Gesammelte Werke von Nikolai Gogol. Nikolai Gogol
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Название: Gesammelte Werke von Nikolai Gogol

Автор: Nikolai Gogol

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9788027211272

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СКАЧАТЬ die malerisch und in abgezirkelter Haltung, der eine genau wie der andre, mit der Rechten die Lanze hielten und mit der Linken den gesenkten Kopf stützten. So glichen sie mehr Bildsäulen als lebendigen Menschen. Sie schliefen nicht, schienen aber auch nichts zu hören und zu sehen; sie kümmerten sich nicht einmal darum, wer die Treppe hinanstieg. Auf der obersten Stufe erblickten die Ankömmlinge einen kostbar gekleideten, bis an die Zähne bewaffneten Krieger, der ein Gebetbuch in der Hand hielt. Er schlug die müden Augen zu ihnen auf, als aber die Tatarin ihm ein Wort zuraunte, senkte er den Blick wieder auf die Blätter des aufgeschlagnen Buches. Sie betraten das erste Gemach, das ziemlich groß war und als Vorraum und Wartezimmer diente. Rings an den Wänden rekelten sich Soldaten, Lakaien, Hundejungen, Mundschenken und andre Dienerschaft, wie sie der Rang eines polnischen Magnaten verlangte, mochte er Heerführer, mochte er nur Großgrundbesitzer sein. Der Qualm einer ausgegangnen Kerze beizte den Eintretenden die Nase; zwei andre Kerzen brannten noch auf beinah mannshohen Kandelabern, die mitten im Zimmer standen; und doch schaute durch das breite vergitterte Fenster auch hier längst der Morgen herein. Andri wollte geradeswegs auf eine hohe Tür aus Eichenholz zueilen, die mit einem Wappen und allerlei Schnitzwerk geziert war, die Tatarin aber zog ihn am Ärmel und deutete zu einem Pförtchen in der Seitenwand. Durch dieses kamen sie auf einen Gang und darauf in ein Zimmer, in dem sich Andri neugierig umsah. Der Lichtstrahl, der durch einen Spalt der geschlossenen Laden eindrang, streifte einen karmesinroten Vorhang, ein goldnes Gesims und Malereien an den Wänden. Die Tatarin hieß ihn hier warten und öffnete die Tür zu einem hell erleuchteten Nebenzimmer. Der junge Kosak vernahm das Flüstern einer sanften Stimme, vor der ihm das Herz erzitterte. Er hatte beim öffnen der Tür flüchtig die schlanke Gestalt einer Frau erblickt, der eine lange, üppige Haarflechte über den erhobnen Arm herunterhing. Die Tatarin kehrte zurück und bat ihn, einzutreten. Er wußte nicht, wie er hineinkam, und wer die Tür hinter ihm schloß. In dem Gemach brannten zwei Kerzen; vor dem Heiligenbild flackerte die Ampel, darunter stand ein hoher katholischer Betschemel. Jedoch das war es nicht, was seine Augen suchten. Er wendete den Kopf und erblickte ein Weib, das wie mitten in einer schnellen Bewegung erstarrt und versteinert aussah – als hätte es ihm entgegenstürzen wollen und plötzlich halt gemacht. Auch er stand reglos, in tiefem Staunen. Nicht so hatte er geträumt sie wiederzusehen: das war nicht sie, die er früher gekannt hatte; sie glich in keinem Stück mehr ihrem Bild von einst, aber sie war jetzt zwiefach schön und herrlich. Damals hatte sie noch etwas gleichsam Unfertiges, Unvollendetes gehabt, jetzt war sie wie ein Meisterwerk, an dem sein Künstler den letzten Pinselstrich getan hat. Damals war sie ein reizendes kokettes Mädchen gewesen, jetzt war sie ein Weib von reifer Schönheit. Aus ihren voll zu ihm aufgeschlagnen Augen sprach ein starkes Gefühl, nicht bloß eine Spur und Andeutung von Gefühlen – nein, ein ganzes, großes Gefühl. Noch waren ihre Tränen nicht getrocknet; sie liehen ihren Augen einen feuchten Glanz, der Andri an das Herz griff. Ihre Brust, der Hals und die Schultern prangten in der schön gebändigten Fülle des voll erblühten Weibes; ihr Haar, das ihr früher in leichten Löckchen ins Gesicht gefallen war, hatte sich zu einer dicken, üppigen Flechte verwandelt, von der ein Teil aufgesteckt war, während der andre Teil armslang über die Schultern herabhing und ihr ein Netz von feinen krausen Goldfäden über die Brust legte. Ihre Züge schienen sich ganz verändert zu haben. Er suchte etwas von dem wiederzufinden, was er im Gedächtnis getragen hatte – umsonst! So furchtbar bleich sie war – das konnte ihrer Schönheit nicht Abbruch tun; es war, als gäbe ihr das vielmehr etwas Leidenschaftliches, unwiderstehlich Sieghaftes. Andri fühlte eine heilige Scheu im Herzen und stand wie ein Erstarrter vor ihr. Auch sie war wohl betroffen von dem Anblick des Kosaken, des Jünglingmannes in seiner ganzen Kraft und Schönheit, dem man auch jetzt, da er sich nicht bewegte, ansah, wie ungezwungen frei sich seine Glieder rühren müßten; sein Auge blitzte von sichrer Kraft, in kühnem Bogen schwang sich die samtne Braue, die sonnverbrannte Wange glühte vom Feuer unverdorbner Jugend, der kleine schwarze Schnurrbart glänzte seidig.

