Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Essays + Memoiren + Tagebücher. Стендаль
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Читать онлайн книгу Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Essays + Memoiren + Tagebücher - Стендаль страница 136

Название: Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Essays + Memoiren + Tagebücher

Автор: Стендаль

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788026824862

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СКАЧАТЬ werdet mich, ohne daß ihr es wollt, verraten!« sagte er zu seinen Schwestern. »Da ich so viel Schätze besitze, ist es unnötig, Sachen einzupacken. Ich bekomme überall das Nötige.« Damit umarmte er diese Menschen, die ihm so lieb und wert waren, und reiste unverzüglich ab, ohne sein Zimmer noch einmal zu betreten. Er ging, so schnell er konnte, immer in Furcht, er werde von Berittenen verfolgt. So kam er noch am nämlichen Abend in Lugano an. Nun war er, Gott sei Dank, in einer Schweizer Stadt und nicht mehr auf der einsamen Landstraße und in Angst, in die Gewalt von Gendarmen zu geraten, die im Sold seines Vaters standen. Von dort aus schrieb er an ihn einen schönen Brief – eine kindliche Schwäche –, der den Zorn des Marchese nur schürte.

      Fabrizzio mietete sich ein Pferd und ritt über den Sankt Gotthard. Seine Reise ging rasch vonstatten. In Pontarlier betrat er französischen Boden. Der Kaiser war bereits in Paris. Dort begannen Fabrizzios Leiden. Er war mit dem festen Vorsatz von Hause weggegangen, den Kaiser zu sprechen, aber es war ihm nie eingefallen, daß dies seine Schwierigkeiten hatte. In Mailand hatte er den Fürsten Eugen zehnmal am Tage gesehen und hätte ihn oft ansprechen können. In Paris ging er jeden Vormittag in den Tuilerieenhof, wenn Napoleon Truppenschau abhielt, aber niemals konnte er an den Kaiser herankommen.

      Unser Held wähnte, alle Franzosen müßten von der Riesengefahr, in der ihr Vaterland schwebte, so tief ergriffen sein wie er. An der Tafel des Gasthofes, wo er abgestiegen war, machte er durchaus kein Hehl aus seinen Plänen und seiner Verehrung. Er lernte ein paar freundliche, liebenswürdige junge Leute kennen, die noch viel begeisterter waren als er und die ihm nach wenigen Tagen sein Geld stahlen. Glücklicherweise hatte er aus reiner Bescheidenheit nichts von den Diamanten erwähnt, die ihm seine Mutter mitgegeben. Am Morgen nach einem Gelage, als er sich völlig ausgeplündert fand, kaufte er sich zwei schöne Pferde, übernahm den Reitknecht des Pferdehändlers, einen ausgedienten Soldaten, als Diener und machte sich, voller Verachtung gegen die prahlerischen jungen Pariser, auf den Weg zur Armee. Von dieser wußte er weiter nichts, als daß sie sich in der Gegend von Maubeuge sammele. Kaum an der Grenze angekommen, fand er es lächerlich, sich in einem Wirtshause gütlich zu tun und sich am gemütlichen Kaminfeuer zu wärmen, während die Soldaten draußen biwakierten. Trotz allen Einwänden seines Reitknechtes, eines Burschen mit recht gesundem Menschenverstand, eilte er törichterweise hinaus zu den Biwaks im Grenzzipfel an der Straße nach Belgien. Als er sich dem ersten längs der Straße gelagerten Bataillon näherte, sahen die Soldaten den jungen Zivilisten, dessen Tracht durchaus nichts Soldatisches verriet, schon mit etwas scheelen Blicken an. Die Nacht brach herein, kalter Wind blies. Fabrizzio trat zu einem Wachtfeuer und bat um Gastfreundschaft für Geld. Die Soldaten blickten sich an. Besonders das Angebot machte sie stutzig; doch räumten sie ihm gutmütig einen Platz am Feuer ein. Sein Reitknecht baute ihm ein Schutzdach. Aber nach einer Stunde kam der Stabsfeldwebel in das Biwak geritten. Die Soldaten machten ihm Meldung von dem Fremdling mit dem kauderwelschen Französisch. Der Feldwebel nahm Fabrizzio vor; und da dieser ihm seine Begeisterung für den Kaiser in arg verdächtigem Überschwang bekannte, ersuchte ihn der Unteroffizier, ihn zum Obersten zu begleiten, der sich in einer nahe gelegenen Scheune untergebracht hatte. Da näherte sich der Reitknecht mit den beiden Gäulen, die dem Feldwebel so gewaltig in die Augen stachen, daß er sich bewogen fühlte, auch den Diener ins Gebet zu nehmen. Dieser, als alter Soldat, durchschaute gleich den Kriegsplan seines Verhörers, redete von Protektionen, die sein junger Herr hätte, und fügte zuversichtlich hinzu, seine schönen Pferde werde man ihm nicht klauen. Sofort winkte der Feldwebel einen Soldaten herbei, der den Reitknecht beim Kragen faßte; ein anderer Soldat bekam die Pferde in Obhut, und Fabrizzio erhielt den barschen Befehl, ihm ohne Widerrede zu folgen.

