Gesammelte Werke. Isolde Kurz
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Название: Gesammelte Werke

Автор: Isolde Kurz

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962812515

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СКАЧАТЬ Wie vie­le lie­be, be­glücken­de Grü­ße sind Tag für Tag an dem ro­ten Fa­den zu mir her­auf­ge­schwebt, wie vie­le er­he­ben­de Zu­ru­fe von un­be­kann­ten Sei­ten, oft aus den ent­le­gens­ten Räu­men un­se­res Glo­bus, wo Deut­sche woh­nen. Ich be­kam da­mals so­gar eine lei­se Ah­nung von dem Nach­teil des Ei­gen­tums, dass es das Le­ben zu wert­voll macht; je­der der ver­trau­ten Ge­gen­stän­de wur­de mir zu ei­ner zärt­li­chen Bin­dung, und zum ers­ten Mal däm­mer­te mir das Be­wusst­sein vom Flu­ge der Zeit, dem ich im­mer wie ein Kind ge­gen­über­ge­stan­den hat­te, und dass es trau­rig sein müs­se, ein­mal von all dem Lie­ben und Hol­den, das mich um­gab, zu schei­den. Über­haupt, war es nicht viel­leicht zu viel des Gu­ten, was mir da in ei­nem Jah­re zu­ge­fal­len war? Lau­er­ten nicht viel­leicht schon wie­der die Dä­mo­nen dar­auf, es zu zer­schla­gen? Ja, sie lau­er­ten nahe, aber noch war ihre Macht ge­bun­den. Ge­bun­den nicht in dem Sin­ne, dass nun rings­um ei­tel Son­nen­schein ge­we­sen wäre. Wenn die äu­ße­ren Be­dräng­nis­se aus­setz­ten, schuf sich das In­ne­re sei­ne Ge­s­pens­ter. Ich hat­te noch im­mer die nächt­li­chen Angst­träu­me der Ju­gend, die sich erst lang­sam bei vor­rücken­den Le­bens­jah­ren mil­der­ten oder im Au­gen­blick höchs­ter Stei­ge­rung durch frei­wil­li­ges Er­wa­chen ab­schnei­den lie­ßen. Und nie­mals konn­te ich den un­sicht­ba­ren Auf­nah­me­ap­pa­rat in mei­nem In­ne­ren ab­stel­len, der mir Un­heils­bot­schaf­ten oft­mals zu Un­recht zu­trug, wie sie im Raum um­schwir­ren mö­gen. Sie rühr­ten wie Not­ru­fe mei­ner ab­we­sen­den Lie­ben an mei­ne emp­find­li­chen An­ten­nen und ver­ur­sach­ten mir ban­ge Stun­den, wenn sie auch in Wahr­heit gar nicht mir gal­ten. Es bil­de­te einen Teil die­ser An­la­ge, dass man nicht leicht mit ei­nem Ge­heim­nis in der See­le vor mich tre­ten konn­te, ohne dass es sich mir auf nicht zu er­klä­ren­de Wei­se über­trug, wo­für ich ge­le­gent­lich erst Jah­re spä­ter die Be­stä­ti­gung er­hielt. Dass Men­schen von sol­cher Be­schaf­fen­heit nie eine völ­li­ge Gleich­ge­wichts­la­ge ge­nie­ßen, son­dern im­mer die schwan­ken­den Scha­len aus­zu­glei­chen su­chen müs­sen; liegt auf der Hand, wie auch, dass die Auf­ge­reg­ten, ganz Un­aus­ge­gli­che­nen, die auf Scho­nung an­ge­wie­sen sind, leich­tes Spiel mit ihm ha­ben; nur dass mir bei der frü­he ge­wohn­ten äu­ße­ren Be­herrscht­heit nicht leicht je­mand das ste­te Hor­chen auf die Nähe der Schick­sals­mäch­te an­sah. So wag­te ich nie­mals, auch jetzt nicht, den Fuß völ­lig fest im Le­ben auf­zu­set­zen. Und es ge­sch­ah zum Schutz ge­gen den Neid der Dä­mo­nen, dass ich an die neue Woh­nung nie die not­wen­di­ge letz­te Hand leg­te. Ich hielt mich für ge­si­cher­ter, wenn mir ge­nug zu wün­schen blieb. Zu­gleich be­griff ich aber auch, wie we­nig ge­mäß mir ein dau­ern­des Gleich­maß, ein ver­bürg­tes wan­del­lo­ses Wohl­er­ge­hen ge­we­sen wäre. Denn gleich mel­de­ten sich die Ge­s­pens­ter al­ler der Din­ge, de­nen man im Le­ben be­geg­nen könn­te, aber nie­mals be­geg­net, de­ren angst­vol­ler Be­klem­mung ich in den »Geis­tern der Wind­stil­le« Wor­te gab:

       Wie ein ge­spens­ti­sches Trau­er­spiel

       Weht’s dich an und um­hüllt dich mit Schau­ern,

       Alle Kraft ver­zehrt sich in Trau­ern

       Um ein Op­fer, das nir­gends fiel.

       Kennst du das Stück?

