Gesammelte Werke. Isolde Kurz
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Название: Gesammelte Werke

Автор: Isolde Kurz

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962812515

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СКАЧАТЬ des frau­en­ver­ach­ten­den al­ten Ju­den­tums vor, hin­ter der sich eine frü­he­re ed­le­re Ge­stalt ver­barg? Ich forsch­te nach Quel­len, aber al­les war ver­schüt­tet, nur un­ter dem Na­men der grie­chi­schen Ili­thyia, der ja einen güns­ti­gen Dä­mon be­zeich­net, soll­te so et­was wie ein An­klang her­aus­zu­hö­ren sein. Doch das ging mich im Grun­de nichts an, ich woll­te ja kei­ne My­then­for­schung trei­ben; um so mehr hat­te ich die Frei­heit, nach mei­ner Ein­ge­bung zu schal­ten. So schrieb ich das Ge­dicht »Die Kin­der der Li­lith«, worin ich ver­such­te, die Züge der Sage zu ei­ner Er­klä­rung des Welt­plans und sei­ner Wi­der­sprü­che um­zu­deu­ten.

      Gott war im Lau­fe der Äo­nen sei­ner wan­del­los voll­kom­me­nen En­gel­scha­ren und des ewig glei­chen Gan­ges al­ler Din­ge müde ge­wor­den. Jetzt lüs­tet ihn nach dem Un­voll­kom­me­nen, nach Wer­den, Wach­sen und Ver­ge­hen, er schafft die Pflan­zen­welt und al­les Ge­tier der Erde, aber sie be­frie­di­gen nicht sei­ne Sehn­sucht nach ei­nem We­sen, das wie er das All in der Brust trü­ge und wür­dig wäre sein Ge­fähr­te zu sein. So bil­det er aus ei­nem Er­denkloß den Men­schen und gibt ihm den hol­des­ten sei­ner Geis­ter, die lich­te, leich­te, mit Ster­nen wie mit Sei­fen­bla­sen spie­len­de Li­lith zur Ge­fähr­tin, dass sie mit tau­send Lieb­lich­kei­ten und Lau­nen den er­den­schwe­ren Adam zu schöp­fe­ri­schem Tun an­spor­ne. Aus dem täg­li­chen ver­lieb­ten Zwist und der Wie­der­ver­söh­nung der bei­den ent­ste­hen die An­fän­ge der Kunst, und es scheint, als soll­te der Mensch das Ziel der gött­li­chen Ab­sicht im Flu­ge er­rei­chen. Aber mit der von Gott nicht ge­woll­ten Eva tritt ihm ein Hemm­nis in den Weg, das den Ent­wick­lungs­plan durch­kreuzt. Als ein Stück von Adams Kör­per, dem er ge­zwun­gen ist, an­zu­han­gen, zieht sie ihn in sei­ne sinn­li­che Träg­heit zu­rück und zer­stört den ers­ten ju­gend­hol­den Lie­bes­bund. Li­lith, an dem ent­ar­te­ten Adam ver­zwei­felnd, ent­flieht, und Eden, die Stät­te ih­rer jun­gen Se­lig­keit, geht in Flam­men auf. Der Mensch, auf die Erde ver­bannt, muss mit der Men­schin ein sinn­li­ches, wöl­fi­sches Ge­schlecht er­zeu­gen, in dem sich Schuld und Stra­fe un­auf­lös­lich wei­ter ver­ket­ten, bis der Schöp­fer sei­nen Plan auf lan­gen Um­we­gen durch die Nach­kom­men der Li­lith doch ans Ziel führt. Ihr im Pa­ra­die­se ge­bo­re­ner, durch Se­ra­phim auf­ge­zo­ge­ner Sohn ist es, den Gott je und je in neu­er Ver­kör­pe­rung als Füh­rer sei­ner ge­rin­ge­ren Brü­der zur Erde schickt, ge­gen den sich aber auch die Kin­der der Eva im vor­aus zu­sam­men­rot­ten: »Er ist Ei­ner und wir sind vie­le«.

      Ich konn­te die Dich­tung eben noch un­ter Dach brin­gen, be­vor das ir­ren­de Le­ben wie­der be­gann. Und es war hohe Zeit, denn schon hat­te mein Müt­ter­lein, des­sen Un­ge­duld nicht war­ten konn­te, bis mir der Au­gen­blick reif­te, be­gon­nen, den Stoff, wie ich ihn mir um­ge­formt hat­te, un­ter die Men­schen zu tra­gen und zu sei­ner Be­ar­bei­tung an­zu­re­gen. Sie hat­te sich so­gar schon sel­ber in ih­rer feu­ri­gen Art dar­an ver­sucht, wenn auch in an­de­rem Sin­ne als dem von mir ge­plan­ten, in­dem sie den Wi­der­streit zwi­schen den Lie­ben­den als Kampf der Ge­schlech­ter um das glei­che Recht auf­fass­te, was an mei­ner Ab­sicht ne­ben­aus ging. Ich muss­te mich also spu­ten, woll­te ich nicht zu spät kom­men und mei­ne Er­fin­dung durch vor­an­ge­gan­ge­ne frem­de Be­ar­bei­tun­gen gar als Nach­ah­mung ge­stem­pelt se­hen. Freund Krö­ner, der ja ein Ver­le­ger von hö­he­rer Art war und dem Poe­ti­schen ge­gen­über nie ver­sag­te, nahm sich des Ge­dich­tes mit größ­ter Wär­me an und brach­te es auch gleich in an­spre­chen­der, nicht ver­al­ten­der Aus­stat­tung her­aus.

