Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Essays + Memoiren + Tagebücher. Стендаль
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Читать онлайн книгу Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Essays + Memoiren + Tagebücher - Стендаль страница 139

Название: Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Essays + Memoiren + Tagebücher

Автор: Стендаль

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788026824862

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СКАЧАТЬ hast deine zwanzig Franken!« sagte Fabrizzio, wenig erbaut, ein Pferd zwischen den Schenkeln zu haben, das bockte.

      Da schlug eine Kanonenkugel schräg in die Weidenreihe ein, und Fabrizzio sah das sonderbare Schauspiel, wie ganze Weidenäste rechts und links wie abgemäht wegflogen.

      »Schau, schau! Der Tanz kommt näher!« meinte der Soldat, seine zwanzig Franken einsteckend. Es mochte zwei Uhr sein.

      Fabrizzio hatte sich von seiner Verwunderung über das sonderbare Schauspiel noch nicht erholt, als ein Stab von Generalen und hinterdrein vielleicht zwanzig Husaren schräg über das Wiesenstück vor ihnen galoppiert kamen. Fabrizzios Pferd wieherte, stieg zwei-oder dreimal hintereinander und schlug mehrmals heftig mit dem Kopfe, als wolle es sich vom Zügel losmachen.

      »Na, denn los!« frohlockte Fabrizzio.

      Als sich das Tier frei fühlte, ging es in Karriere los und schloß sich den Reitern hinter den Generalen an. Fabrizzio zählte vier goldbetreßte Hüte. Nach einer Viertelstunde wußte er aus dem Gespräch, das eine der Ordonnanzen mit ihrem Nebenmann führte, daß einer der Generale der berühmte Marschall Ney war. Fabrizzio war überglücklich; nur wußte er nicht, welcher von den vier Generalen der Marschall Ney war. Er hätte alles in der Welt darum gegeben, es zu erfahren, aber es fiel ihm wieder ein, daß er nicht sprechen durfte.

      Der Stab wurde durch einen breiten Graben aufgehalten, der infolge des gestrigen Regengusses unter Wasser stand. Er war umsäumt von hohen Bäumen und begrenzte das Wiesenland, an dessen anderem Ende Fabrizzio das Pferd gekauft hatte. Die Husaren waren fast alle abgesessen. Die Grabenböschung war steil und sehr schlüpfrig, und der Wasserspiegel lag drei oder vier Fuß tiefer als der Wiesenplan. Fabrizzio dachte in seiner Freude und Zerstreutheit mehr an den Marschall Ney und an Heldentum als an seinen Gaul, der, übermütig, wie er war, in den Graben hineinsprang, so daß das Wasser hoch aufspritzte. Einer der Generale wurde über und über bespritzt und rief fluchend: »Der Teufel hole das verdammte Biest!«

      Fabrizzio fühlte sich durch dieses Schimpfwort gekränkt. ›Kann ich mir Genugtuung verschaffen?‹ fragte er sich. Um jedoch zu zeigen, daß er nicht ungeschickt sei, versuchte er mit seinem Pferd, den jenseitigen Grabenrand hinaufzuklettern; aber der war steil und fünf bis sechs Fuß hoch. Fabrizzio mußte es aufgeben und ritt nun flußauf. Sein Pferd sank bis zum Kopf ins Wasser. Endlich fand er eine Art Tränke, wo die Grabenböschung sanft anstieg. Dort gewann er leicht das jenseitige Feld und war der erste des Stabes, der drüben auftauchte. Stolz trabte er am Rand entlang. Die Husaren mühten sich in arger Bedrängnis ab; an vielen Stellen war der Wassergraben fünf Fuß tief. Zwei oder drei Pferde wurden ängstlich und wollten schwimmen, wodurch ein gräßliches Geplätscher entstand. Ein Wachtmeister hatte das Manöver des Grünschnabels, der so wenig militärisch aussah, beobachtet.

      »Weiter hinauf! Links ist eine Schwemme!« rief er. Nach und nach kamen alle hinüber.

      Als Fabrizzio am anderen Ufer anlangte, fand er drüben nur die Generale. Der Kanonendonner war noch stärker geworden. So hörte er kaum, daß der General, den er so bespritzt hatte, ihn anherrschte: »Woher hast du das Pferd?«

      Fabrizzio war dermaßen verwirrt, daß er auf italienisch antwortete: »L’ho comprato poco fa!« (Das habe ich soeben gekauft!)

      »Was sagst du?« schrie der General.

      Aber der Schlachtenlärm ward jetzt so heftig, daß Fabrizzio ihm nicht antworten konnte. Wir gestehen, daß unser Held in diesem Augenblick sehr wenig Held war. Jedoch kam die Angst bei ihm erst in zweiter Linie; er war vor allem betäubt von dem Getöse, das seinem Ohr weh tat.

      Der ganze Stab galoppierte wieder an. Man durchquerte ein weites Ackerfeld, das sich längs des Wassergrabens hindehnte. Dieses Feld war mit Toten besät.

