Schloss Gripsholm. Kurt Tucholsky
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Название: Schloss Gripsholm

Автор: Kurt Tucholsky

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Klassiker bei Null Papier

isbn: 9783954188116

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СКАЧАТЬ Rau­fe­rei – die rau­fen auch erst mit Wor­ten.

      Und als ich ihr al­les aus­ein­an­der­ge­setzt hat­te, al­les, was ich im Au­gen­blick wuss­te, und das war nicht we­nig, und ich war so stolz, was für ge­wag­te Sa­chen ich da ge­sagt hat­te, und wie ich das al­les so ge­nau und bren­nen­d­rot dar­ge­stellt und vor­ge­führt hat­te, in Wor­ten, so­dass nun ei­gent­lich der Au­gen­blick ge­kom­men war, zu sa­gen: »Ja, also dann …« – da sah mich die Prin­zes­sin lan­ge an. Und sprach: »Ei­nen welt­be­fohr­nen dschun­gen Mann –!«

      Und da war es aus. Und ich fand mich erst viel spä­ter bei ihr wie­der, im­mer noch la­chend, und mit der ero­ti­schen Wei­he war es nichts ge­wor­den. Aber mit der Lie­be war es et­was ge­wor­den.

      Der Zug hielt.

      Die Prin­zes­sin fuhr auf, öff­ne­te die Au­gen. »Wo sind wir?« – »Es sieht aus wie Stolp oder Star­gard – je­den­falls ist es et­was mit St«, sag­te ich. – »Wie sieht es noch aus?« frag­te sie. – »Es sieht aus«, sag­te ich und blick­te auf die Back­stein­häus­chen und den trüb­sin­ni­gen Bahn­hof, »wie wenn hier die Un­ter­of­fi­zie­re ge­bo­ren wer­den, die ihre Mann­schaf­ten schin­den. Möch­test du hier Mit­tag es­sen?« Die Prin­zes­sin schloss so­fort die Au­gen. »Ly­dia«, sag­te ich, »wir kön­nen auch im Spei­se­wa­gen es­sen, der Zug hat einen.« – »Nein«, sag­te sie. »Im Spei­se­wa­gen wer­den die Kell­ner im­mer von der Ge­schwin­dig­keit des Zu­ges an­ge­steckt, und es geht al­les so furcht­bar ei­lig – ich habe aber einen lang­sa­men Ma­gen …« – »Gut. Was liest du da üb­ri­gens, Alte?« – »Ich schla­fe seit zwei Stun­den auf ei­nem mon­dä­nen Ro­man. Der ein­zi­ge Kör­per­teil, mit dem man ihn le­sen kann …«, und dann mach­te sie die Au­gen wie­der zu. Und wie­der auf. »Guck eins … die Frau da! Die is aber mi­so­gyn!« – »Was ist sie?« – »Mi­so­gyn … heißt das nicht mick­rig? Nein, das habe ich mit den Pyg­mä­en ver­wech­selt; das sind doch die­se Leu­te, die auf Bäu­men woh­nen … wie?« Und nach die­ser Leis­tung ent­schlum­mer­te sie aufs neue, und wir fuh­ren, lan­ge, lan­ge. Bis War­ne­mün­de.

      Da war der »Strom«. So heißt hier die War­ne – war es die War­ne? Pee­ne, Swi­ne, Die­ve­now … oder hieß der Fluss an­ders? Es stand nicht dran. Mit Karl­chen und Ja­kopp hat­te ich der Ein­fach­heit hal­ber er­fun­den, je­der Stadt den ihr zu­ge­hö­ri­gen Fluss zu ge­ben: Glei­witz an der Glei­we, Bit­ter­feld an der Bit­ter und so fort.

      Hier am Strom la­gen lau­ter klei­ne Häu­ser, eins bei­nah wie das an­de­re, windum­weht und so ge­müt­lich. Se­gel­boo­te steck­ten ihre Mas­ten in die graue Luft, und be­la­de­ne Käh­ne ruh­ten faul im stil­len Was­ser. »Guck mal, War­ne­mün­de!«

      »Diß kenn ich scha denn nu doch wohl biss­chen bes­ser als du. Har­re Gott, nein … Da ische den Strom, da bin ich so­zu­sa­gen an groß gie­worn! Da wohnt scha Korl Dü­sig un min oll Wie­sen­dörpsch, un in das nüd­li­che lüt­te Haus, da wohnt Tapp­sier Krö­ger, den sind sol­che net­ten Men­schen, as es auf die­se aus­ge­klür­te Welt sons gah nich mehr gibt … Und das is Ze­na­ter Eg­gers sin Hus, Dree Lin­den. Un sieh mal: das alte Haus da mit den schö­nen Barock­gie­bel – da spückt es in!« – »Auf platt­deutsch?« frag­te ich. – »Du büschan gan­zen mong­kan­ten Mann; meins, den War­ne­mün­der Gie­s­pens­ter spü­ken auf hoch­deutsch rum – nee, al­lens, was Recht is, Ord­nung muss sein, auch inne vier­te Di­men­zi­on …! Und …« Rrrums – der Zug ran­gier­te. Wir fie­len an­ein­an­der. Und dann er­zähl­te sie wei­ter und er­klär­te mir je­des Haus am Strom, so­weit man se­hen konn­te.

