Gesammelte Werke. Isolde Kurz
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Gesammelte Werke - Isolde Kurz страница 222

Название: Gesammelte Werke

Автор: Isolde Kurz

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962812515

isbn:

СКАЧАТЬ er­trägt das sterb­li­che Ge­müt nicht auf die Dau­er; aus der wei­ßen Lee­re griff es wie mit Ar­men nach mir –sei’s, dass eine rät­sel­haf­te Fuß­spur im Sand mich jäh ver­wirr­te, sei’s, dass ein aus wei­ter Fer­ne her­an­se­geln­des Pi­ra­ten­schiff Skla­ve­rei und Un­ter­gang droh­te, im­mer muss­te ich mich aus der Ver­zau­be­rung bald wie­der in den Schutz des Hau­ses flüch­ten. – Er­höh­tes­te und zu­gleich un­wirk­lichs­te, ich­lo­ses­te Form des Da­seins, letz­te Ent­rückung aus der Uhren­welt, kaum in Wor­te der Dich­tung zu fas­sen:

       Zur Zeit, wenn laut­los selbst die Wel­le ruht

       Und nichts le­ben­dig ist als Licht und Glut,

       Am blau­en Meer­ge­sta­de tief al­lein

       Im Mit­tags­we­ben ist mein wah­res Sein.

       Kein Luft­hauch. Die Li­bel­le schläft im Schilf.

       Auf lo­ser Ran­ke träumt der müde Sylph,

       Nur der Zi­ka­de end­los schril­ler Klang

       Durch­tönt die Wei­te wie mit Geis­ter­sang.

       Da webt der Mit­tag zau­bri­sches Ge­sicht,

       Die Din­ge ste­hen kör­per­los im Licht.

       Ich selbst, ein Sche­men, luf­tig, weiß und stumm,

       Mit an­dern Mit­tags­geis­tern geh ich um.

       Die trun­ke­ne See­le kennt sich selbst nicht mehr.

       Das Ich ver­sank und was ist jetzt noch schwer?

       Ich bin ein Rauch, der sich vom Bo­den hebt,

       Ein Son­nen­fal­ter, der ins Blau ver­schwebt.

       Es fällt die Schran­ke, die vom All mich trennt,

       Was mein ge­we­sen, strömt ins Ele­ment,

       Und leicht wie Wölk­chen an der Al­pen Saum

       Lös’ ich mich auf, ein kur­z­er Mit­tags­traum.