      Nachdem der Feldwebel Fabrizzio eine gute Wegstunde lang hatte laufen lassen, in einer Dunkelheit, die der Schimmer der Lagerfeuer ringsumher noch tiefer erscheinen ließ, übergab er ihn einem Gendarmerieoffizier, der ihn mit ernster Miene nach seinem Ausweis fragte. Fabrizzio zeigte seinen Paß vor, der ihn als einen mit seiner Ware hausierenden Barometerhändler auswies.

      »Sind diese Kerle dumm!« brummte der Offizier. »Das ist denn doch zu stark!«

      Er legte unserem Helden mehrere Fragen vor, die dieser mit den lebhaftesten Ausdrücken der Begeisterung für Kaiser und Freiheit erwiderte, worauf der Gendarmerieoffizier mit einem Male in ein unbändiges Gelächter ausbrach.

      »Sapperment! Gar zu schlau bist du nicht, mein Jungel« rief er aus. »Das ist doch starker Tobak, daß man uns Grünschnäbel deiner Art herzuschicken wagt!« Und was auch Fabrizzio sagen mochte: seine redseligen Beteuerungen, er sei gar kein Barometerhändler, waren vergebens. Der Offizier ließ ihn ohne weiteres in das Gefängnis des nächsten kleinen Städtchens B. abführen, wo unser Held gegen drei Uhr früh, todmüde und außer sich vor Wut, anlangte.

      Fabrizzio verbrachte, anfangs überrascht, dann zornig, ohne die geringste Ahnung, was man wohl mit ihm vorhabe, dreiunddreißig langweilige Tage in diesem abscheulichen Gewahrsam. Er schrieb Brief über Brief an den Ortskommandanten, und die Frau des Kerkermeisters, eine hübsche Flamin von sechsunddreißig Jahren, erbot sich, die Briefe zu besorgen. Aber da sie nicht wollte, daß ein so netter Junge erschossen werde, und er überdies gut zahlte, so warf sie alle diese Briefe ohne weiteres ins Feuer. Allabendlich, sehr spät, geruhte sie ihn zu besuchen und die Jeremiaden des Gefangenen anzuhören.

      Sie hatte ihrem Mann gesagt, daß der Grünschnabel Geld habe, worauf der verständige Kerkermeister ihr freie Hand ließ. Sie machte von dieser Erlaubnis Gebrauch und ließ sich etliche Napoleondors geben, denn der Feldwebel hatte ihm nur die Pferde und der Gendarmerieoffizier überhaupt nichts weggenommen.

      Eines Nachmittags im Monat Juni hörte Fabrizzio in beträchtlicher Ferne starken Kanonendonner. Man schlug sich also endlich! Sein Herz schwoll vor Ungeduld. Auch vernahm er viel Lärm in der Stadt. In der Tat ging es sehr lebhaft zu. Drei Divisionen marschierten durch B. Als die Kerkermeisterin um elf Uhr abends, wie gewöhnlich, kam, um Fabrizzios Kummer zu teilen, war er noch artiger als sonst; schließlich faßte er ihre Hände und sagte: »Laß mich fort von hier! Ich schwöre dir bei meiner Ehre, sobald die Schießerei da draußen zu Ende ist, stelle ich mich wieder im Gefängnis ein!«

      »Papperlapapp! Hast du Moos?«

      Fabrizzio war verdutzt, er verstand das Wort Moos nicht. Die Kerkermeisterin schloß aus seiner Verlegenheit, daß in seinem Beutel Ebbe eingetreten sei, und statt von Goldstücken zu reden, wie es eigentlich ihre Absicht gewesen war, begnügte sie sich, von Franken zu sprechen.

      »Höre mal,« sagte sie zu ihm, »wenn du mir hundert Franken geben kannst, will ich dem Korporal, der nachts die Runde macht, einen Goldfuchs auf jedes Auge drücken. Er sieht dann nicht, daß du weg bist, und wenn sein Regiment im Laufe des Tages ausrückt, muß er die Sache auf sich beruhen lassen.«

      Der Handel war bald geschlossen, die Frau sogar bereit, Fabrizzio die Nacht über in ihrer Stube zu verbergen, von wo er am anderen Morgen leichter entwischen könne.

      Vor Tagesanbruch sprach sie ganz gerührt zu ihm: »Du liebes Kerlchen; du bist noch viel zu jung für so ein garstiges Handwerk. Glaube mirs! Geh gar nicht wieder dazu!«

      »Aber wieso?« entgegnete Fabrizzio. »Ist es denn ein Verbrechen, das Vaterland zu verteidigen?« »Schon gut, schon gut! Vergiß nur nie, daß ich dir das Leben gerettet habe! Dein Fall war klar. Du wärst erschossen worden. Aber sage niemandem etwas davon; du brächtest meinen Mann und mich um unsere Stellung. Vor allen Dingen hänge ja keinem Menschen wieder dein dummes Märchen auf vom Mailänder Edelmann, der sich als Barometerhändler verkleidet hat. Das ist zu albern. Hörst du? Ich werde dir die Uniform eines Husaren geben, der vorgestern im Arrest gestorben ist. Tu den Mund so wenig wie möglich auf! Sollte dich aber schließlich ein Wachtmeister oder ein Offizier anhalten und Rede und Antwort verlangen, so meldest du ihm, du habest krank bei einem Bauern gelegen, der habe dich vom Fieber befallen aus einem Straßengraben aufgelesen und aus Mitleid mit in sein Haus genommen. Wenn man mit dieser Antwort nicht zufrieden sein sollte, so sage noch, du seiest auf der СКАЧАТЬ