Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Essays + Memoiren + Tagebücher. Стендаль
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Читать онлайн книгу Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Essays + Memoiren + Tagebücher - Стендаль страница 137

Название: Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Essays + Memoiren + Tagebücher

Автор: Стендаль

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788026824862

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СКАЧАТЬ und so weiter.«

      Zum ersten Male nach dreiunddreißig Tagen der Wut begriff Fabrizzio den ganzen Zusammenhang dessen, was ihm widerfahren war. Man hatte ihn für einen Spion gehalten. Er besprach seine Lage mit der Kerkermeisterin, die an diesem Morgen ganz besonders zärtlich war, und erzählte der erstaunten Frau am Ende, während sie ihm die Attila enger nähte, unverhohlen seine Geschichte. Im Augenblick glaubte sie daran; er sah so harmlos aus, und die Husarenattila stand ihm allerliebst!

      »Wenn du so darauf versessen bist, den Rummel mitzumachen,« sagte sie schließlich halb überzeugt, »so hättest du dich bei deiner Ankunft in Paris von einem Regiment anwerben lassen müssen. Irgendeinem Wachtmeister die Zeche bezahlt, und die Sache war im Lot!«

      Die Kerkermeisterin fügte eine Menge guter Ratschläge für die Zukunft hinzu und ließ Fabrizzio bei Morgengrauen endlich aus ihrem Hause; er hatte ihr noch hundertmal schwören müssen, nie ihren Namen zu nennen, was auch geschehen möge.

      Kaum war Fabrizzio aus dem Städtchen hinaus, den Husarensäbel unter dem Arm, munter ausschreitend, da kam ihm ein Bedenken. ›Da laufe ich nun‹, sagte er zu sich, ›im Rock und mit dem Soldbuch eines im Arrest verstorbenen Husaren; er war eingesperrt, weil er eine Kuh geraubt und ein silbernes Besteck gestohlen haben soll. Ich führe sozusagen sein Leben fort, und noch dazu unfreiwillig und ohne eine Ahnung zu haben, auf welche Weise. Nimm dich vor dem Kerker in acht! Das Vorzeichen ist deutlich: ich werde viel im Kerker zu leiden haben!‹

      Er war noch keine Stunde von seiner Wohltäterin fort, als es so stark zu regnen begann, daß der neubackene Husar kaum mehr weiter zu kommen vermochte in seinen Kommißstiefeln, die ihm nicht paßten. Da begegnete ihm ein Bauer auf einem elenden Klepper. Er kaufte ihn ihm ab, und zwar durch Zeichensprache. Die Kerkermeisterin hatte ihm eingeschärft, wegen seiner Aussprache möglichst wenig zu reden.

      An jenem Tage marschierte die Armee nach dem siegreichen Gefecht bei Ligny auf Brüssel. Es war am Tag vor der Schlacht von Waterloo. Gegen Mittag, während der Regen noch immer in Strömen fiel, vernahm Fabrizzio Kanonendonner. Dieses Glück ließ ihn mit einem Schlag die schrecklichen Augenblicke der Verzweiflung vergessen, die ihm die so unschuldig erlittene Haft bereitet hatte. Er ritt bis tief in die Nacht hinein, und da er anfing, etwas praktischen Sinn zu bekommen, quartierte er sich in einem weit abseits der Heerstraße gelegenen Bauernhause ein. Der Bauer heulte und behauptete, man hätte ihm alles genommen, Fabrizzio gab ihm einen Taler und fand Hafer. ›Mein Gaul ist nicht schön,‹ sagte er sich, ›aber trotzdem könnte er in irgendeinem Feldwebel einen Liebhaber finden.‹ Und er schlief im Stall neben dem Tier.

      Am anderen Morgen war Fabrizzio eine Stunde vor Tagesanbruch auf der Landstraße. Durch gütliches Zureden gelang es ihm, seinen Schinder in Zotteltrab zu bringen. Um fünf Uhr hörte er Kanonendonner: das Vorspiel von Waterloo.

      Drittes Kapitel

      Fabrizzio stieß bald auf Marketenderinnen, und die besondere Dankbarkeit, die er für die Kerkermeistersfrau von B. hegte, bestimmte ihn, sich an sie zu wenden. Er fragte eine von ihnen, wo das vierte Husarenregiment sei, zu dem er gehöre.

      »Du tätest gut, wenn du dich nicht so beeiltest, kleiner Soldat!« meinte die Marketenderin, von Fabrizzios Blässe und seinen schönen Augen gerührt. »Deine Faust scheint mir noch nicht kräftig genug für die Säbelhiebe, die es heute regnen wird. Wenn du wenigstens eine Flinte hättest, wollte ich nichts sagen. Deine Kugeln könntest du ebensogut abschießen wie jeder andere.«

      Dieser Rat mißfiel Fabrizzio, aber er mochte seinem Klepper die Sporen geben, soviel er wollte, er kam kein bißchen flotter vorwärts als der Karren der Marketenderin. Der Kanonendonner näherte sich offenbar, so daß sich die beiden bisweilen kaum verstehen konnten. Fabrizzio war nämlich vor Begeisterung und Freude dermaßen außer sich, daß er die Unterhaltung wieder angeknüpft hatte. Jedes Wort der Marketenderin ließ ihn sein Glück erst recht erfassen, verdoppelte es ihm. Außer seinem wahren Namen und seiner Flucht aus der Haft erzählte er der Frau, die so gutherzig schien, schließlich alles. Sie war höchst erstaunt, verstand aber nichts von dem, was ihr der hübsche junge Soldat da vorschwatzte.

