Alexander von Ungern-Sternberg: Historische Romane, Seesagen, Märchen & Biografien. Alexander von Ungern-Sternberg
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СКАЧАТЬ gestanden?« fragte er seinen Begleiter.

      »Ja, zu den drei brennenden Herzen.«

      »Ganz recht; wo ist die?«

      »Sie hat aufgehört zu existieren,« erklärte der junge Page. »Der Wirt machte bankerott, das Seinige wurde ihm genommen, und eine reiche Witwe kaufte das Haus, ließ es ausbauen und bewohnt es nun.«

      »Der arme Jacques Bertholet!« rief Georg.

      »So hieß der Mann!« rief der Jüngling. »Sie werden ihn finden in dem kleinen Gäßchen der blinden Leute, drüben, jenseits des Flusses. Er hat einen kleinen Bücherladen von Skripturen, die er ehemals den Studenten abgenommen und die er jetzt verkauft. Mein Vater kennt ihn und hat manchen guten Handel mit ihm gemacht.«

      »Ihr Herr Vater?« fragte Georg erstaunt.

      »Er ist Arzt « entgegnete der junge Mann und setzte seufzend hinzu: »Aber leider mit keinem sehr guten Auskommen. Er hat eine große Familie zu ernähren, von der bis jetzt nur ich und eine Schwester versorgt sind. Meine Schwester, die um ein paar Jahre älter ist als ich, ist in Schloß Rambouillet bei der Dame des Hauses als Vorleserin angestellt.«

      »In Schloß Rambouillet?« fragte Georg. »Das ist ja wohl der Ort, wo die modischen Schöngeister sich versammeln?« –

      »Früher!« sagte der Page, »als die Frau von Sévigné dort lebte. Die jetzige Herrin von Schloß Rambouillet ist eine Freundin Racines und Corneilles, sie macht ebenfalls Verse, aber ich glaube nicht, daß sie sich einbildet, den Ruf, den das Schloß sich durch die Gegenwart der liebenswürdigsten Frau der Monarchie erworben, fortzusetzen oder vielmehr neu zu begründen. Sie heißt Ninon de Lenclos.«

      »Und dort ist Ihre Schwester, Lafiat?«

      »Dort ist sie! Ach!« –

      »Worüber seufzen Sie?««

      »Obgleich wir beide scheinbar sehr gut untergebracht sind,« bemerkte der junge Mann mit einem trüben Blicke, »so wissen wir doch beide nur gar zu wohl, wo uns der Schuh drückt. Doch wieder auf Jacques Bertholet zu kommen. Sie kennen ihn also?«

      »Ich? Nein!« erwiderte Georg rasch. »Ein junger Mann meiner Bekanntschaft aus Deutschland hat mich gebeten, mich nach ihm zu erkundigen.«

      »Das können Sie am besten tun, wenn Sie hier im Hause der Witwe den Herrn Paraclet Bonhomme zu sprechen suchen. Er war einer von den Stammgästen des guten alten Bertholet und war dabei, als die Schenke verkauft und niedergerissen wurde.«

      »Paraclet!« rief Georg stürmisch. »Wo – wo ist er?«

      »Wir brauchen nur hier an der Glocke zu ziehen, so wird man uns aufmachen. Ohne Zweifel wird man nicht darauf gefaßt sein, so vornehmen Besuch zu beherbergen.« Er streckte die Hand nach dem Glockenzuge aus, als Georg ihn verhinderte, indem er sagte: »Ein andermal, lieber Lafiat, ein andermal! Was ich mit dem Herrn Bonhomme zu sprechen habe, hat Zeit. Was sagten Sie, ist Ihr Herr Vater? Arzt?«

      »Ja,« erwiderte der junge Mann und blickte Georg zweifelnd von der Seite an. »Haben Sie einen nötig?« setzte er dann verlegen lächelnd hinzu. »Dazu wird aber mein Vater sich nicht hergeben, er ist sehr eigen und rechtlich.«

      »Nicht doch!« rief Georg lachend, »was sollte mir fehlen, und wodurch sollte ich in den Fall kommen, einen Äskulap um seine Pillen zu bemühen?«

      »O, das ist sehr leicht hier in Paris!« entgegnete Lafiat.

