Kindheit, Jugend und Krieg. Theodor Fontane
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Название: Kindheit, Jugend und Krieg

Автор: Theodor Fontane

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027225842

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СКАЧАТЬ Buntdrucke, die meinem Gefühle nach dem meisten, was jetzt auf diesem Gebiete geleistet wird, erheblich überlegen waren. Zum mindesten wirkten sie vornehmer. Alt und einfach, aber gerade deshalb dem Trumeau samt Moiré-Sofa weit überlegen, waren denn auch ganz besonders die dem Zimmer einverleibten, meist aus der großväterlichen Erbschaft stammenden Möbel. An dem mittleren Fensterpfeiler, in einer Birkenmaserumrahmung, hing ein schmaler Spiegel, vor dem mein Vater seine Toilette zu machen pflegte. Für gewöhnlich bedeutete das nicht viel. Wenn aber Diner-Tag war, und das ereignete sich winters allwöchentlich wenigstens einmal, so stand er hier unter Vornahme der mannigfachsten Prozeduren oft eine halbe Stunde und länger. Das Anlegen eines vielgefalteten Jabots mit einem weißen Halstuch darüber, durch das dann eine Amethystnadel gesteckt wurde, bildete jedesmal den Schluß der Toilette, dem mit gleicher Regelmäßigkeit eine minder gefällige Manipulation vorausging. Er trug nämlich eine sogenannte »Tour«, die, wenn er sich für eine Gesellschaft zurechtmachte, jedesmal abgelöst, dann sorglich instand gesetzt und mit einer Gummilösung neu aufgeklebt wurde. Der Ablösungsprozeß war immer etwas ziemlich Schmerzhaftes, von einer komischen Grimasse Begleitetes, weshalb er es nicht gern unterließ, einen seiner Monologe daran anzuknüpfen. »Eigentlich ist es Unsinn. Die meisten haben einen ganz kahlen Kopf und finden sich drin. Nur ich, warum bäume ich mich unter Qualen dagegen auf? Es ist ein Opfer, das ich der Gesellschaft bringe.« Niemand aber war schließlich bereiter dazu als er, denn er freute sich auf jede Gesellschaft.

      In diesen Gesellschaften, auf deren Schilderung ich in einem anderen Kapitel zurückkomme, war er sehr beliebt, was mit seiner großen und liebenswürdigen Unterhaltungsgabe, ganz besonders aber mit einigen kleinen Sonderbarkeiten zusammenhing, die diese Unterhaltungsgabe begleiteten. Zu diesen Sonderbarkeiten zählte neben anderem auch eine ihm eigentümliche Vortragsweise, die bei Zitaten oder Namensnennungen immer höchst pathetisch war. Er sagte nicht gern »auf Erden«, sondern bevorzugte die Wendung »auf dieser sublunarischen Welt«, und wenn er das Wort »sort«, zum Beispiel in seinem Lieblingssatze: »Der und der wird sein sort machen«, betonte, so hätten ihn drei Franzosen um die Aussprache des »o« beneiden können. Auf gleicher Höhe, wenn nicht höher, stand sein »la mort sans phrase« oder wohl gar »la garde meurt et ne se rend pas«, woraus man übrigens nicht schließen wolle, daß dies, sosehr er an allem Französischen hing, aus Gallomanie geschehen sei. Was ihn dazu bestimmte, war lediglich ein Klangbedürfnis, und jede Sprache, die dazu mithalf, war ihm gleich willkommen. Es war eine Lust, ihm zuzuhören, wenn er beispielsweise den Titel eines damals erschienenen Romans: »Gustav Wasa oder das Blutbad zu Stockholm« aussprach, oder wenn er, sobald von Schill die Rede war, hinzusetzte: »Schill, der in den Straßen von Stralsund fiel.« Alles Alliterierende und Spondäische wurde von ihm bevorzugt. Er wiegte sich darauf. Am größten aber war er wahrscheinlich bei Nennung ihm unbekannter und deshalb falsch von ihm ausgesprochener Namen, weil er sich diese, durch Regeln und Korrektheit ganz uneingeengt, ganz nach seinem persönlichen Bedürfnis zurechtlegen konnte. Gerade damals (1830) war in den Nachrichten aus England viel von einem Marquis von Londonderry (Bruder des früheren Ministers Castlereagh) die Rede, welcher Name, weil er sich einfach aus London und Derry zusammensetzt, bei richtiger Aussprache nur ziemlich mäßig ins Ohr fällt; mein Vater aber, den Namen als eine große Einheit fassend, legte, statt ihm seine zuständigen zwei Akzente zu geben, einen einzigen mächtigen Akzent auf das »o« der drittletzten Silbe und erzeugte dadurch eine vollkommene Donnerwirkung. Natürlich erheiterte das die Swinemünder, die mit England und englischer Sprache sehr wohl Bescheid wußten.

      Und nun wieder zurück in das Wohnzimmer meines Vaters und zu seiner Einrichtung.