      Aber ich hat­te wie­der ein­mal ah­nungs­los in ein We­s­pen­nest ge­sto­chen. Ich wuss­te ja gar nicht, dass die We­s­pen der rück­stän­di­gen Männ­lich­keit noch so­viel Gift in ih­ren Sta­cheln hat­ten. Die männ­li­che Be­quem­lich­keit, die in dem Evas­typ über Kü­che und Al­ko­ven ihre Be­dürf­nis­se er­füllt sah, schnob vor Ent­rüs­tung; mei­ne er­staun­ten Ohren konn­ten so­gar aus sonst ver­stän­di­gem Mun­de die Be­haup­tung hö­ren, dass es ge­ra­de die dump­fe, erd­ge­bun­de­ne Frau sei, die den Mann zum größ­ten Auf­schwung be­flü­g­le, – schau­er­li­cher Irr­tum gleich dem des Al­ko­ho­li­kers, der zu schwe­ben glaubt, wäh­rend er tau­melt. An­de­re zeig­ten sich be­lei­digt, da für sie doch ein für al­le­mal das »Er soll dein Herr sein« zu gel­ten hat­te. So we­nig war noch in den Durch­schnitts­ge­hir­n­en der Sinn für Nietz­sches »Über­sich­hin­auf­bau­en« ge­reift. Ein Schul­mann, der als Kri­ti­ker An­se­hen ge­noss, schrieb in hä­mi­schem Tone eine von un­be­greif­li­chen Ge­häs­sig­kei­ten strot­zen­de Be­spre­chung. Ein großes Blatt, das eben erst aus be­deu­ten­der Frau­en­fe­der eine war­me An­zei­ge ge­bracht hat­te, fiel um und druck­te nun die­se, »da­mit auch eine an­de­re Stim­me zu Wort kom­me«. Der dem Buch zu­ge­füg­te Scha­den wur­de noch grö­ßer durch den Um­stand, dass auch Hey­se sich mit lei­den­schaft­li­cher Hef­tig­keit da­ge­gen wand­te. Er hat­te selbst in sei­nen »My­then und Mär­chen« eine ganz im al­ten Sin­ne des Tal­mud ge­fass­te »Li­lith« ge­dich­tet, Spät­ling ei­ner müde ge­wor­de­nen Fe­der, aber ihm viel­leicht ge­ra­de des­halb be­son­ders ans Herz ge­wach­sen; so konn­te er nicht wohl un­be­fan­gen ur­tei­len. Er er­klär­te die Poe­sie für nicht be­rech­tigt, eine Sa­gen­ge­stalt in ihr völ­li­ges Ge­gen­teil um­zu­deu­ten, was sich durch den blo­ßen Hin­weis auf Eu­ri­pi­des wi­der­le­gen ließ, der es hat­te wa­gen dür­fen, sei­nen Grie­chen die Ehe­bre­che­rin He­le­na als ein Mus­ter der Gat­ten­treue vor­zu­füh­ren. Mein Rück­schluss aus der »Frau Ve­nus« als mit­tel­al­ter­li­cher Teu­fe­lin­ne auf eine ähn­li­che Ver­zer­rung der Li­lith ins Dä­mo­ni­sche goss nur Öl ins Feu­er, weil man da­mals nicht ge­wohnt war, fest­ge­stell­te Män­ner­mei­nun­gen durch eine Frau sach­lich wi­der­le­gen zu hö­ren. Die­se Geg­ner­schaf­ten ge­reich­ten dem Buch zum dau­ern­den Scha­den, den auch der größ­te pri­va­te Bei­fall zu­stän­di­ger Rich­ter nicht aus­glei­chen konn­te, denn was sich zu sei­nen Guns­ten in der Öf­fent­lich­keit re­gen woll­te, wur­de ab­ge­bla­sen und das Ge­dicht dem Tot­schwei­gen über­ant­wor­tet.

      Ich hat­te kei­ne Zeit mich über das böse Schick­sal ei­nes mei­ner Lieb­lings­kin­der zu här­men, denn gleich setz­te der kal­te Sturm­wind mei­nes Le­bens, der mich un­auf­hör­lich in mei­nem In­fer­no um­her­trieb, wie­der ein. Wer je er­fah­ren hat, was es heißt, an je­dem Mor­gen beim Er­wa­chen nach dem Nach­bar­bett hin­über­zu­hor­chen, ob der ge­lieb­tes­te Mund noch atme oder ob die Stil­le, die eben von dort her­über­weht, schon die letz­te sei, wird mich ver­ste­hen.

      So wur­den die »Kin­der der Li­lith« die letz­te grö­ße­re Ar­beit, die ich zu Leb­zei­ten mei­nes Müt­ter­leins fer­tig­brach­te, ab­ge­se­hen von den »Flo­ren­ti­ni­schen Erin­ne­run­gen«, die ein Jahr spä­ter er­schie­nen, aber zum grö­ße­ren Teil schon frü­her in der glück­li­chen Via de’ Bar­di ge­schrie­ben wa­ren. Auch ent­stand noch ab und zu in Pau­sen der Krank­heit et­was Kür­ze­res, aber ich war doch wie ein Schwim­mer, der nur einen Arm ge­brau­chen kann, weil den an­de­ren eine ge­lieb­te Last an der Be­we­gung hin­dert. Dass ich nur un­ter dem un­mit­tel­ba­ren Zwang der Ein­ge­bung schrei­ben konn­te, mach­te jede ge­woll­te Aus­schlach­tung der er­lang­ten Ge­wandt­heit, die not­wen­dig den Druck des Au­gen­blicks hät­te zei­gen müs­sen, un­mög­lich. Das war in je­dem hö­he­ren Sin­ne mein Glück: »es has­set СКАЧАТЬ