Kindheit, Jugend und Krieg. Theodor Fontane
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Название: Kindheit, Jugend und Krieg

Автор: Theodor Fontane

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9788027225842

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СКАЧАТЬ wesentlichem Teile Sache literarischer und nicht bloß militärischer Kritik. Ordnen und Aufbauenkönnen ist wichtiger als ein reicheres Wissens- und Erkenntnismaß, und alles in allem kann ich nicht einsehen, warum es leichter sein soll, über den Charakter Wallensteins als über den Gang der Schlacht bei Großbeeren ins klare zu kommen.

      Mein Gönner von Witzleben – er war zuletzt General – hat sichs natürlich nicht träumen lassen, daß mich sein Wohlwollen zu solchen Betrachtungen hinreißen würde, vielleicht wär er sonst ein wenig härter mit mir verfahren. Aber so oder so, ich kehre zunächst zum Jahre 30 und zu dem Bataillon vom Franz-Regiment zurück, das damals, »um Kordon zu ziehen und die Quarantäne zu sichern«, in Swinemünde einzog. Das Bataillon blieb nicht lange, wahrscheinlich weil man sich von der Nutzlosigkeit solcher Kordons überzeugt hatte; statt seiner aber erschien nun eine Batterie oder Halbbatterie schweren Geschützes, bronzene Zwölfpfünder, von denen zwei auf die Molenköpfe geschafft und dort so gestellt wurden, daß sie den Hafeneingang bestrichen. Aber auch diese Zwölfpfünder kriegten nichts zu tun; sie standen da bis ins nächste Frühjahr hinein, wo dann Befehl kam, sie nach Stettin hin zurückzuziehen. Ehe dieser Befehl aber ausgeführt werden konnte, nahm der Kommandierende Veranlassung zu einer Dankesbezeigung für die Gastfreundschaft, die die Swinemünder gegen ihn und seine Offiziere geübt hatten. Er erließ Einladungen an die Honoratioren, sich auf der diesseitigen Mole zu versammeln, um dort einem von ihm zu veranstaltenden Schießversuche beizuwohnen. Auch mein Vater war draußen und hatte mich mitgenommen, weil er sehen wollte, welchen Eindruck das Schauspiel auf mich machen würde.

      Die Luft war feucht und der Himmel grau. Alles fröstelte. Wir fanden, daß es etwas lange dauere, denn die schräg vor uns stehende Sonne neigte sich schon dem Horizonte zu. Da plötzlich große Bewegung – ein donnernder Knall, und im nächsten Augenblicke brachen alle Versammelten in ein staunendes »Ah« aus. Es war nämlich ein Rikoschettschießen, was im Prinzip etwa dasselbe bedeutet wie das »Butterstullenwerfen« auf einem Teich. Die mächtige Kugel setzte in Entfernung von dreihundert oder fünfhundert Schritt zum erstenmal auf und trieb eine Wassersäule, ganz nach Art eines Springbrunnenstrahls, in die Luft; dann folgte ein zweites und drittes Aufsetzen, bis die Wassersäulen immer kleiner wurden und schließlich die Kugel versank. Ich hätte stundenlang dem entzückenden Schauspiele zusehen können. Aber es währte nur kurze Zeit. Als der Sonnenball über dem Wasser hing, war alles vorbei, und man trat den Heimweg nach der Stadt an, wo den Offizieren und allen anderen, die mit draußen gewesen waren, bei Konsul Thompson ein Abschiedssouper gegeben wurde. Viele Reden wurden gehalten, unter Ausdruck der Freude, daß die Cholera, so fatal sie sei, so liebe Gäste gebracht habe. Zuletzt sprach auch mein Vater und bemerkte in seiner launigen, wenn auch vielleicht anfechtbaren Weise: Was draußen auf der Mole die Kanone, das sei drinnen in seiner Stadtapotheke der große Salzsäureballon gewesen, unter dessen Heranziehung er jeden Augenblick imstande gewesen wäre, das bedrohte Swinemünde unter Chlor zu setzen.

      Meine Mutter – wie denn fast alle Frauen an den Reden ihrer Männer Anstoß nehmen – war wenig erbaut von diesem Toaste; besonders mißfielen ihr die chemisch-pharmazeutischen Anspielungen. Sie freute sich zwar immer, wenn das Geschäft blühte, hielt aber im übrigen nicht viel vom Metier.

