Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer. Ludwig Ganghofer
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Название: Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer

Автор: Ludwig Ganghofer

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075837219

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СКАЧАТЬ Klang seiner Stimme war ernst geworden. Die seltsame Inschrift ließ ihn vermuten, daß hinter dem Scherz dieser Farben sich ein tiefes Weg verbarg. Und als er aufblickte, sah er, daß die Augen des Mädchens in Tränen schwammen.

      »Fräulein?«

      Sie wandte sich schweigend ab. Seine Frage schien in ihrer Seele ein Heiliges berührt zu haben, das sie dem Fremden nicht preisgeben wollte. Und als möchte sie auch ihre Bewegung vor ihm verbergen, nahm sie die Schatulle vom Tisch, um sie in die Hütte zu tragen.

      Ettingen vertrat ihr den Weg. »Nein, Fräulein, so dürfen Sie nicht gehen. Mag ich für Sie auch ein Fremder sein, an den Sie schon morgen nicht mehr denken – aber ich habe hier eine so schöne Stunde verlebt, daß ich es mir nie verzeihen könnte, wenn ich Ihnen Ursache zu einer Verstimmung gegeben hätte. Ich fühl es, daß ich Sie durch meine Neugier und durch mein Lachen verletzt habe. Aber ich wußte nicht, daß ich es tat. Seien Sie mir nicht böse!«

      Da reichte sie ihm die Hand. »Ich bin Ihnen nicht böse. Dazu hätte ich kein Recht. Sie konnten nicht wissen, daß Ihr Lachen mir weh tat. Das Bildchen muß doch auch so heiter auf jeden wirken, der nicht weiß, was es bedeutet. Ehe mein Vater das lustige Ding da malen konnte, mußte er alle Enttäuschungen seines Lebens überwinden. Als er das Bildchen an den Baum hängte, das bedeutete für ihn, daß er jede Hoffnung begrub, für sein Talent die Anerkennung der Welt zu gewinnen. Deshalb dürfen Sie nicht glauben, daß ihm der Mut oder die rechte Kraft gefehlt hätte.«

      »Nein, liebes Fräulein! Was ich hier sehe und was ich von Ihnen hörte, läßt mich vom Wesen Ihres Vaters manchen Zug erraten. Er muß als Mensch und Künstler gesucht haben, was abseits von der Landstraße und ihren ausgefahrenen Geleisen liegt. Alles Ungewöhnliche begegnet leicht dem Mißverstand. Und ich kann mir denken, daß eine fein besaitete stolze Künstlernatur auf die Dauer des Kampfes müde wird und der Welt verbittert den Rücken wendet.«

      Sie nickte. »Das war es! Sein Stolz war zu tief verwundet. Kunst, das war für ihn nur das Große, Reine und Schöne. Auch das Wahre. Aber er hatte Augen, denen die Dinge anders erschienen, als sie sonst den Menschen erscheinen. Da malte er nun alles, wie er es sah, nicht so, wie es die Leute sehen wollten. Das verstanden sie nicht –« es zuckte wie Schmerz um ihren Mund, »und lachten über ihn. Das konnte er nicht ertragen, dieses Lachen immer! Das hat seinen Mut gebrochen. Nur den Mut des Künstlers. Als Mensch ist er ein fester und ganzer Mann gewesen. Das hat er bewiesen, als er starb.«

      »Sie haben Ihren Vater verloren?«

      »Verloren?« Sie schüttelte den Kopf. »Nein! Was man tief in seinem Herzen besitzt, was mit uns verbunden ist in jedem Gedanken und Gefühl, das kann man nicht verlieren. Er starb. Das ist nur ein Wort, das den Überlebenden weh tut. Mehr ist es nicht.«

      Vom nahen Latschenfeld ließ sich das Klirren eines Bergstockes und der Hall schwerer Tritte hören.

      Sie blickte auf, wie erwachend. »Ich muß gehen. Dort unten wartet meine Arbeit.«

      Er meinte ihr nachzufühlen, weshalb sie diesen raschen Abschied nahm. Sie sah den Jäger kommen und wollte jetzt nach allem, was sie gesprochen hatte, nicht von alltäglichen Dingen reden oder das lustige Geschwatz des Jägers anhören. Deshalb machte er keinen Versuch, zurück zurückzuhalten.

      Da reichte sie ihm plötzlich die Hand, sah mit feuchten Augen zu ihm auf und sagte: »Ich danke Ihnen!«

      Das kam so überraschend, daß er im ersten Augenblick nicht wußte, was er sagen sollte. Und da löste sie schon ihre Hand aus der seinen und ging, um die Schatulle in die Hütte zu tragen. Als sie ins Freie trat, hatte sie einen grob geflochtenen Basthut aufgenommen, dessen breite Krempe ihr Gesicht überschattete. Sie versperrte die Hüttentür, und ehe sie den Garten verließ, nickte sie noch einen Gruß zu Ettingen hinüber. Während sie langsam zwischen den Büschen gegen den See hinunterstieg, kam Praxmaler von der anderen Seite auf den Garten zugegangen.

