Название: Gesammelte Werke von Nikolai Gogol
Автор: Nikolai Gogol
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027211272
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»Ich hab die Kraft nicht, noch die Macht, dir deine Güte zu vergelten, edler Ritter«, sagte sie, und ein Beben war in ihrer Silberstimme. »Gott allein kann dir das lohnen; niemals ein schwaches Weib wie ich …«
Sie schlug die Augen nieder; die schönen schneeigen Halbkreise der Lider, gesäumt von langen, pfeilgeraden Wimpern, verhüllten ihren Blick; auch ihr wunderholdes Gesicht neigte sich, und eine seine Röte stieg ihr in die Wangen. Andri wußte nichts zu erwidern; er hätte alles aussprechen mögen, was ihm am Herzen lag, es so glühend aussprechen mögen, wie ihm zumute war; aber er konnte es nicht. Ein dunkles Etwas versiegelte ihm die Lippen; die Stimme hätte keinen Klang gehabt – wie sollte er, das Kind des Seminars und des unsteten Kriegerlebens, auf solche Rede Antwort geben? Er haderte mit dem Schicksal, das ihn als Kosaken das Licht der Welt hatte erblicken lassen.
In diesem Augenblick betrat die Tatarin das Gemach. Sie hatte schon ein Brot in Scheiben geschnitten, trug es auf goldner Platte herein und stellte die vor ihre Herrin hin. Das schöne Mädchen sah die Dienerin und das Brot an und schlug die Augen dann zu Andri auf – es lag gar viel in diesen Augen. Dieser ergriffne Blick, der von Leid und Entbehrung sprach und davon, daß sie nicht die Kraft hätte, ihrem starken Empfinden Ausdruck zu geben, sagte Andri mehr als alle Worte. Ihm wurde es auf einmal leicht ums Herz, als fiele eine innre Fessel von ihm ab. Sein Gefühl, das eine unbekannte Macht bis dahin hart im Zaum gehalten hatte, fand sich auf einmal in Freiheit wieder und wollte sich schon in unaufhaltsame Wortströme ergießen, als die Schöne plötzlich besorgt zu der Tatarin sagte:
»Und meine Mutter? Hast du ihr Brot gebracht …?«
»Ich konnte nicht: sie schläft.«
»Aber dem Vater?«
»Ja. Er will selbst kommen und dem Ritter danken.«
Das Fräulein nahm vom Brot und führte es zum Munde. In unbeschreiblicher Wonne sah Andri zu, wie sie es mit ihren weißen Fingern brach und aß.
Da mußte er jäh des Hungerwahnsinnigen gedenken, der vor seinen Augen an ein paar Bissen Brot gestorben war. Er wurde blaß, legte die Hand auf ihren Arm und rief: »Genug! Iß jetzt nicht mehr! Du hast so lange nicht gegessen – das Brot ist Gift für dich.«
Sie ließ die Hand sinken, legte folgsam wie ein Kind das Brot auf die Platte zurück und schenkte ihm einen ergriffnen Dankesblick. O hätte das Wort doch Kraft des Ausdrucks! Aber nicht Meißel noch Pinsel, nicht das hochmächtige Wort kann schildern, was zu solcher Stunde im Auge einer Jungfrau lebt – nur fühlen kann das, erschauernd vor Ergriffenheit, der Glückliche, den einer Jungfrau Auge mit solcher Wärme grüßt.
»Königin!« rief Andri aus überströmendem Herzen. »Was brauchst du und was willst du? Befiehl! Wünsch dir das Unmöglichste, das es auf Erden gibt – ich laufe und erfüll es dir! Sag mir, ich soll zustande bringen, was über jedes Menschen Kräfte ist – ich tu’s, und wenn ich dabei sterben soll! Dann sterb ich eben! Wenn es um dich ist, kann für mich nichts schöner sein. Beim heiligen Kreuz! – Aber ich sag es wohl nicht richtig. – Ich hab drei Höfe, die Hälfte von den Herden meines Vaters ist mir zu eigen – mein ist alles, was die Mutter dem Vater in die Ehe gebracht, und auch, was sie vor ihm verheimlicht hat – das alles ist mein. Keiner von unsern Kosaken hat solche schönen Waffen: allein für den Handgriff meines Säbels krieg ich auf der Stelle die beste Roßherde und dreitausend Schafe. Und auf das alles verzicht ich gern; ich geb es hin, verbrenn es, werf es ins Wasser, wenn du mir nur ein Wort sagst oder mir bloß mit deinen schwarzen Brauen winkst. Aber ich weiß schon, ich rede dumm, wie es sich hier nicht ziemt. Ich hab immer nur auf der Schule und im Lager gelebt, da kann ich die Worte nicht so setzen, wie es Brauch ist bei Königen und Fürsten und den Spitzen der adligen Ritterschaft. Ich seh ja, daß du ein andres Gottesgeschöpf bist als wir, und daß alle die andern Magnatenfrauen und Fräulein Töchter weit unter dir sind. Wir taugen nicht einmal zu Knechten für dich; nur die Engel im Himmel dürfen dir dienen.«
Mit wachsendem Staunen, jedes Wort begierig schlürfend, lauschte die Jungfrau dieser frei aus seinem Tiefsten sprudelnden Rede, die ihr zum Spiegel seiner jugendmächtigen Seele wurde. СКАЧАТЬ