Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Essays + Memoiren + Tagebücher. Стендаль
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Читать онлайн книгу Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Essays + Memoiren + Tagebücher - Стендаль страница 157

Название: Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Essays + Memoiren + Tagebücher

Автор: Стендаль

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788026824862

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СКАЧАТЬ würde uns die Mißgunst heimsuchen und uns unsere gute Laune verderben. Das große Leben in Parma wird, hoffe ich, den Reiz des Neuen haben, selbst in Ihren Augen, die den Hof des Fürsten Eugen gesehen haben. Lernen Sie es nur erst kennen! Glauben Sie nicht, daß ich Sie in Ihrem Entschluß zu beeinflussen suche. Mein Standpunkt steht fest; ich lebe lieber im dritten Stock zusammen mit Ihnen, als daß ich mein großes Leben einsam weiterführe.«

      Das Für und Wider dieser seltsamen Heirat wurde täglich zwischen den beiden Liebenden erwogen. Auf dem Ball in der Scala lernte die Gräfin den Duca di Sanseverina-Taxis kennen. Er kam ihr ganz annehmbar vor. Während eines ihrer letzten Gespräche faßte Mosca seinen Vorschlag noch einmal wie folgt zusammen: »Wir müssen zu einem entscheidenden Entschluß kommen, um Ruhe in unser Leben zu bringen. Der Fürst hat seine Einwilligung gegeben. Sanseverina ist eine Persönlichkeit mit mehr guten als schlechten Seiten. Er besitzt den schönsten Palast von Parma und ein maßloses Vermögen; er ist achtundsechzig Jahre alt und hat nur die törichte Ordenssucht. Freilich haftet ein großer Makel an seinem Leben: er hat vor Jahren für zehntausend Franken eine Büste Napoleons von Canova gekauft. Und dann hat er eine Todsünde begangen, von der Sie ihn erlösen sollen: er hat einem gewissen Ferrante Palla fünfundzwanzig Napoleons geborgt. Das ist ein sonderbarer Heiliger, im Grunde ein genialer Kerl, den wir zum Tode verurteilt haben, glücklicherweise in contumaciam. Dieser Ferrante hat im ganzen zweihundert Verse geschrieben. Die sind unvergleichlich. Ich werde sie Ihnen gelegentlich vorlesen; sie sind ebenso schön wie Dantes Verse. Serenissimus schickt den Sanseverina an den Hof von … Am Tage seines Wegganges heiratet er Sie. Ein Jahr darauf bekommt er sein Großkreuz, ohne das er nicht leben kann. Sie werden an ihm einen Bruder haben, der ganz und gar nicht lästig ist. Er unterschreibt im voraus alles, was ich ihm vorlege; und im übrigen werden Sie ihn selten oder gar nicht zu Gesicht bekommen, ganz wie es Ihnen beliebt. Er verlangt nichts weiter, als daß er sich in Parma nicht zu zeigen braucht, wo ihn sein Großvater, der Generalpächter, und das Gerücht, er sei liberal, belästigen. Rassi, unser Henker, hat behauptet, der Duca sei heimlich auf den ›Constitutionnel‹ abonniert gewesen, und zwar durch Vermittlung des Dichters Ferrante Palla, und diese Verleumdung hat lange Zeit der Einwilligung des Fürsten ernstlich im Weg gestanden.«

      Wie könnte den Geschichtsschreiber, der dieses Gespräch bis in die geringsten Einzelheiten treu verfolgt, irgendwelche Schuld an den Geschehnissen treffen? Ist es seine Schuld, wenn die Gestalten, beherrscht von Leidenschaften, die er durchaus nicht teilt, zu seinem Unglück auf gänzlich unmoralische Handlungen verfallen ? Wahrlich, solche Dinge kommen in einem Lande nicht mehr vor, wo die einzige, alle anderen erstickende Leidenschaft, die Sucht nach Geld, der Träger der Eitelkeit ist.

      Drei Monate nach den soeben erzählten Ereignissen setzte die Duchezza di Sanseverinain Bewunderung durch ihre ungezwungene Liebenswürdigkeit und die edle Heiterkeit ihres Geistes. Ihr Haus wurde unbestritten das beliebteste der Stadt. Das hatte Mosca seinem Gebieter versprochen. Ranuccio Ernesto IV., der regierende Fürst, und seine Gemahlin, die Fürstin, denen die Duchezza durch zwei der vornehmsten Damen des Landes vorgestellt worden war, empfingen sie auf das huldvollste. Die Duchezza war begierig, diesen Fürsten, den Herrn über das Schicksal dessen, den sie liebte, kennen zu lernen; sie wollte ihm gefallen, und das gelang ihr nur zu gut. Sie fand einen Mann von hoher, nur ein wenig starker Gestalt; sein Haar, sein Schnurrbart und sein riesiger Backenbart waren, wie die Hofschranzen meinten, vom schönsten Blond; bei einem anderen hätten sie diese nichtssagende Farbe mit dem unedlen Wort ›Semmelblond‹ bezeichnet. In der Mitte eines breiten Gesichts war eine kleine, beinahe weibische Stumpfnase kaum bemerkbar. Die Duchezza machte die Bemerkung, daß alle diese Merkmale von Häßlichkeit nur dann auffielen, wenn man sie absichtlich einzeln aufs Korn nahm. Im ganzen machte er den Eindruck eines Mannes von Geist und Charakter. Die Haltung des Fürsten, seine Art, sich zu geben, entbehrten nicht des Hoheitsvollen; nur bisweilen, wenn er mit jemandem sprach, auf den er Eindruck machen wollte, fiel er aus seiner Rolle und wiegte sich von einem Bein auf das andere. Sonst hatte Ernst IV. einen scharfen Herrscherblick; seine Bewegungen waren vornehm und seine Worte ebenso gemessen wie bestimmt.

