Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Essays + Memoiren + Tagebücher. Стендаль
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Читать онлайн книгу Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Essays + Memoiren + Tagebücher - Стендаль страница 150

Название: Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Essays + Memoiren + Tagebücher

Автор: Стендаль

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788026824862

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СКАЧАТЬ aber nicht, daß er gestorben war. ›Der General ist nicht der Mann, der mit sich spaßen läßt, wenn ich seine Frau ohne Grund festnehme‹, sagte er sich.

      Während diese Beratung fortdauerte, spann die Gräfin ein Gespräch mit dem jungen Mädchen an, das neben dem Wagen im Straßenstaub stand; seine Schönheit fiel ihr außerordentlich auf.

      »Sie werden einen Sonnenstich bekommen, Signorina«, sagte sie, und halb zu dem Gendarmen gewandt, der die Pferde bewachte: »Der brave Soldat wird wohl nichts dagegen haben, wenn Sie in den Wagen steigen.«

      Fabrizzio, der um den Wagen herumschlich, sprang schnell herbei, um der jungen Dame beim Einsteigen behilflich zu sein. Sie hatte schon einen Fuß auf den Wagentritt gesetzt, und Fabrizzio stützte ihr den Arm beim Einsteigen, als der große Mann, der sechs Schritt hinter dem Wagen stand, sie mit einer Stimme, die gebieterisch klingen sollte, anbrüllte: »Bleib auf der Straße! Der Wagen gehört uns nicht. Wie kannst du einsteigen?« Fabrizzio hatte diesen Befehl überhört; das junge Mädchen wollte, statt in den Wagen zu steigen, zurücktreten. Als Fabrizzio es weiterhin stützte, fiel es in seine Arme. Er lächelte, und das Mädchen errötete tief. Es löste sich aus seinen Armen, und einen Augenblick sahen sie sich gegenseitig an.

      ›Das wäre eine reizende Gefängnisgenossin‹, sagte sich Fabrizzio. ›Welche Versonnenheit hinter dieser Stirn! Sie muß zu lieben verstehen!‹

      Der Wachtmeister kam gewichtig heran und fragte: »Welche von den Damen heißt Clelia Conti?«

      »Ich«, sagte das junge Mädchen.

      »Und ich«, setzte der alte Herr hinzu, »bin der General Fabio Conti, Kammerherr Seiner Hoheit des Fürsten von Parma. Ich finde es im höchsten Grade unziemlich, daß ein Mann meines Standes wie ein Dieb behandelt wird.«

      »Als Sie sich vorgestern im Hafen von Como einschifften, haben Sie da nicht den Polizeiinspektor, der nach Ihrem Paß fragte, grob abgewiesen ? Nun, heute vergilt ers.«

      »Mein Boot war schon abgestoßen. Ich hatte Eile. Ein Unwetter war im Anzug. Ein Mann ohne Uniform rief mir vom Staden zu, ich sollte in den Hafen zurückkehren. Ich habe ihm meinen Namen zugerufen und meine Fahrt fortgesetzt.«

      »Und diesen Morgen haben Sie sich aus Como gedrückt?«

      »Ein Mann wie ich braucht keinen Paß, um von Mailand aus den Comer See zu besuchen. Heute morgen sagte man mir in Como, ich werde am Tor angehalten werden. Ich bin mit meiner Tochter zu Fuß weggegangen, in der Hoffnung, auf der Straße irgendeinen Wagen zu treffen, der uns nach Mailand brächte, wo ich sicherlich meinen ersten Besuch dem Kommandierenden General mache, um mich zu beschweren.«

      Der Wachtmeister war zweifellos eine große Sorge los.

      »Sehr wohl, Herr General! Sie sind verhaftet und folgen mir nach Mailand! – Und Sie, wer sind Sie?« fragte er Fabrizzio.

      »Mein Sohn,« warf die Gräfin rasch ein, »Ascanio, Sohn des Generalleutnants Pietranera.«

      »Ohne Paß, Frau Gräfin?« fragte der Wachtmeister sehr höflich.

      »In seinem Alter hat er noch nie einen gehabt; er reist niemals allein, sondern stets mit mir.«

      Während dieses Gesprächs zeigte sich der General Conti den Gendarmen gegenüber mehr und mehr in seiner Würde gekränkt.

      »Kein Wort weiter!« rief einer von ihnen. »Sie sind verhaftet, und damit basta!«

      »Danken Sie noch Ihrem Schöpfer,« sagte der Wachtmeister, »daß wir Ihnen erlauben, sich irgendein Bauernpferd zu mieten; andernfalls marschieren Sie trotz Staub und Hitze und trotz Ihrem Range als Kammerherr von Parma ganz einfach zu Fuß zwischen unseren Pferden!« Der General begann zu fluchen.

