Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Essays + Memoiren + Tagebücher. Стендаль
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Essays + Memoiren + Tagebücher - Стендаль страница 73

Название: Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Essays + Memoiren + Tagebücher

Автор: Стендаль

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788026824862

isbn:

СКАЧАТЬ Mutter gerufen worden, damit sie sich etlichen Freundinnen der Marquise zeige. »Sie übertreibt alle Moden. Ihr Kleid entgleitet den Schultern. Sie sieht noch blasser aus als vor ihrer Reise. Ihre Haare sind wie farblos, so blond sind sie. Man möchte meinen, daß das Licht hindurchscheint. Welcher Hochmut in ihrer Art zu grüßen und im Blick! Dazu die Gesten einer Königin!«

      Fräulein von La Mole rief ihren Bruder, als er gerade den Salon verlassen wollte.

      Graf Norbert kam auf Julian zu.

      »Mein lieber Sorel«, sagte er, »wo darf ich Sie um Mitternacht zum Balle bei Herrn von Retz abholen? Er hat mir ausdrücklich aufgetragen, Sie mitzubringen.«

      »Ich weiß wohl, wem ich so viel Güte verdanke«, antwortete Julian mit einer übertrieben tiefen Verbeugung. Da er an dem Höflichkeit und sogar Anteilnahme bezeigenden Tone Norberts nichts auszusetzen fand, so nörgelte er in seiner üblen Laune an der eignen Antwort, die er auf diese verbindliche Aufforderung gegeben hatte. Er fand ein Körnchen Gemeinheit darin.

      Abends, als er auf den Ball kam, war er vom Prunk des Retzschen Hauses wie geblendet. Den Hof vor dem Eingang überspannte ein riesiges purpurrotes Segeltuch mit goldenen Sternen. Ein köstlicher Anblick! Der Hof unter diesem Zeltdache war in einen Hain von Orangen-und Rosen-Lorbeerbäumen verwandelt. Die Töpfe und Kübel waren so tief eingegraben, daß die Bäume aus dem Boden zu wachsen schienen. Die Auffahrt war mit Sand bestreut.

      Die ganze Szenerie kam dem Provinzler wie ein Märchenbild vor. Er hatte solche Herrlichkeit noch nie geschaut, und im Nu hatte seine entflammte Einbildungskraft seine vorherige üble Laune verjagt. Im Wagen, als sie zum Ball fuhren, war Norbert fröhlich gewesen; Julian aber sah alles gleichsam durch eine schwarze Brille. Kaum waren sie im Hofe, als sie die Rollen tauschten.

      Norbert hatte nur Augen für einige kleine Mängel, die all der Prachtentfaltung untergelaufen waren. Er veranschlagte die Kosten der ganzen Ausschmückung bis ins einzelne, und je höher seine Berechnung stieg, desto schlechter ward seine Laune. Julian bemerkte dies. Es kam ihm vor, als sei Norbert beinahe eifersüchtig. Er hingegen war wie berauscht. Voller Bewunderung und vor Erregung fast befangen trat er in den ersten Saal, in dem getanzt ward. Alles drängte zur Tür nach dem zweiten Raume. Die Menge der Geladenen war so groß, daß es Julian unmöglich war, weiter vorzudringen. Die Ausschmückung des zweiten Saales stellte die Alhambra von Granada vor.

      »Sie ist die Ballkönigin! Das muß man ihr lassen!« meinte ein schnurrbärtiger junger Herr, dessen Schulter im Gewühle gegen Julians Brust gedrückt ward.

      Sein Nachbar antwortete dem Sprecher: »Fräulein Fourmont, den ganzen Winter die Schönste, begreift offenbar, daß sie auf den zweiten Platz verdrängt ist. Sieh nur ihre sonderbare Miene!«

      »Tatsächlich, sie gibt sich die allergrößte Mühe, Eindruck zu machen! Sieh bloß, dies holde Lächeln in dem Augenblick, wo sie im Contre allein tanzt. Auf Ehre, unbezahlbar!«

      »Fräulein von La Mole dagegen drückt ihre Freude über ihren unverkennbaren Triumph nach außen nieder. Es macht beinahe den Eindruck, als fürchte sie, dem zu gefallen, mit dem sie spricht.«

      »Sehr gut! Das ist die höhere Verführungskunst!«

      Julian machte vergebliche Anstrengungen, die Verführerische zu erblicken. Sechs oder acht Herren verdeckten sie ihm.

      »Keine üble Koketterie, diese vornehme Zurückhaltung!« sagte der junge Herr mit dem Schnurrbart.