      An der Wand, rechts neben dem Spiegelpfeiler, stand der ebenfalls aus Birkenmaser gefertigte Schreibsekretär, dessen mit grünem Fries überzogene Klappe, wenn herabgelassen, ihm zugleich als Schreibepult diente. Die verbürgteste Eigenschaft derselben war aber die, daß sie, jedem Drucke nachgebend, beständig knarrte und quietschte. Mein Vater indessen ließ sich dadurch nicht stören und führte von hier aus seine gesamte Korrespondenz. Links neben ihm lagen die zu beantwortenden Briefe, denen eine Papierschere von ungewöhnlichem Gewicht als eine Art Briefbeschwerer diente. Nicht jeden Tag war Schreibetag, war dieser aber da, so wurde Nummer für Nummer vorgenommen, langsam und mit einer gewissen Künstlerfreude, denn er schrieb eine sehr hübsche Handschrift. Waren es Geldbriefe, so steigerte sich diese Freude noch sehr erheblich. Er hatte dann nicht bloß die Vorstellung von der Wichtigkeit des Akts, sondern des weiteren auch eine gewisse moralische Genugtuung, diesen Brief überhaupt noch abschicken und sich als ein Mann von Mitteln und »honnêteté« legitimieren zu können. Am deutlichsten trat diese Genugtuung hervor, wenn er, nach Erledigung der eigentlichen Schreiberei, bis zur Kuvertierung und Siegelung des Briefes gekommen war. Er hatte mehrere Petschafte für den Alltagsverkehr, jeder Geldbrief aber wurde mit einem besonders gut geschnittenen Petschaft gesiegelt, das er noch aus der Ruppiner Löwenapotheke mit in seine Swinemünder Adlerapotheke, so daß es eigentlich nicht mehr paßte, herübergenommen hatte. Das Reiben des Siegellacks, um die schwarzen Stellen auszutilgen, war eine Kunst, der er viel Fleiß widmete, und wenn dann die fünf Siegel mit dem kleinen Löwen darauf fertig waren, sah er sich das Ganze wiederholentlich an und äußerte seine Befriedigung. Er saß gern an diesem seinem Sekretär und hing mehr oder weniger an jedem Kasten und Schubfach desselben, ein besonders intimes Verhältnis aber unterhielt er zu einem hinter einem kleinen Säulen-Vortempel verborgenen Geheimfach, drin er, wenn ihm die Verhältnisse dies gerade gestatteten, sein Geld aufbewahrte. Lag es indessen ungünstiger, mit anderen Worten, war der Kasten leer, so hörte derselbe nicht auf, ein Gegenstand seiner beinahe liebkosenden Betrachtungen zu sein. Er entfernte dann den Vortempel, und in das Nichts, das sich dahinter auftat, mit einem gewissen humoristischen Ernst hineinlugend, hielt er eine seiner Ansprachen. Ich war oft dabei zugegen. »Sieh, mein Sohn, ich kann in diese dunkle Leere nicht ohne Bewegung blicken. Erst vor ein paar Tagen hab ich mir zusammengerechnet, wieviel da wohl schon gelegen hat, und es summte sich hoch auf und hatte was Tröstliches für mich.« All dies, während er drüber lachte, war doch auch wieder ganz ernsthaft gemeint; er richtete sich wirklich an der Vorstellung auf, was da alles schon mal gelegen hatte. Das Gascognische in ihm schlug immer wieder durch.

      Der Sekretär mit der quietschenden Klappe war, um es noch einmal zu sagen, ein Lieblingsplatz meines Vaters, aber der bevorzugteste war doch das große kissenreiche Schlafsofa, das zwischen dem Ofen mit den roten Glasurtropfen und der alten Gehäuse-Wanduhr stand. Diese Wanduhr ist jetzt in meinem Besitz. Mein Großvater und mein Vater sind bei ihrem Schlage gestorben, und ich will dasselbe tun. Über dem mit buntem Wollstoff überzogenen Sofa aber hing das noch nicht erwähnte Prachtstück aus der Erbschaft meines Großvaters, ein nach dem bekannten Bilde des Malers Cunningham gefertigter großer Kupferstich, der die Unterschrift führte: Frédéric le Grand retournant à Sanssouci après les manceuvres de Potsdam, accompagné de ses généraux. Wie oft habe ich vor diesem Bilde gestanden und dem alten Zieten unter seiner Husarenmütze ins Auge gesehen, vielleicht meinen Lieblingshelden in ihm vorahnend. Unter diesem Frédéric-le-Grand-Bilde aber und eingebettet in die Seegraskissen hielt mein Vater, der zu seinen vielen Prachteigenschaften auch die eines immer tüchtigen Schläfers hatte, seine Nachmittagsruhe, bei der er die Zeit nie ängstlich maß und sich oft erst erhob, wenn die Dunkelstunde schon da war. »Papa schläft wieder bis in die Nacht hinein.« Ich wurde dann, wenn gute Tage, das heißt Friedenszeiten waren, abgeschickt, ihn zu wecken, was ich immer gerne tat, weil er dabei nicht bloß von besonders guter Laune, sondern sogar von einer ihm sonst gar nicht eignen Zärtlichkeit gegen mich war. Ich mußte mich dann zu ihm setzen, und er plauderte mit mir, weit über meinen Kopf weg, über allerhand merkwürdige Sachen, die mich, vielleicht gerade deshalb, entzückten. Ich komme weiterhin auf diese wunderlichen und mir für mein Leben verbliebenen Gespräche zurück.

      Ja, das waren glückliche Stunden. Aber es kamen auch andere. Dann wurde ich nicht hineingeschickt, um ihn zu wecken, sondern ging aus eigenem Antriebe, um nach ihm zu sehen. Er lag dann auch ausgestreckt auf dem Sofa, aber auf seinen Arm gestützt, und sah durch das Gezweig eines vor dem Fenster stehenden schönen Nußbaumes in das über den Nachbarhäusern liegende Abendrot. Ein paar Fliegen summten um ihn her, sonst war alles still, vorausgesetzt, daß nicht gerade der Kohlenprovisor an seinem Mörser stand und stampfte. Wenn ich dann an das Sofa herantrat und seine Hand streichelte, sah ich, СКАЧАТЬ