      Mosca hatte die Herzogin im voraus auf ein Kniestück Ludwigs XIV. und auf einen sehr schönen Tisch aus Florentiner Scagliola im Audienzsaal aufmerksam gemacht. Sie fand die Ähnlichkeit erstaunlich. Offensichtlich ahmte der Fürst den Blick und die vornehme Sprechweise Ludwigs XIV. nach und stützte sich dabei auf den Scagliola-Tisch in einer Weise, als ob er sich die Haltung Josephs II. geben wolle. Sofort nach den ersten Worten, die er an die Duchezza gerichtet hatte, setzte er sich, um ihr Gelegenheit zu geben, von einem ihrem Rang gebührenden Vorrecht Gebrauch zu machen. An jenem Hofe setzten sich die Herzoginnen, Fürstinnen und die Damen von spanischen Granden ohne Geheiß. Die anderen Damen warteten, bis der Fürst oder die Fürstin sie dazu aufforderten; und um den Rangunterschied merklich zu machen, pflegten die allerhöchsten Herrschaften immer absichtlich eine kleine Frist verstreichen zu lassen, ehe sie Damen, die nicht Herzoginnen waren, zum Platznehmen einluden. Die Herzogin fand die Nachahmung Ludwigs XIV. in gewissen Augenblicken am Fürsten ein wenig zu auffällig, zum Beispiel in der Art, wie er, huldvoll lächelnd, das ganze Gesicht verzog.

      Ernst IV. trug einen Frack nach der neuesten Pariser Mode. Man sandte ihm alle Monate aus dieser Stadt, die ihm ein Greuel war, einen Frack, einen Rock und einen Hut. Aber an dem Tage, da die Herzogin empfangen wurde, trug er in sonderbarem Kostümmischmasch ein Paar rote Beinkleider, seidene Strümpfe und Schuhe mit sehr langen Klappen, wie man sie auf Bildnissen Josephs II. sehen kann.

      Er empfing die Sanseverina liebenswürdig; er sagte ihr geistreiche und feine Worte, aber sie merkte doch sehr wohl, daß der Empfang nicht übermäßig gnädig war.

      »Wissen Sie warum?« fragte der Graf Mosca, als sie von dem Empfang zurückkam. »Weil Mailand eine größere und schönere Stadt als Parma ist. Wenn er Ihnen den Empfang hätte zuteil werden lassen, den ich erwartet und auf den er mir Hoffnung gemacht hatte, so hätte er dabei Angst gehabt, wie ein Provinzler zu erscheinen, den die Huld einer schönen Dame aus der Hauptstadt in Verzückung versetzt. Außerdem stört ihn noch ein besonderer Umstand, den ich Ihnen kaum zu sagen wage: der Fürst hat an seinem Hofe keine Dame, die Ihnen an Schönheit den Rang streitig machen könnte. Das war gestern abend beim Schlafengehen der einzige Gegenstand der Unterhaltung mit seinem Ersten Kammerdiener Pernico, der mir sehr gewogen ist. Ich sehe eine kleine Umwälzung unserer Hofgebräuche voraus. Mein ärgster Feind am Hofe hier ist ein Narr, den man den General Fabio Conti betitelt. Stellen Sie sich einen wunderlichen Kauz vor, der in seinem Leben vielleicht einen Tag im Felde war und aus diesem Grunde Friedrich den Großen nachäfft. Dazu möchte er die vornehme Leutseligkeit des Generals Lafayette zur Schau tragen, und zwar, weil er hier das Haupt der liberalen Partei ist, Gott weiß, von was für Liberalen.«

      »Ich kenne Fabio Conti«, sagte die Duchezza. »Ich habe ihn einmal in der Nähe von Como flüchtig gesehen. Er zankte sich mit Gendarmen herum …«

      Sie erzählte das kleine Abenteuer, dessen sich der Leser vielleicht noch erinnert.

      »Gnädige Frau, eines Tages, wenn Ihr Geist jemals die Tiefen unserer Hofgebräuche ergründet, werden Sie wissen, daß die jungen Damen erst nach ihrer Verheiratung bei Hofe erscheinen dürfen. Serenissimus hegt aber, was die Erhabenheit Parmas über alle anderen Städte angeht, einen so glühenden Vaterlandsstolz, daß ich wetten möchte, er findet Mittel und Wege, sich die kleine Clelia Conti, die Tochter unseres Lafayette, vorstellen zu lassen. Sie ist wirklich allerliebst und galt noch vor acht Tagen für die Schönste im ganzen Fürstentum.

      Ich weiß nicht,« fuhr der Graf fort, »ob die Schändlichkeiten, die die Feinde des Monarchen zu seinen Ungunsten verbreitet haben, bis in das Schloß Grianta gedrungen sind. Man hat ihn als Ungeheuer, als Scheusal hingestellt. Es ist aber Tatsache, daß Ernst IV. eine ganze Menge netter kleiner Tugenden besitzt, und man kann getrost sagen, wäre er unverwundbar wie Achill, dann wäre er das Muster eines Machthabers geblieben. Aber in einer Anwandlung von Langerweile und Ärger und auch ein wenig, um Ludwig XIV. nachzueifern, der, ich weiß nicht, welchen Helden der Fronde hat köpfen lassen, der friedlich auf seinem Landgut lebte, unverschämterweise dicht bei Versailles, fünfzig Jahre nach СКАЧАТЬ