      »Und diese großen blauen Augen, die sie so langsam niederschlägt, gerade wenn man glaubt, daß sie sich verraten werden«, erwiderte der Nachbar. »Wahrlich, größere Raffinerie gibt’s nicht!«

      »Sieh nur, wie gewöhnlich die schöne Fourmont neben ihr aussieht!« bemerkte ein dritter.

      »Ihre zurückhaltende Miene bedeutet: Welche Liebenswürdigkeit würde ich entfalten, wenn du der Mann wärest, der meiner würdig ist!«

      »Und wer wäre der himmlischen Mathilde würdig?« sagte der erste. »Irgendein souveräner Fürst, schön, geistreich und wohlgestaltet, ein Held im Kriege und höchstens zwanzig Jahre alt.«

      »Der natürliche Sohn des russischen Zaren, oder aber – der Graf von Thaler, der Bauer im Frack!«

      Die Tür wurde frei; Julian konnte hindurchgehen.

      »Da sie in den Augen dieser Laffen für etwas so Besonderes gilt, ist es schon der Mühe wert, daß ich sie mir daraufhin einmal ansehe«, dachte er. »Ich werde dadurch lernen, was in den Augen dieser Leute Vollkommenheit ist.«

      Als er Mathilde mit den Augen suchte, sah sie ihn an. »Die Pflicht ruft!« sagte sich Julian, der zwar noch übellaunig aussah, es aber nicht mehr war. Die Neugier trieb ihn, und seine Lebensfreude ward durch Mathildens tief ausgeschnittenes Kleid noch erhöht. Für seine Eigenliebe war das allerdings wenig schmeichelhaft. »Wie jugendlich ist ihre Schönheit«, dachte er. Fünf oder sechs junge Herren, unter denen er die wiedererkannte, die vorhin an der Tür geplaudert hatten, standen zwischen ihm und ihr.

      »Sie sind den ganzen Winter hier in Paris gewesen, Herr Sorel. Sie können mir also gewiß sagen, ob dieser Ball der schönste der Saison ist?« fragte sie ihn.

      Julian gab keine Antwort. Sie fuhr fort: »Diese Quadrille kommt mir wundervoll vor. Die Damen tanzen sie tadellos.«

      Die jungen Herren drehten sich um, um zu sehen, wer der Glückliche sei, von dem Fräulein von La Mole durchaus eine Antwort haben wollte. Sie lautete wenig ermutigend.

      »Ich bin kein guter Beurteiler, gnädiges Fräulein. Ich bringe mein Leben am Schreibtisch zu, und dies ist der erste Ball von solcher Pracht, den ich sehe.«

      Die eleganten jungen Herren waren starr.

      »Sie sind ein Weltweiser, Herr Sorel!« erwiderte Mathilde mit sichtlich stärker werdendem Anteil. »Sie sehen alle Bälle, alle Festlichkeiten an wie ein Philosoph, wie Jean Jacques Rousseau. Die Narretei verwundert Sie, ohne Sie zu verlocken.«

      Der eben ausgesprochene Name raubte Julian alle Phantasie und verscheuchte alle Illusion aus seinem Herzen. Sein Mund nahm den Ausdruck stark übertriebener Geringschätzung an.

      »Jean Jacques Rousseau«, antwortete er, »ist in meinen Augen ein Tor, wenn er sich erkühnt, die große Welt zu verurteilen. Er hat sie nie verstanden, und er hat das Herz eines emporgekommenen Lakaien in sie getragen.«

      »Er hat den Gesellschaftsvertrag geschrieben«, erwiderte Mathilde im Tone der Verehrung.

      »Er hat die Republik und den Umsturz aller monarchischen Einrichtungen gepredigt. Und dabei war dieser Emporkömmling toll vor Freude, als ein Herzog das Ziel seiner Nachmittagspromenade änderte, um einen seiner Freunde zu begleiten.«

      »Ach ja, der Herzog von Luxemburg begleitete in Montmorency einen simplen Herrn Coindet in der Richtung nach Paris«, ergänzte Fräulein von La Mole mit der ganzen Wonne und Andacht jugendlicher Schulgelehrsamkeit. Sie war glückselig vor Freude über ihr Wissen, ungefähr wie jener Akademiker, der die Existenz des Königs Feretrius entdeckte. Julians Augen blieben streng und undurchdringlich. Mathilde war einen Moment voller Begeisterung gewesen; die Kälte ihres Partners ernüchterte sie beträchtlich. Sie war um so mehr darüber erstaunt, als sie es sonst war, die diese Wirkung auf andre hervorbrachte.

      In diesem Augenblick kam der Marquis von Croisenois diensteifrig auf Mathilde zu. Er stand eine kleine Weile drei Schritte vor ihr, ohne durch die Menge dringen zu können, und lächelte ihr über dieses Hindernis hinweg zu. Neben ihm stand СКАЧАТЬ