      »Jetzt komme ich erst dahinter!« rief sie endlich triumphierend. »Du bist ein junger Zivilist, der in irgendeine Rittmeistersfrau von den vierten Husaren verliebt ist. Deine Angebetete hat dir den bunten Rock verschafft, und nun läufst du ihr nach. Ganz gewiß, so wahr der liebe Herrgott da droben wohnt, bist du nie und nimmer Soldat gewesen! Aber da euer Regiment heute ins Feuer kommt und du ein braver Kerl bist, so willst du dabei sein, um nicht als Drückeberger zu gelten.«

      Fabrizzio ging auf alles ein; das war das einzige Mittel, um sich ihren guten Rat zu sichern. ›Ich verstehe nichts vom Tun und Treiben dieser Franzosen,‹ sagte er sich, ›und wenn ich nicht jemanden zur Seite habe, gerate ich noch einmal ins Gefängnis, oder man nimmt mir wieder mein Pferd weg.‹

      »Vor allen Dingen, mein Junge,« sagte die Marketenderin, die immer mehr seine Freundin ward, »gestehe mir mal, daß du noch keine zwanzig alt bist; wenns hoch kommt, bist du siebzehn.«

      »Stimmt!« gab Fabrizzio gutmütig zu.

      »So, dann bist du noch nicht einmal Rekrut. Nur um der schönen Augen deiner Dame willen willst du dir die Knochen entzweihauen lassen. Beim Teufel, sie hat keinen üblen Geschmack! Solltest du von ihr noch ein paar Goldfüchse haben, so mußt du dir fürs erste einen anderen Gaul erstehen. Schau, wie deine alte Kracke die Ohren spitzt, wenn die Kanonen mal ein bißchen mehr brummen. Mit dem Ackergaul brichst du dir das Genick, sobald du in der Schwadron mitreitest. Schau, mein Junge, der weiße Rauch dort über der Hecke, das ist eine Schützenlinie! Mach dich also darauf gefaßt; du wirst mächtige Angst kriegen, pfeifen dir die Kugeln erst mal um die Ohren. Du tust gut, wenn du einen Bissen ißt, solange du dazu noch Zeit hast.«

      Fabrizzio befolgte ihren Rat; er gab der Marketenderin einen Napoleondor und bat sie, ihn als Bezahlung zu nehmen.

      »‘s ist zum Gotterbarmen,« rief die Frau aus, »so was mit anzusehen! Der arme Junge versteht nicht einmal, sein Geld auszugeben! Du verdientest wahrhaftig, daß ich deinen Napoleon einsteckte und meine Kokotte tüchtig antraben ließe. Hol mich der Teufel, wenn du mit deiner Kracke nachkämst! Was willst du machen, du Kindskopf, wenn ich dir auskratze ? Merk dir ein für allemal: Sobald der Tanz losgeht, wird nie Gold herausgebracht! Hier nimm: achtzehn Franken, fünfzig Centimes. Dein Frühstück kostet dreißig Sous. Nun wirds auch bald Gäule zu kaufen geben. Ist das Biest klein, so gibst du dafür zehn Franken, in keinem Falle mehr als zwanzig, und wärs das Roß der vier Haimonskinder!«

      Als das Frühstück zu Ende war, predigte die Marketenderin immer weiter, bis sie durch eine andere Marketenderin unterbrochen wurde, die querfeldein gefahren kam und die Straße kreuzte.

      »Holla he!« rief ihr das Weib zu. »Margot, dein sechstes Leichtes ist da rechts!«

      »Ich muß dich verlassen, Kleiner,« sagte die Marketenderin zu unserem Helden, »aber wahrhaftig, du tust mir leid. Ich bin dir gut. Sapperlot, du weißt weder gicks noch gacks! Du wirst dich erwischen lassen. Bei Gott, ja! Komm mit mir zum sechsten Leichten!«

      »Ich weiß wohl, daß ich nichts weiß,« antwortete ihr Fabrizzio, »aber ich will kämpfen und bin entschlossen, zu den weißen Rauchwölkchen dort zu reiten.«

      »Schau, wie dein Gaul die Ohren steift! Wenn du dahin reitest, brummt er dir, so faul er sonst ist, auf die Hand und geht durch, – weiß der Teufel, wohin. Glaube mir das! Wenn du in der Schützenlinie bist, suche dir ein Gewehr und eine Patronentasche, menge dich unter die andern und mach ihnen alles nach. Aber, mein Gott, ich wette, du kannst nicht mal eine Patrone abbeißen!«

      Obgleich höchst verschnupft, gestand Fabrizzio seiner neuen Freundin dennoch ein, daß sie richtig СКАЧАТЬ