Название: Die wichtigsten Dramen
Автор: Людвиг Тик
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027238385
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REINHARD. Ein Sklave, der sich vorgenommen hat, rechtschaffen zu sein, und nun ohne Ueberlegung mit dem Kopfe durch die Welt brechen will. – Ich dachte, weil er Blut gesehn, und sich im Getümmel herumgetrieben hat, – der Krieg härtet sonst die Seele und verwandelt selbst die weichsten Gemüther in grausame. – Wie unbesonnen ich war! – Wenn uns die Leidenschaft ergreift, so hören wir immer nur uns selber sprechen und vernehmen kein Wort vom andern. – Warum gelingt es denn andern Menschen, Vertraute ihrer Gedanken zu finden? er geht ab.
KARL tritt auf. Das Wunderbarste gesellt sich zum Wunderbarsten; – sie hat versprochen mich hier zu besuchen, eine Viertelstunde mit mir zu sprechen, weil uns die Gesellschaft der übrigen Menschen band. – Wie hätt' ich so etwas hoffen können? – Es ist Nacht geworden und alles in mir ist ruhig. – Der Schimmer des Mondes funkelt seltsam durch die Zweige herab, alle grünen Gebüsche glänzen, alles ist mit Freude übergossen und wunderbare schöne Ahndungen zittern durch meine Seele. – Wird es immer so sein? – Es ist als wenn der Mond mit den Sternen zusammenklingt, als wenn Melodieen durch den Flimmerschein wehen. – Es schwärmt jauchzend durch die Wipfel hin, das schönste Leben sinkt golden aus dem offnen Himmel nieder, – dies ist kein irdisch Leben mehr, Vergangenheit und Zukunft sind versunken, und eine selige, überirdische Gegenwart macht mein menschliches Herz erzittern. – er setzt sich auf die Rasenbank. Da zieht eine dunkle Wolke vor den Mond und jagt einen schwarzen Schatten über die Gegend; der goldne Schein erlischt, – ich vergesse in der Trunkenheit, daß sie kommen wollte, – Gott, wie werd' ich die Freuden meines Lebens aushalten können! – Mir ist, als ob ich alles vergessen hätte, als ob ich nicht der Karl wäre, von dem mir bisher immer geträumt hatte. – ein weißer Schimmer durch die Gebüsche, er fährt auf. Sie kömmt, wie ängstlich mein Herz bebt, – sie kömmt. – die weiße Gestalt nähert sich, er streckt die Arme aus und eilt ihr entgegen, sie bleibt vor ihm stehn; es ist der Geist seiner Mutter, er erstarrt eine Weile, dann stürzt er zurück, die Gestalt geht vorüber. – O Mutter, Mutter! laß mir Ruhe; – Ha! ich hatte vergessen, daß es Nacht geworden sei, daß ihre Zeit gekommen war. – So schneidet es durch meine Freude, durch mein Glück, – alle Gräßlichkeiten arbeiten sich wieder durch den Schimmer, der sie abwärts hielt. – Nein, es giebt keine Vergebung, es giebt keine Seligkeit, – wie ich mich zerschmettert fühle, durch alle Gebeine vernichtet. – Sie triumphiren, die Feindseligen, – keine Versöhnung – die Gegend sinkt unter – betäubende Luft, ich danke dir, daß ich wenigstens schlafen kann – Reinold und Ritsart treten auf mich zu, welche wunderbare Versammlung. – er ist eingeschlafen.
REINHARD kömmt zurück. Ich habe alles überlegt; – und warum könnt' ich es nicht selber thun? – Er gewinnt im Tode und die Welt gewinnt mit ihm. – Die sorgfältige Feigherzigkeit hält uns immer von Thaten zurück, deren wir uns freuen würden, wenn nur der Augenblick der Ausübung erst vorüber wäre. – Hier liegt er, ich finde keine günstigere Gelegenheit, – dieser Dolch soll mir Luft machen.
KARL träumend. Bruder!
REINHARD. Er nennt mich im Schlafe? er denkt an mich? – Es war ein seltsamer Ton, mit dem er dies Wort aussprach, – diesen Ton hab' ich noch nie von ihm gehört. – Bin ich denn ein Kind geworden? – Wie sanft er schläft. – Man sagte mir, er schliefe keine Nacht, – dies ist vielleicht nach langer Zeit seine erste Erquickung. – So traf ich ihn einst schlafend im tiefen Walde an, als er noch ein Knabe war, und er lag so holdselig und unschuldig da, daß ich es nicht lassen konnte, ihn in meine Arme zu schließen, und ihn mit Thränen und Küssen zu bedecken; er erwachte damals und wir gingen nach Hause und schwuren uns ewige brüderliche Liebe. – Ach Gott! er hat viel zu leiden, wie bekümmert sein Gesicht aussieht, er hat nichts auf dieser Welt. – Wie kommt der Dolch in meine Hand? – Ach! er ist ja derselbe Karl, der er damals war, sein Vater ist todt, seinen Bruder hatte er schon früher verloren – ich muß ihn wecken – so schlug mein Herz noch nie, – Bruder, Bruder Karl, wache auf!