      »Wollt Ihr wohl ruhig sein?« wiederholte der Gendarm. »Ich sehe keine Generalsuniform. Da könnte jeder kommen und sagen, er sei General.«

      Der General erboste sich noch mehr. Unterdessen hatten sich die Umstände im Wagen bedeutend gebessert. Die Gräfin behandelte die Gendarmen, als ob sie ihre Dienstboten wären. Sie gab einem einen Taler, er solle aus einem Bauerngut, das man in einer Entfernung von zweihundert Schritt liegen sah, eine Flasche Wein und vor allen Dingen frisches Wasser holen. Es war ihr auch gelungen, Fabrizzio zu beruhigen, der darauf bestanden hatte, sich in das Gehölz auf dem Hügel zu retten. »Ich habe gute Pistolen!« hatte er gesagt. Dann setzte sie bei dem wütenden General durch, daß seine Tochter im Wagen Platz nehmen durfte. Bei dieser Gelegenheit erzählte der General, der gern von sich und seiner Familie sprach, den Damen, daß seine Tochter erst zwölf Jahre alt sei; sie sei am 27. Oktober 1803 geboren, aber alle Welt halte sie für vierzehn oder fünfzehn, so gescheit sei sie.

      ›Ein ganz gewöhnlicher Mensch!‹ sagten die Augen der Gräfin zur Marchesa. Der Gräfin war es zu danken, daß die Angelegenheit nach einstündiger Verhandlung ins reine kam. Ein Gendarm, der in einem Nachbardorfe zu tun hatte, lieh dem General Conti sein Pferd, nachdem ihm die Gräfin gesagt hatte: »Sie bekommen zehn Franken dafür!«

      Der Wachtmeister ritt mit dem General weg; die anderen blieben unter einem Baum in Gemeinschaft mit vier großen Flaschen Wein, die der nach dem Gehöft entsandte Gendarm mit Hilfe eines Bauern herbeigebracht hatte. Keiner dachte mehr daran, den Sohn des braven Generals Grafen Pietranera festzunehmen.

      Nach den ersten Augenblicken, die der Höflichkeit und der Erörterung des kleinen Zwischenfalls galten, bemerkte Clelia Conti, mit welchem Anflug von Begeisterung die schöne Gräfin mit Fabrizzio sprach; sicherlich war sie nicht seine Mutter. Ihre Aufmerksamkeit wurde besonders erregt durch wiederholte Anspielungen auf etwas Heldenhaftes, Tollkühnes, im höchsten Grade Gefahrvolles, das vor kurzem stattgefunden haben mußte; aber trotz ihrer Klugheit konnte die junge Clelia nicht erraten, worum es sich handelte.

      Mit Verwunderung beobachtete sie den jungen Helden, dessen Augen noch das ganze Feuer der Tat zu sprühen schienen. Er seinerseits war ein wenig betroffen über die seltsame Schönheit des jungen zwölfjährigen Mädchens, das unter seinam Blick errötete.

      Eine Wegstunde vor Mailand sagte Fabrizzio, er wolle seinen Onkel besuchen, und verabschiedete sich von den Damen.

      »Wenn meine Sache günstig ausläuft,« sagte er zu Clelia, »so werde ich mir die schönen Gemälde in Parma ansehen, und vielleicht haben Sie dann die Gnade, sich meines Namens zu erinnern: Fabrizzio del Dongo.«

      »Ausgezeichnet!« sagte die Gräfin. »Du verstehst dein Inkognito zu wahren! Signorina, erinnern Sie sich gütigst, daß dieser Schlingel mein Sohn ist und Pietranera, nicht del Dongo heißt!«

      Abends, sehr spät, schlich sich Fabrizzio in Mailand durch die Porta Rense ein, die nach einer beliebten Promenade führt. Die Reise der beiden Diener nach der Schweiz hatte die sehr geringen Ersparnisse der Marchesa und ihrer Schwägerin erschöpft. Zum Glück besaß Fabrizzio noch ein paar Goldstücke und einen Diamanten, den man zu verkaufen beschloß.

      Die Damen waren in der ganzen Stadt beliebt und bekannt. Die angesehensten Persönlichkeiten von der österreichischen regierungstreuen Partei verwandten sich zugunsten Fabrizzios beim Baron Binder, dem Polizeidirektor. Sie sagten, sie begriffen nicht, wie man den Streich eines sechzehnjährigen Jungen ernst nehmen könne, der sich mit seinem älteren Bruder zankt und ausreißt.

      »Es ist mein Beruf, alles ernst zu nehmen«, antwortete mild der Baron Binder, ein kluger und griesgrämiger Mann. Er richtete damals die berüchtigte Mailänder Polizei ein und hatte sich verpflichtet, einer Revolution vorzubeugen wie der von 1746, die die Österreicher aus Genua verjagt hatte. Die Mailänder Polizei, die seitdem durch die Erlebnisse von Silvio Pellico und Andryane СКАЧАТЬ