörung anheimfiel. Inzwischen richteten sich die Kosaken, die eine zwiefache Wagenburg um die Stadt gelegt hatten, genau wie daheim im Lager ein, hausten nach Gemeinden geordnet, rauchten ihre Pfeifen, trieben Tauschhandel mit den erbeuteten Waffen, spielten Paar oder Unpaar und schauten mit zielsichrer Mördergeduld kalt nach der Stadt hinüber. Abends wurden die Lagerfeuer entfacht, die Gemeindeköche kochten in ungeheuren Kupferkesseln Riesenmengen an Grütze; neben Feuern, die die ganze Nacht unterhalten wurden, lagerten die Posten.
Es währte natürlich nur kurze Zeit, da begannen sich die Kosaken bei dem faulen Leben zu langweilen – diese ewige Nüchternheit, die durch so gar keine wichtige Tätigkeit geboten erschien, behagte ihnen wenig. Der Hetman entschloß sich seufzend, die Weinration zu verdoppeln. Das hielt man im Feld manchmal so, wenn keine größeren Kämpfe noch Marschleistungen zu erwarten waren. Besonders den jungen Leuten, nicht zuletzt Taraß Bulbas Söhnen, mißfiel dies Dasein aufs höchste.
Andri machte kein Hehl aus seinem Verdruß.
»Unvernünftiger Bursch«, sagte Taraß zu ihm, »nur durch Geduld wird aus dem Kosaken ein Hetman! Das ist mir noch lange nicht der richtige Krieger, wer bloß in der Schlacht keine Angst hat – nein, auch wenn nichts zu tun ist, hübsch munter bleiben, alles ertragen, was da auch kommt und was da auch los ist, und immer den Mut behalten …!«
Aber ein hitziger junger Bursch denkt darin nicht wie ein Alter – ihre Jahre sind weit auseinander, sie sehen die Dinge mit sehr verschiednen Augen.
Inzwischen war auch Taraß Bulbas Regiment unter der Führung des Oberstleutnants Towkatsch zum Heere gestoßen; zwei weitere Oberstleutnante, einen Schreiber und sonstige Chargen brachte er mit; es waren im ganzen mehr als viertausend Kosaken. An ihren Reihen gab es genug Freiwillige, die ohne Aufruf unter die Fahne getreten waren, als sie hörten, worum es ging. Towkatsch überbrachte Bulbas Söhnen den Segen der Mutter und jedem ein im Kiewer Kloster geweihtes Heiligenbild aus Zypressenholz. Die beiden Söhne hängten sich die Amulette um und kamen wider Willen ins Grübeln, da sie der Mutter gedachten. Was kündete und bedeutete ihnen dieser Segen? Hatte er wohl die Kraft, ihnen den Sieg über die Feinde zu schenken und darnach die fröhliche Heimkehr, schwer an Beute, strahlend in Ruhm, der ewig zum Klang der Pandora besungen würde; oder…? – СКАЧАТЬ