Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Essays + Memoiren + Tagebücher. Стендаль
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Читать онлайн книгу Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Essays + Memoiren + Tagebücher - Стендаль страница 133

Название: Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Essays + Memoiren + Tagebücher

Автор: Стендаль

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788026824862

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СКАЧАТЬ von der Erinnerung daran. Um diesem großen Ereignis noch mehr Bedeutung zu geben, händigte der Marchese seinem Sohn jedesmal vier Taler ein, während er seiner Gattin, die Fabrizzio begleitete, nichts zu geben pflegte. Dafür reisten am Tage vor der Abreise ein Koch, sechs Bediente und ein Wagen mit zwei Pferden nach Como ab, und die Marchesa hatte in Mailand eine Kutsche und eine Tafel mit zwölf Gedecken zur Verfügung.

      Eine grollende Lebensweise, wie sie der Marchese del Dongo führte, war sicherlich sehr wenig unterhaltsam, aber sie hatte den Vorteil, daß sie den Reichtum der Familien, die sich darein verloren, ungeheuer aufschwellte. Der Marchese, der mehr als zweihunderttausend Lire Jahreseinkommen hatte, verbrauchte davon nicht ein Viertel. Er lebte von der Hoffnung. Während der dreizehn Jahre von 1800 bis 1813 glaubte er immer felsenfest, daß Napoleon binnen einem halben Jahre gestürzt wäre. Man kann sich sein Entzücken vorstellen, als er zu Beginn des Jahres 1813 das Unglück an der Beresina erfuhr. Die Einnahme von Paris und der Sturz Napoleons hätten ihn beinahe um den Verstand gebracht. Nun erlaubte er sich die kränkendsten Äußerungen gegen seine Frau und seine Schwester. Endlich, nach vierzehn Jahren des Harrens, hatte er die unsägliche Freude, die österreichischen Truppen wieder in Mailand einrücken zu sehen. Auf Anweisung von Wien empfing der österreichische General den Marchese del Dongo mit einer Hochachtung, die an Ehrfurcht grenzte. Man trug ihm alsbald eine der höchsten Stellen der Landesverwaltung an, die er wie die Rückzahlung einer Schuld hinnahm. Sein ältester Sohn erhielt eine Leutnantsstelle in einem der besten Regimenter der Monarchie, der jüngere jedoch wollte die ihm angebotene Würde eines Kadetten nie und nimmer annehmen. Dieser Triumph, den der Marchese mit seltener Unverschämtheit auskostete, dauerte aber nur wenige Monate und hatte ein demütigendes Nachspiel. Geschäftliche Begabung besaß er nicht, und die vierzehn Jahre, die er auf seinem Landschloß im Verkehr mit seinen Dienern, seinem Notar und seinem Hausarzt verbrachte, hatten ihn im Verein mit den Grillen des herannahenden Alters zu einem gänzlich unfähigen Menschen gemacht. Nun ist es in österreichischen Landen ein Unding, sich auf einem wichtigen Posten zu halten, ohne die gewisse Befähigung zu besitzen, die die langsame und umständliche, aber sehr vernünftige Verwaltungsweise dieser alten Monarchie erheischt. Die Mißgriffe des Marchese del Dongo stießen die Beamten vor den Kopf und hemmten den Gang der Geschäfte. Seine ultramonarchischen Redensarten reizten die Bevölkerung, die man in sorglosen Schlummer einlullen wollte. Eines schönen Tages erfuhr er, daß Seine Majestät Allergnädigst geruht hatte, sein Gesuch um die Entlassung aus Allerhöchsten Diensten unter gleichzeitiger Ernennung zum Vize-Oberhofmarschall des lombardisch-venezianischen Königreiches huldvollst entgegenzunehmen. Der Marchese war empört über die maßlose Ungerechtigkeit, deren Opfer er geworden. Er ließ einen Brief an einen Freund veröffentlichen, er, der die Pressefreiheit so sehr verabscheute. Schließlich schrieb er an den Kaiser, seine Minister seien Verräter und nichts weiter als Jakobiner. Darauf zog er sich wieder traurig auf sein Schloß Grianta zurück. Er fand einen Trost. Nach Napoleons Sturz ließen gewisse einflußreiche Persönlichkeiten den Grafen Prina, den ehemaligen Minister des Königs von Italien, einen im höchsten Grade verdienstvollen Mann, in Mailand auf offener Straße ermorden. Der Graf Pietranera setzte sein Leben aufs Spiel, um das des Ministers zu retten, der mit Regenschirmen erschlagen wurde und dessen Todesqualen fünf Stunden lang dauerten. Ein Priester, Beichtvater des Marchese del Dongo, hätte Prina retten können, wenn er ihm das Gitter der Kirche San Giovanni geöffnet hätte, vor die man den unglücklichen Minister schleppte, nachdem man ihn sogar eine Weile im Rinnstein mitten auf der Straße hatte liegen lassen. Aber er weigerte sich höhnisch, sein Gittertor aufzuschließen, und ein halbes Jahr später gelang es dem Marchese glücklich, ihm eine höhere Stellung zu verschaffen.