      »Ich hab die Kraft nicht, noch die Macht, dir deine Güte zu vergelten, edler Ritter«, sagte sie, und ein Beben war in ihrer Silberstimme. »Gott allein kann dir das lohnen; niemals ein schwaches Weib wie ich …«

      Sie schlug die Augen nieder; die schönen schneeigen Halbkreise der Lider, gesäumt von langen, pfeilgeraden Wimpern, verhüllten ihren Blick; auch ihr wunderholdes Gesicht neigte sich, und eine seine Röte stieg ihr in die Wangen. Andri wußte nichts zu erwidern; er hätte alles aussprechen mögen, was ihm am Herzen lag, es so glühend aussprechen mögen, wie ihm zumute war; aber er konnte es nicht. Ein dunkles Etwas versiegelte ihm die Lippen; die Stimme hätte keinen Klang gehabt – wie sollte er, das Kind des Seminars und des unsteten Kriegerlebens, auf solche Rede Antwort geben? Er haderte mit dem Schicksal, das ihn als Kosaken das Licht der Welt hatte erblicken lassen.

      In diesem Augenblick betrat die Tatarin das Gemach. Sie hatte schon ein Brot in Scheiben geschnitten, trug es auf goldner Platte herein und stellte die vor ihre Herrin hin. Das schöne Mädchen sah die Dienerin und das Brot an und schlug die Augen dann zu Andri auf – es lag gar viel in diesen Augen. Dieser ergriffne Blick, der von Leid und Entbehrung sprach und davon, daß sie nicht die Kraft hätte, ihrem starken Empfinden Ausdruck zu geben, sagte Andri mehr als alle Worte. Ihm wurde es auf einmal leicht ums Herz, als fiele eine innre Fessel von ihm ab. Sein Gefühl, das eine unbekannte Macht bis dahin hart im Zaum gehalten hatte, fand sich auf einmal in Freiheit wieder und wollte sich schon in unaufhaltsame Wortströme ergießen, als die Schöne plötzlich besorgt zu der Tatarin sagte:

      »Und meine Mutter? Hast du ihr Brot gebracht …?«

      »Ich konnte nicht: sie schläft.«

      »Aber dem Vater?«

      »Ja. Er will selbst kommen und dem Ritter danken.«

      Das Fräulein nahm vom Brot und führte es zum Munde. In unbeschreiblicher Wonne sah Andri zu, wie sie es mit ihren weißen Fingern brach und aß.

      Da mußte er jäh des Hungerwahnsinnigen gedenken, der vor seinen Augen an ein paar Bissen Brot gestorben war. Er wurde blaß, legte die Hand auf ihren Arm und rief: »Genug! Iß jetzt nicht mehr! Du hast so lange nicht gegessen – das Brot ist Gift für dich.«

      Sie ließ die Hand sinken, legte folgsam wie ein Kind das Brot auf die Platte zurück und schenkte ihm einen ergriffnen Dankesblick. O hätte das Wort doch Kraft des Ausdrucks! Aber nicht Meißel noch Pinsel, nicht das hochmächtige Wort kann schildern, was zu solcher Stunde im Auge einer Jungfrau lebt – nur fühlen kann das, erschauernd vor Ergriffenheit, der Glückliche, den einer Jungfrau Auge mit solcher Wärme grüßt.

      »Königin!« rief Andri aus überströmendem Herzen. »Was brauchst du und was willst du? Befiehl! Wünsch dir das Unmöglichste, das es auf Erden gibt – ich laufe und erfüll es dir! Sag mir, ich soll zustande bringen, was über jedes Menschen Kräfte ist – ich tu’s, und wenn ich dabei sterben soll! Dann sterb ich eben! Wenn es um dich ist, kann für mich nichts schöner sein. Beim heiligen Kreuz! – Aber ich sag es wohl nicht richtig. – Ich hab drei Höfe, die Hälfte von den Herden meines Vaters ist mir zu eigen – mein ist alles, was die Mutter dem Vater in die Ehe gebracht, und auch, was sie vor ihm verheimlicht hat – das alles ist mein. Keiner von unsern Kosaken hat solche schönen Waffen: allein für den Handgriff meines Säbels krieg ich auf der Stelle die beste Roßherde und dreitausend Schafe. Und auf das alles verzicht ich gern; ich geb es hin, verbrenn es, werf es ins Wasser, wenn du mir nur ein Wort sagst oder mir bloß mit deinen schwarzen Brauen winkst. Aber ich weiß schon, ich rede dumm, wie es sich hier nicht ziemt. Ich hab immer nur auf der Schule und im Lager gelebt, da kann ich die Worte nicht so setzen, wie es Brauch ist bei Königen und Fürsten und den Spitzen der adligen Ritterschaft. Ich seh ja, daß du ein andres Gottesgeschöpf bist als wir, und daß alle die andern Magnatenfrauen und Fräulein Töchter weit unter dir sind. Wir taugen nicht einmal zu Knechten für dich; nur die Engel im Himmel dürfen dir dienen.«

      Mit wachsendem Staunen, jedes Wort begierig schlürfend, lauschte die Jungfrau dieser frei aus seinem Tiefsten sprudelnden Rede, die ihr zum Spiegel seiner jugendmächtigen Seele wurde. СКАЧАТЬ