KARL. Was ist? – Was willst Du? – Ach Gott, Reinhard!– Laß mich, ich habe Dir nichts gethan.
REINHARD. Ermuntre Dich um's Himmelswillen, damit ich Dir nicht unversehens den Dolch in die Brust stoße, – es ist Nacht, die Gedanken der Menschen wechseln wunderlich. – er schließt ihn in seine Arme. O mein Bruder! kannst Du mich noch lieben?
KARL. Wie ist Dir, Reinhard; kennst Du mich? – Mir träumte eben, ich schlief' so sanft, ich versöhnte mich mit Dir, und darf ich's glauben? – Du stehst vor mir, – oder ist es nur ein neuer Traum?
REINHARD. Nein, nein, es ist, – o vergieb mir, Karl, es war fürchterlich, – so eben haßt' ich Dich noch von Herzen, – so eben wollt' ich Dich ermorden. – Horch! wie fürchterlich die Bäume noch deswegen um mich rauschen, der Mond entfloh, so wie ich die Hand erhob, – o mein Bruder, jetzt ist mein brüderliches Gefühl zurückgekommen, – Du bist wohl sehr unglücklich, – ich habe Dich schon seit lange verlassen.
KARL. Wie wunderlich seltsam wird mit mir gespielt! – weinend. Wozu all' diese Liebe? Sie nützt mir nun nicht mehr. – Es kann nichts mehr gut werden.
REINHARD. Es kann, es soll. – Liebst Du Adelheid?
KARL. Von meiner frühsten Jugend, – ach ja! und sie erklärte mir heut, daß sie mich liebe.
REINHARD. Nimm sie, sie sei Dein, ich trete freiwillig zurück, – aber söhne Dich mit dem Leben wieder aus, an Eurer Freude will ich meine Schmerzen vergessen.
KARL. Warum muß mir alles Wunderbare begegnen?
REINHARD. Ich kann auf mancherlei Art noch glücklich sein – ich bin über mich selbst belehrt, aber Du bist verloren, darum nimm sie, liebe sie, liebe mich, – laß die Brüdereintracht wieder hergestellt sein.
KARL. Ihr wollt mich alle wahnsinnig machen. Ich werde mich nicht retten können – so viel Liebe, – o mein Herz möchte brechen – ich ging im Elend zu Grunde und mir war besser, – jetzt zerreißt mich die Freude. – Ach, Bruder! ist es Dein Ernst? Kannst Du mich vor Augen sehn? kannst Du meine Hand mit Herzlichkeit fassen? – Bist Du mir gut?
REINHARD. Sieh diese Thränen. Kannst Du noch zweifeln? – Ja, ich war schlecht, aber nun bin ich besser. Ja, nimm mich wieder an, ach! ich habe ja nur den einen Bruder; als Kind träumte mir oft, ich sähe Dich im Wasser untersinken, und ich mußte dann die ganze lange Nacht hindurch weinen, am Morgen sucht' ich Dich dann desto schneller auf und umarmte Dich um so inbrünstiger, – und jetzt ließ ich Dich der Verzweiflung ohne Rührung, meines Vaters Tod bewegte mich nicht, – alles kömmt nun in einem Augenblicke zurück! –
KARL fällt in seine Arme. Nun, so habe Dank, sei mein, – ich bin Dein bis zum Tode! –
REINHARD. Der Morgen bricht hervor. – Komm hinein, ich will selbst für Dich zu Heinrich sprechen. – Mir ist, als wärest Du von einer langen Reise zurückgekehrt. O daß sich Menschen so verkennen mögen!
KARL. Ich taumle noch; leite meine Schritte, unterstütze mich.
REINHARD. Ich möchte Dich auf meinen Armen hineintragen. – O lieber Bruder! Wir weinen beide: so wollen wir vor Adelheid treten. – sie gehen ab.
(Saal in der Burg Orla.)
HEINRICH. ADELHEID, die von verschiedenen Seiten auftreten.
HEINRICH. Guten Morgen, Schwester, – bist Du auch schon wach?
ADELHEID. Ich habe fast die ganze Nacht nicht schlafen können. Immer, wenn mir etwas Neues und Fröhliches begegnet, kann ich nicht müde werden. – Von hier sieht man die Sonne gar herrlich aufgehn.
HEINRICH. СКАЧАТЬ