      Wie wir in die Schule gingen und lernten

       Inhaltsverzeichnis

      Als wir Johanni 27 in dem Hause mit dem Riesendach und der hölzernen Dachrinne, darin mein Vater bequem seine Hand legen konnte, glücklich untergebracht waren, meldete sich alsbald auch die Frage: »Was wird nun aus den Kindern? In welche Schule schicken wir sie?« Ware meine Mutter schon mit zur Stelle gewesen, so hätte sich wahrscheinlich ein Ausweg gefunden, der, wenn nicht aufs Lernen, so doch auf das »Standesgemäße« die gebührende Rücksicht genommen hätte. Da meine Mama jedoch, wie schon erzählt, einer Nervenkur halber in Berlin zurückgeblieben war, so lag die Entscheidung bei meinem Vater, der schnell mit der Sache fertig war und sich in einem seiner Selbstgespräche mutmaßlich dahin resolvierte, »die Stadt hat nur eine Schule, die Stadtschule, und da diese Stadtschule die einzige ist, so ist sie auch die beste.« Gesagt, getan; und ehe eine Woche um war, war ich Schüler der Stadtschule. Nur wenig ist mir davon in Erinnerung geblieben: eine große Stube mit einer schwarzen Tafel, stickige Luft trotz immer offenstehender Fenster und zahllose Jungens in Fries- und Leinwandjacken, ungekämmt und barfüßig oder aber in Holzpantoffeln, die einen furchtbaren Lärm machten. Es war sehr traurig. Ich verknüpfte jedoch damals, wie leider auch später noch, mit »in die Schule gehen« so wenig angenehme Vorstellungen, daß mir der vorgeschilderte Zustand, als ich seine Bekanntschaft machte, nicht als etwas besonders Schreckliches erschien. Ich ging eben davon aus, daß das so sein müsse. Als aber gegen den Herbst hin meine Mutter eintraf und mich mit den Holzpantoffeljungens aus der Schule kommen sah, war sie außer sich und warf einen ängstlichen Blick auf meine Locken, denen sie in dieser Gesellschaft nicht mehr recht trauen mochte. Sie hatte dann eines ihrer energischen Zwiegespräche mit meinem Vater, dem wahrscheinlich gesagt wurde, er habe mal wieder bloß an sich gedacht, und denselben Tag noch erfolgte meine Abmeldung bei dem uns schräg gegenüber wohnenden Rektor Beda. Dieser nahm die Abmeldung nicht übel, erklärte vielmehr meiner Mutter, er habe sich eigentlich gewundert ... All das war nun soweit ganz gut, berechtigte Kritik war geübt und ihr gemäß verfahren worden, aber als es nun galt, etwas Besseres an die Stelle zu setzen, wußte auch meine Mutter nicht aus noch ein. Lehrkräfte schienen zu fehlen oder fehlten wirklich, und da sich bei der Kürze der Zeit noch keine Beziehungen zu den guten Familien der Stadt ermöglicht hatten, so wurde beschlossen, mich vor läufig wild aufwachsen zu lassen und ruhig zu warten, bis sich etwas fände. Um mich aber vor Rückfall in dunkelste Nacht zu bewahren, sollte ich täglich eine Stunde bei meiner Mutter lesen und bei meinem Vater einige lateinische und französische Vokabeln lernen, dazu Geographie und Geschichte.

      »Wirst du das auch können, Louis?« hatte meine Mutter gefragt.

      »Können? Was heißt können! Natürlich kann ich es. Immer das alte Mißtrauen.«

      »Es ist noch keine vierundzwanzig Stunden, daß du selber voller Zweifel warst.«

      »Da werd ich wohl keine Lust gehabt haben. Aber, wenn es drauf ankommt, ich verstehe die Pharmacopoea Borussica so gut wie jeder andere, und in meiner Eltern Haus wurde französisch gesprochen. Und das andre, davon zu sprechen, wäre lächerlich. Du weißt, daß ich da zehn Studierte in den Sack stecke.«

      Und wirklich, es kam zu solchen Stunden, die sich, wie schon hier erwähnt werden mag, auch noch fortsetzten, als eine Benötigung dazu nicht mehr vorlag, und so sonderbar diese Stunden waren, so hab ich doch mehr dabei gelernt als bei manchem berühmten Lehrer. Mein Vater griff ganz willkürlich Dinge heraus, die er von lange her auswendig wußte oder vielleicht auch erst am selben Tage gelesen hatte, dabei das Geographische mit dem Historischen verquickend, natürlich immer so, daß seine bevorzugten Themata schließlich dabei zu ihrem Rechte kamen. Etwa so:

      »Du kennst Ost- und Westpreußen?«

      »Ja, Papa; das ist das Land, wonach Preußen Preußen heißt und wonach wir alle Preußen heißen.«

      »Sehr gut, sehr gut; ein bißchen viel Preußen, aber das schadet nichts. Und du kennst auch die Hauptstädte beider Provinzen?«

      »Ja, Papa; Königsberg und Danzig.«

      »Sehr gut. In Danzig bin ich selber gewesen und beinahe auch in Königsberg – bloß es kam was dazwischen. Und hast du mal gehört, wer Danzig nach tapferer Verteidigung durch unsern General Kalckreuth doch schließlich eroberte?«

      »Nein, Papa.«

      »Nun, es ist auch nicht zu verlangen; es wissen es nur wenige, und die sogenannten höher Gebildeten wissen es nie. Das war СКАЧАТЬ