      »Meine Gebieterin sucht einen!« rief Georg. »Sie hat zwar ihre eigene Ansicht über die Kunst der Ärzte, und unter uns gesagt, sie hält wenig davon. Allein man hat ihr vorgestellt, daß ihr Haus eines Arztes bedürfe, und da hat sie sich entschlossen, einen zu wählen, der womöglich in Deutschland seine Studien gemacht hat.«

      »Das trifft sich ja vortrefflich!« rief der junge Lafiat erfreut. »Mein Vater hat sich in Heidelberg einschreiben lassen und ist ein halbes Jahr daselbst geblieben, dann ist er auch in Wittenberg gewesen, wo er aber bald, einer Schlägerei wegen, hat das Feld räumen müssen. Sie werden den Vater kennenlernen, werter Herr Graf; erlauben Sie, daß ich Sie ihm vorstelle.«

      »Das ist mein Wunsch!« rief Georg. »Lassen Sie uns unsere freie Zeit benutzen und gleich zu ihm gehen.«

      »So sei es!« rief der junge Lafiat.

      Sie gingen noch ein paar Straßen, dann kamen sie an ein großes ärztliches Institut für Kranke; dort erkundigte sich der Sohn, und man wies ihn in ein Zimmer. Von dort zurückgekommen, rief er seinem Gefährten zu: »Wir wollen ihn im Hause aufsuchen, wo er jetzt ist.« Eine Wohnung im Nachbarhause war die des Arztes. Herr Lafiat Gervais befand sich gerade in seinem Studierzimmer, als ihm sein Sohn mit einem fremden Herrn vom Hofe gemeldet wurde. Der Arzt trat aus seinem Zimmer, und nachdem er seinem Sohne freundlich die Hand gereicht, sah er sich mit einer Miene von Mißtrauen den fremden Jüngling an, ehe er dessen Gruß erwiderte. »Mein Vater,« begann der junge Lafiat, »hier ist der Herr Graf von der Pfalz, der mit unserer neuen Herzogin aus Deutschland gekommen ist und dich kennenlernen möchte, aus keinem anderen Grunde, als weil er von mir gehört, daß du in Heidelberg und Wittenberg studiert hast.«

      »Wie?« sagte der Vater, »hast du dem Herrn Grafen gesagt, daß ich in jenen beiden Städten studiert habe? Ich habe daselbst nichts weiter getan, als in dem ersten einem jungen Manne meiner Bekanntschaft eine Wunde verbunden, und in dem zweiten habe ich mir selbst eine Wunde schlagen lassen. Nennt man das studieren?« –

      Die Weise, in der Herr Lafiat Gervais dies sagte, war so komisch, daß Georg laut auflachen mußte und freimütig entgegnete, daß man das allerdings nicht studieren nennen könnte.

      »Aber ich achte die deutsche Kunst, und ihre Jünger haben mir Respekt eingeflößt! Das ist wahr, und diese Wahrheit bin ich überall zu beteuern erbötig!« sagte der Arzt. »Wollte der Himmel, man könnte dasselbe von unseren Ärzten sagen. Doch dies unter uns, mein junger Herr und Freund. Man macht sich eben keine Freunde, wenn man seine Herren Mitbürger verlästert. Paris hat große Ärzte, wer wollte dies leugnen, und es hat in schwierigen Fällen noch immer seinen Mann gewiesen. Arthur, du wirst deine Schwester heute bedeutend besser finden; geh hin, mein Sohn, besuche sie und frage, ob wir auch kommen dürfen.«

      Der Jüngling entfernte sich, und die beiden Zurückbleibenden vertieften sich in eine Untersuchung über die Vorzüge und Mängel einer großen Stadt wie Paris. Georg gewann den Mann lieb, der einfach und natürlich, nicht ohne Beimischung einer unschuldigen Satire, sich aussprach, und er war eben daran, ihm das Wahre und die Eigentümlichkeit einer deutschen Stadt im Vergleich zu Paris zu schildern, als Artur zurückkam und versicherte, Madeleine würde sich sehr freuen, in ihrer Krankenstube den Vater mit seinem Gaste zu sehen.

      »So lassen Sie uns denn gehen!« sagte der Arzt, und schob Georg vor sich hin. Der Page folgte. Sie traten in ein helles, luftiges, reinliches Zimmer, wo zwei junge Mädchen in sittsam bürgerlicher Kleidung, mit Schürzen und Häubchen versehen, ihnen bewillkommnend entgegentraten. »Dies ist meine Tochter Madeleine,« rief der Arzt, ein blondes, blauäugiges, siebzehnjähriges Mädchen Georg vorstellend, »und diese da ist ein kleiner Unhold, ein böser Kobold mit Namen Susanne, und scheinbar eine Freundin Madeleines, eigentlich aber ihr und unser aller Ruhestörerin und Hausfreundin.«

      Das junge Mädchen, das so vorgestellt wurde, machte eine empfindliche Miene und drohte dem Arzte mit dem Finger, worüber die andern alle lachten. Sie war kleiner als die Tochter, schwarz von Haar und Augen, mit einem hübschen Mündchen und wundervollen Zähnen, die sie nicht СКАЧАТЬ