      »Da – da is das Haus, wo die alte Frau Brüs­ha­ber in gie­wohnt hat, die war eins so fühnsch, dass ich’n beß­res Zeug­nis ge­habt hab als ihre Groß­kin­der; die wa­ren ümme so ver­schli­chen … und da hat sie von ’n ol­len Wie­dow, dem Schul­de­rek­ter, ge­sagt: Wann ick den Kierl inn Mars hat, ick scheet em inne Ost­see! Un das Haus hat dem al­ten Lauf­mül­ler gie­hört. Den kennst du nich auße Welt­ge­schich­te? Der Lauf­mül­ler, der lag sich ümme inne Haa­ren mit die hohe Ob­rig­keit, was zu die­se Zeit den Lan­drat von der De­cken war, Lan­drat Lud­wig von der De­cken. Und um ihn zu ägen, kauf­te sich der Lauf­mül­ler einen al­ten räu­di­gen Hund, und den nann­te er Lur­wich, und wenn nu Lan­drat von der De­cken in Sicht kam, denn rief Lauf­mül­ler sei­nen Hund: Lur­wich, hin­teh mich! Und denn grien­te Lauf­mül­ler so finsch, und den Lan­drat är­ger­te sich … un da­von ha­ben wi auch im Schohr 1918 kei­ne Re­vo­lut­schon gie­habt. Ja.« – »Lebt der Herr Mül­ler noch?« frag­te ich. – »Ach Gott, nei­en – he is all lang dod. Er hat sich gie­wünscht, er wollt an Weg be­gra­ben sein, mit dem Kopf gra­de an Weg.« – »Wa­rum?« – »Dscha … dass er den Mä­chens so lan­ge als möch­lich un­te­re Röck … Der Zoll!« Der Zoll.

      Eu­ro­pa zoll­te. Es be­trat ein Mann den Raum, der frag­te höf­lichst, ob wir … und wir sag­ten: nein, wir hät­ten nicht. Und dann ging der Mann wie­der weg. »Ver­stehst du das?« frag­te Ly­dia. – »Ich ver­ste­he es nicht«, sag­te ich. »Es ist ein Ge­sell­schaftss­piel und eine Re­li­gi­on, die Re­li­gi­on der Va­ter­län­der. Auf dem Auge bin ich blind. Sieh mal – sie kön­nen das mit den Va­ter­län­dern doch nur ma­chen, wenn sie Fein­de ha­ben und Gren­zen. Sonst wüss­te man nie, wo das eine an­fängt und wo das an­de­re auf­hört. Na, und das gin­ge doch nicht, wie …?« Die Prin­zes­sin fand, dass es nicht gin­ge, und dann wur­den wir auf die Fäh­re ge­scho­ben.

      Da stan­den wir in ei­nem klei­nen ei­ser­nen Tun­nel, zwi­schen den Damp­fer­wän­den. Rucks – nun wur­de der Wa­gen an­ge­bun­den. »Wis­sen möcht ich …«, sag­te die Prin­zes­sin, »warum ein Schiff ei­gent­lich schwimmt. Es wiegt so viel: es müss­te doch un­ter­gehn. Wie ist das! Du bist doch einen stu­dier­ten Mann!« – »Es ist … der Luft­ge­halt in den Schot­ten … also pass mal auf … das spe­zi­fi­sche Ge­wicht des Was­sers … es ist näm­lich die Ver­drän­gung …« – »Mein Lie­ber«, sag­te die Prin­zes­sin, »wenn ei­ner über­mä­ßig viel Fach­aus­drücke ge­braucht, dann stimmt da et­was nicht. Also du weißt es auch nicht. Pe­ter, dass du so ent­setz­lich dumm bist – das ist scha­de. Aber man kann ja­wohl nicht al­les bei­ein­an­der ha­ben.« Wir wan­del­ten an Bord.

      Schiffs­längs – back­bord – steu­er­bord … ganz lei­se ar­bei­te­ten die Ma­schi­nen. War­ne­mün­de blieb zu­rück, un­merk­lich lös­ten wir uns vom Lan­de. Vor­bei an der Mole da lag die Küs­te.

      Da lag Deutsch­land. Man sah nur einen fla­chen, be­wal­de­ten Ufer­strei­fen und Häu­ser, Ho­tels, die im­mer klei­ner wur­den, im­mer mehr zu­rück­rück­ten, und den Strand … War dies eine ganz lei­se, win­zi­ge, eine kaum merk­ba­re Schau­kel­be­we­gung? Das wol­len wir nicht hof­fen.

      Ich sah die Prin­zes­sin an. Sie spür­te so­gleich, wo­hin­aus ich woll­te. »Wenn du käu­zest, min Jung«, sag­te sie, »das wäre ein Zück­zeh fuh!« – »Was ist das?« – »Das ist Fran­zö­sisch« – sie war ganz auf­ge­bracht – »nu kann der Dschung nich mal Fran­zösch, un hat sich do Jah­re­ner fünf in Pa­ris fei­ne Bil­dung bi­e­lernt … Segg mohl, was has­se da ei­gent­lich inne gan­ze Zeit gie­macht? Kann ich mi schon leb­haft vor­stelln! Ümme mit die klei­nen Dirns um­her, nöch? Du bi­scha einen Wüst­ling! Wie sind denn nun die Fran­zö­sin­nen? Komm, er­zähl es mal СКАЧАТЬ