      Er verabscheute seinen Schwager, den Grafen Pietranera, der mit einem Jahreseinkommen von nicht fünfzig Louisdor leidlich zufrieden zu sein wagte und es sich einfallen ließ, dem, was er lebenslang geliebt hatte, die Treue zu wahren, ja die Unverschämtheit besaß, sich offen als Anhänger des gleichen Rechts für alle zu bekennen, was der Marchese schändliches Jakobinertum nannte. Der Graf hatte sich geweigert, in österreichische Dienste zu treten. Man beutete diesen Trotz aus, und ein paar Monate nach der Ermordung Prinas setzten die nämlichen Persönlichkeiten, die Prinas Mörder gedungen hatten, die Verhaftung des Generals Pietranera durch. Darauf ließ sich die Gräfin, seine Gemahlin, einen Paß ausfertigen und bestellte Postpferde, um nach Wien zu fahren und dem Kaiser die Wahrheit zu sagen. Die Mörder Prinas bekamen es mit der Angst zu tun, und einer von ihnen, ein Vetter der Gräfin Pietranera, überbrachte ihr mitternachts, eine Stunde vor ihrer Abfahrt nach Wien, die Order zur Freilassung ihres Mannes. Anderntags ließ der österreichische General den Grafen Pietranera zu sich bitten, empfing ihn mit größter Achtung und versicherte ihm, seine Pensionsangelegenheit werde binnen kurzem auf das beste geregelt. Der brave General Bubna, ein Mann von Geist und Herz, war wegen Prinas Ermordung und der Verhaftung des Grafen sichtlich in starker Verlegenheit.

      Nachdem diese Gefahr durch die Entschlossenheit der Gräfin abgewendet war, lebte das Ehepaar schlecht und recht von dem Ruhegehalt, das dank der Fürsprache des Generals Bubna nicht auf sich warten ließ.

      Zum Glück traf es sich nach fünf oder sechs Jahren, daß die Gräfin eine große Freundschaft zu einem sehr reichen jungen Manne faßte, der auch Busenfreund des Grafen war und es sich nicht nehmen ließ, ihnen das schönste englische Vollblutgespann, das es damals in Mailand gab, seine Loge in der Scala und sein Landschloß zur Verfügung zu stellen. Aber der Graf ließ sich im Vollgefühl seiner Tapferkeit und seiner edlen Gesinnung, leicht hinreißen und führte dann gern absonderliche Reden. Als er eines Tages mit jungen Leuten auf der Jagd war, begann einer von ihnen, der unter anderen Fahnen als er gedient hatte, Witze über die Tapferkeit der Soldaten der Zisalpinischen Republik zu machen. Der Graf gab ihm eine Ohrfeige. Es kam sofort zu einem Zweikampf, und da der Graf unter allen diesen jungen Menschen keinen auf seiner Seite hatte, so fiel er. Man munkelte allerlei über diese Art von Zweikampf, und die Beteiligten entschlossen sich zur Abreise nach der Schweiz.

      Jener lächerliche Mut, den man Gottergebenheit nennt, der Mut eines Toren, der sich hängen läßt, ohne ein Wort zu sagen, war nicht Sache der Gräfin. Wütend über ihres Gatten Tod, hätte sie es am liebsten gesehen, wenn Limercati, jener reiche junge Mann, ihr Vertrauter, gleichfalls auf den Einfall geraten wäre, nach der Schweiz zu fahren und den Mörder des Grafen Pietranera zu erschießen oder wenigstens zu ohrfeigen.

      Limercati fand dieses Ansinnen reichlich lachhaft, und die Gräfin bemerkte, daß ihre Verachtung ihre Liebe ertötet hatte. Sie verdoppelte ihre Aufmerksamkeiten gegen Limercati. Sie wollte seine Leidenschaft schüren, ihn dann sitzen lassen und der Verzweiflung preisgeben. Um diesen Racheplan einem Franzosen verständlich zu machen, muß ich sagen, daß man in Mailand, das freilich sehr fern von Paris liegt, aus Liebe noch in Verzweiflung gerät. Die Gräfin, die in ihren Trauerkleidern alle Nebenbuhlerinnen bei weitem hinter sich ließ, tat schön mit den jungen Herren, die auf der Straße schlenderten, und einer von ihnen, der Graf Nani, der schon immer gesagt hatte, er fände Limercati zu schwerfällig, zu steif für eine so begabte Frau, verliebte sich toll in die Gräfin. Sie schrieb an Limercati:

      ›Wollen Sie sich einmal als geistreicher Mann betätigen? Bilden Sie sich ein, Sie hätten mich nie gekannt!

      Ich bin, vielleicht nicht ohne Mißachtung, Ihre untertänigste Gina Pietranera.‹

      Als Limercati dieses Briefchen gelesen, reiste er nach einem seiner Schlösser ab. Seine Liebe wuchs ins Grenzenlose; er wurde toll und sprach von Selbstmord, etwas Ungebräuchlichem in einem Lande, wo man an den Teufel glaubt. Gleich am ersten Morgen schrieb er der Gräfin und bot ihr die Ehe und seine Zweihunderttausend Lire Rente an. Sie schickte ihm seinen Brief unerbrochen durch den Reitknecht des Grafen Nani zurück. Darauf verbrachte Limercati drei Jahre auf seinen Gütern. Alle acht Wochen kehrte er nach Mailand zurück, hatte aber nie den Mut, dort zu bleiben, und langweilte seine Freunde mit seiner leidenschaftlichen Liebe zur Gräfin und mit umständlicher Aufzählung aller einst bei ihr genossenen Gunstbezeigungen. Anfangs pflegte er hinzuzufügen, daß sie sich mit dem Grafen zugrunde richte und daß dieses Verhältnis sie entehre.

      In der Tat empfand die Gräfin für den Grafen Nani keinerlei Liebe, und das СКАЧАТЬ