      »Rotröcke! Rotröcke!« jubelten die Husaren des Stabes laut auf. Zunächst verstand Fabrizzio sie nicht; endlich bemerkte er,daß tatsächlich fast alle Gefallenen rote Röcke anhatten. Eine Beobachtung flößte ihm tiefen Schauder ein. Er sah, daß viele dieser unglücklichen Rotröcke noch lebten; sie jammerten ersichtlich um Hilfe, aber kein Mensch machte Halt, um sie ihnen zu gewähren. Unser Held, ein großer Menschenfreund, gab sich alle Mühe, keinen Rotrock zu überreiten. Der Stab brachte die Pferde zum Stehen. Fabrizzio, der nicht recht auf seine Soldatenpflichten acht gab, galoppierte weiter, die Augen immer auf die unglücklichen Verwundeten gerichtet.

      »Willst du gleich halten, du Grünschnabel!« brüllte ihm der Wachtmeister nach. Fabrizzio merkte, daß er zwanzig Schritt über die Generale hinausgeprellt war, gerade in der Richtung, in der sie die Ferngläser hielten. Er ritt zurück und stellte sich zu den letzten Husaren, die ein paar Schritte rückwärts hielten. Er sah, wie der dickste der Generale mit seinem Nachbar, gleichfalls einem General, mit gebieterischer Miene, fast vorwurfsvoll, sprach; er fluchte sogar. Fabrizzio konnte seine Neugier nicht bändigen, und ungeachtet des guten Rates seiner Freundin, der Kerkermeisterin, kein Wort zu reden, legte er sich einen kleinen, leidlich richtigen französischen Satz zurecht und fragte seinen Nachbar: »Wer ist der General, der den anderen so anschnauzt?«

      »Na, der Marschall!«

      »Welcher Marschall?«

      »Der Marschall Ney, du Schafskopf! Wo hast du denn bis jetzt gestanden?«

      Fabrizzio, sonst so empfindlich, dachte gar nicht daran, sich über die Beleidigung zu ärgern. In kindlicher Bewunderung starrte er den berühmten Fürsten von der Moskwa an, den Tapfersten der Tapferen.

      Plötzlich ritt alles wieder in starkem Galopp an. Ein paar Augenblicke später bemerkte Fabrizzio zwanzig Schritt vor sich auf einem umgeackerten Stück Feld eine eigentümliche Erscheinung. Der Grund der Ackerfurchen stand voll Wasser, und von der sehr feuchten Erde, die den Kamm der Furchen bildete, spritzten kleine schwarze Stückchen drei bis vier Schritt hoch, Fabrizzio beobachtete diesen sonderbaren Vorgang im Vorbeireiten, dann verloren sich seine Gedanken wieder in Träumereien über den Heldenruhm des Marschalls. Da vernahm er einen gellenden Schrei neben sich. Er kam von zwei Husaren, die, von Geschossen getroffen, stürzten, und als er sich nach ihnen umsah, lagen sie schon zwanzig Schritt hinter den Reitern. Etwas machte ihm einen grausigen Eindruck: Ein blutüberströmtes Pferd wälzte sich auf dem Acker und verwickelte sich mit den Beinen in seine eigenen Gedärme; es wollte den anderen nach. Das Blut rann in den Kot.

      ›Ah! Jetzt bin ich doch endlich im Feuer!‹ sagte sich Fabrizzio. ›Ich habe meine Feuertaufe erhalten!‹ wiederholte er mit Befriedigung. ›Nun bin ich ein wirklicher Soldat!‹

      Nun jagte der Stab in voller Fahrt dahin. Unser Held begriff, daß es Gewehrkugeln waren, unter denen ringsum das Erdreich aufspritzte. Umsonst spähte er nach der Seite, von der die Geschosse kamen; er sah nur den weißen Rauch einer Batterie in riesiger Entfernung; aber mitten in dem gleichförmigen und ununterbrochenen Rollen des Geschützfeuers kam es ihm vor, als werde auch viel näher geschossen. Er begriff nichts von alledem.

      In diesem Augenblick ritten die Generale und der ganze Stab in einen kleinen Hohlweg voll Wasser hinab, der fünf Fuß unter der Ebene lag. Der Marschall machte Halt und beobachtete wiederum mit seinem Fernglas. Diesmal konnte ihn Fabrizzio nach Herzenslust betrachten. Er kam ihm überaus blond vor, mit seinem dicken, roten Kopf. ›Solche Gesichter haben wir in Italien überhaupt nicht‹, sagte er zu sich selbst. ›Ich mit meinem kastanienbraunen Haar und meiner blassen Farbe, ich kann niemals so werden wie der da‹, fügte er traurig hinzu. Damit meinte er im Grunde: ›Nie werde ich ein Held!‹ Er sah die Husaren an; mit Ausnahme eines einzigen hatten sie alle blonde Schnurrbärte. Wie Fabrizzio die Husaren musterte, so musterten sie ihn alle wieder. Als er so angesehen wurde, errötete er, und um seiner Verlegenheit ein Ende zu machen, wandte er den Blick nach dem Feind. Da sah er lange, lange Linien von Rotröcken, aber, was ihm unsagbar erstaunlich vorkam, die roten СКАЧАТЬ