       Nein, und kennst der Spie­ler nicht einen,

       Aber wei­nen musst du und wei­nen

       Um ein ver­lo­re­nes

       Und doch nie be­ses­se­nes Glück.

       Eine Schuld, die du nicht be­gan­gen,

       Bleicht dir die Wan­gen,

       Ein Ver­gang­nes, das nie ge­we­sen,

       Hält dich und lässt dich nim­mer ge­ne­sen. – –

      Ge­gen sol­che in­ne­re Ver­fol­gung gab es kei­ne an­de­re Zuf­lucht als die ins Werk.

      *

      Das ers­te, was die Gunst der neu­en Woh­nung mir be­scher­te, war die Vollen­dung der »Stadt des Le­bens«. Dann form­te sich der In­halt ei­nes neu­en No­vel­len­ban­des, der un­ter dem nicht ganz ent­spre­chen­den Ti­tel »Le­bens­flu­ten« bei Cot­ta er­schi­en. Er soll­te zu­vor »Den Strom hin­un­ter« hei­ßen nach der An­fangs­er­zäh­lung, die die­sen Ti­tel im dop­pel­ten Sin­ne trug. Aber Hey­se bat mich, dar­auf zu ver­zich­ten, weil er selbst im Be­grif­fe ste­he, ein No­vel­len­buch un­ter die­ser Flag­ge se­geln zu las­sen. Die Rück­sicht­nah­me war selbst­ver­ständ­lich, aber ich ge­riet in Ver­le­gen­heit um einen neu­en Ti­tel, bis man sich nach wie­der­hol­ter Ver­hand­lung mit dem bei­der­sei­ti­gen Ver­le­ger, der kein an­de­rer war als der alte Freund Krö­ner, jetzt Cot­ta Nach­fol­ger, sich auf »Le­bens­flu­ten« ei­nig­te, ein Not­be­helf, der von dem wech­sel­vol­len In­halt nichts aus­sa­gen konn­te als das wech­sel­vol­le Spiel des Le­bens selbst.

      In dem stil­len Glas­ge­mach, beim Rin­nen des Arno, wäh­rend das nächt­li­che Flo­renz im Ster­nen­schim­mer lag, füg­te sich mir nach und nach die zwei­te Fol­ge mei­ner Ge­dich­te. Man­ches da­von war schon in den gu­ten Jah­ren am Pog­gio Im­pe­ria­le ent­stan­den. Im­mer wenn der zar­te Geist der Lie­der auf sei­nen Schmet­ter­lings­flü­geln er­schi­en, den das Tun des Ta­ges so ger­ne ver­scheucht, muss­te auf Wo­chen die Fe­der, die Pro­sa schrieb, ru­hen, denn er brach­te sei­ne Ga­ben nie ver­ein­zelt, son­dern reih­te sie, Hei­te­res und Erns­tes, in viel­far­bi­gen Ket­ten auf. Er war noch im­mer gleich lau­nen­haft und gleich er­fül­lend. Ru­fen ließ er sich nicht gern, denn es bleibt im­mer et­was Un­wäg­ba­res um das Ge­dicht, und was ich in ah­nen­der Ju­gend dar­über ge­sagt hat­te: »Von Men­schen ist es nicht ge­macht, es wächst mit andrem Blu­men­flo­re, ge­fun­den wird’s und nicht er­dacht«, das be­stand mir noch im­mer in ge­wis­sem Sin­ne zu Recht. Das Ge­dicht kommt viel wei­ter her, als Un­ein­ge­weih­te ah­nen, und es ist frü­her als sein mensch­li­cher An­lass. Die­ser lockt es nur her­vor, aber es braucht ihm gar nicht ge­nau zu ent­spre­chen, wie ja män­nig­lich be­kannt, dass Goe­thes Lied an den Mond: »Fül­lest wie­der …« durch den Selbst­mord ei­nes jun­gen Mäd­chens, das ihn per­sön­lich nichts an­ging, ver­an­lasst wur­de. Zu­wei­len tritt es gar stück­wei­se her­aus, Jah­re kön­nen da­zwi­schen lie­gen, bis die ge­trenn­ten Glie­der sich von selbst zu­sam­men­fü­gen. So stand ich ein­mal hoch oben in den Apua­ni­schen Al­pen am Fens­ter mei­nes Gast­hofs und sah in die Mond­nacht hin­aus. Da sprach eine Stim­me in mir selbst den Vers:

       Jede Nacht hört sie’s vor­über­tra­ben,

       Jede Nacht den Rei­ter mit dem Kna­ben –

      Ich horch­te auf und be­gann der Stim­me nach­zu­ge­hen, aber sie schwieg und gab nichts wei­ter her. Durch Jah­re konn­te ich nicht er­fah­ren, was es mit dem Rei­ter und dem Kna­ben für eine Be­wandt­nis habe. Nach­den­ken half nichts, es weh­te viel­mehr die Schmet­ter­lings­flü­gel weit hin­weg; der Fund muss­te sich er­eig­nen. Und er er­eig­ne­te sich wirk­lich ganz plötz­lich ein­mal im Zug ei­ner wo­chen­lan­gen ly­ri­schen Er­re­gung, nach­dem schon eine Rei­he von an­de­ren Ge­dich­ten СКАЧАТЬ