      Ettingen war an den Zaun getreten und sah dem Mädchen nach. Er fühlte sich von dieser Begegnung tief ergriffen. Was hatte ihn nur so sehr bewegt? Der stille, schöne Reiz dieses Ortes? Oder die Erscheinung dieses Mädchens, ihre freie, ruhige Art, sich zu geben und zu sprechen? Oder der Einblick, den er in das wunderliche Schicksal ihres Vaters gewonnen hatte, dieses weltflüchtigen Künstlers, der alle Dinge anders sah, als die Menschen sie zu sehen pflegen? Und wie mußte diese Tochter ihn geliebt haben, wie mußte auch jetzt noch der Gedanke an ihn ihr ganzes Leben füllen, da sie es wie ein kostbares Geschenk betrachtete, daß sie eine Stunde von ihm hatte sprechen dürfen! »Ich danke Ihnen!« Wie gut ihm dieses Wort gefiel! Es war ein Wort, das so tief blicken ließ wie der klare See dort unten. Was ihr Vater auch als Künstler aus seiner träumerischen Seele herausgebildet haben mochte – er hatte sicher der Welt kein edleres Werk seines Blutes und Geistes hinterlassen als dieses junge, schöne Menschenkind mit seiner freien und furchtlosen Lebensruhe, mit seinem tiefen, reinen Gefühl und seinem guten Denken.

      Da weckte ihn die Stimme des Jägers. »Grüß Gott, Herr Fürst! A bißl lang hat's dauert, gelt? Aber der Tag wird heiß, da hab ich den Hirsch net liegen lassen können. Drum bin ich gleich ummi gsprungen auf d' Sebenalm und hab a paar Leut auftrieben, die den Hirsch heut noch aussi liefern ins Jagdhaus.« Pepperl hatte den Garten erreicht und schwang sich über den Zaun. »Gleich hab ich mir denkt, daß ich Ihnen da im Gartl von der Fräuln Petri find.« Er guckte zur Hütte hinüber. »Schad! Sie muß net daheim sein, 's Hüttl is gsperrt. Aber gelten S', schön is daherin! So a Platzerl findet man net leicht in der Welt. Dös hat er verstanden, ihr Vater!«

      »Sie haben ihn gekannt?«

      »Den Maler-Emmerle? Freilich hab ich den kennt!«

      » Wie sagten Sie, daß er hieß?«

      »Emmerich Petri hat er gheißen. Aber d' Leut haben allweil gsagt: der Maler-Emmerle. In der ersten Zeit, wie er von der Münchnerstadt kommen is und hat sich in der Leutasch dös Häusl kauft, da haben d' Leut a bißl glacht über seine gspaßigen Sachen. Aber spater haben s' ihn gern mögen. Er is aber auch a lieber, guter Mann gwesen.«

      »Er war ein Künstler?«

      »A Künstler? Ah na! Gott bewahr! Der is schon was Bessers gwesen!« beteuerte Pepperl, der nach ländlicher Anschauung unter »Kienschtler« nur die »Seiltanzler« und »Komödispieler« verstand. »Wissen S', a Taferlmaler is er gwesen. A Marterl hat keiner net schöner malen können als wie der Herr Petri. Und die Heiligen, die er an d' Häuser hingmalen hat, die schauen nobel aus. Für ihn selber hat er diemal auch so Bildln gmalen, kleine und endsgroße.«

      »Sie haben solche Bilder von ihm gesehen?«

      »Aber freilich! Hängen ja draußten in seim Häusl alle Stuben voll. Herr Fürst, dö Bildln müssen S' Ihnen mal anschauen!« Pepperl kicherte. »Was da für narrische Sachen dabei sind! Am liebsten hat er allweil die jungen Buben gmalen, und völlig nacket – aber bloß in der oberen Hälft. Statt die menschlichen Füß hat er ihnen Geißbockhaxln hingmalen. Und Rösser hat er gmalen mit Mannsbilderköpf. Und Tigerkatzen mit Frauenzimmergsichter. Und Weibsbilder mit Karpfenschwanzl statt die Füß. Und lauter so verruckte Gschichten!« Pepperl schüttelte sich vor Lachen. »Gleich hinwerden könnt man vor lauter Gaudi, wann man so was anschaut!«

      Auch Ettingen lächelte. Zentauren, Faune, Tritonen und Sphinxe – und dazu der Kunstverstand des guten Praxmaler-Pepperl: in diesem Kontrast lag eine Komik, der auch die ernste Stimmung Ettingens nicht zu widerstehen vermochte. Aber es widerstrebte ihm, noch weitere Fragen zu stellen. Schweigend trat er zum Tisch, warf die schon welk gewordenen Steinrosen über den Zaum und schmückte seinen Hut mit der Edelrose, die ihm Lolo Petri gereicht hatte.

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