      Wenn ich jetzt gleich­sam mit halb­ge­schlos­se­nen Au­gen über die frü­hen Jah­re in For­te hin­blinz­le – es wa­ren ja bloß die lan­gen Som­mer, aber sie war­fen ih­ren Glanz über das gan­ze Jahr –, so sehe ich sie nur als einen ein­zi­gen Strom von Licht: was von Er­den­weh auch da hin­ein­ge­schlun­gen war, ist weg­ge­spült. Fas­se ich aber die Ein­zel­hei­ten ins Auge, so fin­de ich frei­lich wie­der die alte Not. Lä­cher­lich zu sa­gen: auch in dem selbst­ge­bau­ten Haus wie einst in dem ge­kauf­ten war für al­les an­de­re eher ge­sorgt als für mei­ne Ar­beits­ru­he und mein Be­ha­gen. Der Bru­der hat­te für mich das Haus klein ge­wollt, da­mit ich vor Um­trieb ge­schützt sei; jetzt war das Haus klein, aber der Um­trieb kam doch und war in dem en­gen Rau­me um so stö­ren­der. Al­ler Freun­des- und Fa­mi­li­en­ver­kehr zog sich da her­ein, jung und alt woll­te zu der Non­na! Das brei­te, weit of­fe­ne Por­tal lud schon sel­ber zum Ein­tritt. Wenn der Hit­ze we­gen alle Tü­ren of­fen­ste­hen muss­ten, war an eine Ab­son­de­rung gar nicht zu den­ken. Ich hat­te ge­ra­de die »Stadt des Le­bens« un­ter den Hän­den, eine Ar­beit, die viel Samm­lung und in­ne­re Span­nung er­for­der­te. Ich nahm da­mit den Plan wie­der auf, der in mei­ner flo­ren­ti­ni­schen Früh­zeit, ohne dass ich da­mals sei­ne Trag­wei­te ahn­te, für mei­nen Le­bens­weg ent­schei­dend ge­wor­den war, und ich sah nun ein, wie nö­tig es war, dass es nicht frü­her ge­sch­ah. Ich tauch­te mit rei­fe­rem Wol­len noch ein­mal tief in das Flo­renz des fünf­zehn­ten und sech­zehn­ten Jahr­hun­derts hin­ein. Ich woll­te auch hier we­ni­ger den li­nea­ren Ablauf ge­ben, als die großen Per­sön­lich­kei­ten, in de­nen der Zeit­geist sich ver­kör­per­te, in ih­rer le­ben­di­gen Ge­gen­wart dar­stel­len. Das An­fangs­ka­pi­tel »Lo­ren­zo il Ma­g­ni­fi­co«, wo­für ich so­gar einen Teil der al­ten Un­ter­la­gen ver­än­dert und er­gänzt noch brau­chen konn­te, brach­te ich schon fer­tig mit; jetzt ging es in den nach­fol­gen­den Ka­pi­teln: Die »Bel­la Si­mo­net­ta« und »Die Me­di­ce­i­sche Ta­fel­run­de«, die ich mir für For­te auf­ge­spart hat­te, um das Tie­fe­re, die Welt, die jene Groß­grund­be­sit­zer des Geis­tes sich schu­fen, wenn sie au­ßer­halb des Zeit­ge­sche­hens, das sie selbst be­wirk­ten, ih­ren »ei­gent­li­chen Tag« le­ben woll­ten. Denn das gol­de­ne Zeit­al­ter, das man das me­di­ce­i­sche nennt, hat es ja in Wirk­lich­keit nie ge­ge­ben, so we­nig wie das pe­ri­kle­i­sche, und doch sind bei­de in der Ge­schich­te des mensch­li­chen Geis­tes strah­len­de, un­ver­gäng­li­che Wahr­hei­ten. Der Ti­tel mach­te Schwie­rig­kei­ten, un­ter dem ich die Ein­zelauf­sät­ze zu­sam­men­fas­sen woll­te; Su­chen und Nach­den­ken för­der­te wie ge­wöhn­lich nichts, bis er mir ei­nes Ta­ges als Ge­schenk vom Him­mel fiel. War der Griff auch ge­wagt, so schlug er doch ein, denn er drück­te das aus, was ich sa­gen woll­te, da­her spä­ter vie­le glaub­ten, »Die Stadt des Le­bens« sei ein über­lie­fer­ter Schmuck und Ehren­ti­tel für das Flo­renz der Re­naissance. Die Bild­bei­la­gen mach­ten bei der fort­ge­schrit­te­nen fo­to­gra­fi­schen Tech­nik kei­ne Schwie­rig­kei­ten mehr, und so konn­te ich jetzt das Er­leb­nis vor­be­rei­ten, das ich in küh­ner Ju­gend­hoff­nung vor­aus­ge­nom­men hat­te, mein Buch als Füh­rer zu den großen Ta­gen von Flo­renz in den Hän­den der deut­schen Rei­sen­den zu se­hen.

      Mein Ar­beits­frie­de in For­te dau­er­te so lan­ge, bis das klei­ne Se­gel­boot, das Ed­gar sich nach ei­ge­nen An­ga­ben in Li­vor­no bau­en ließ, fer­tig war und von nun an mit sei­nem Be­sit­zer täg­lich drau­ßen auf dem Mee­re schwamm. Weil er al­les an­ders ha­ben woll­te als an­de­re, hat­te er sich eine ei­ge­ne Ta­ke­lung aus­ge­dacht, die er auf be­son­de­re Wei­se re­gier­te. Bei sei­nem Scharf­sinn ge­lang ihm auch dies, nur dass man nie wuss­te, wie sich in kri­ti­schen Au­gen­bli­cken sei­ne Ein­rich­tung, an der im­mer ge­bas­telt wer­den muss­te, be­wäh­ren wür­de. Für star­ken See­gang war das schlan­ke, ele­gan­te Boot oh­ne­hin zu leicht. Drein­re­den ließ er sich nicht, und sei­ne Mut­ter wag­te auch gar nicht, ihn mit ih­rer na­gen­den Angst zu be­läs­ti­gen; er wür­de ja doch nicht nach­ge­ge­ben ha­ben, nur die Freu­de wäre ihm ver­dor­ben wor­den, und der Ver­druss hät­te ihn zu ver­mehr­ter Wag­hal­sig­keit ver­an­lasst. Aber so oft das arme Mut­ter­herz sein Se­gel in der Fer­ne kreu­zen sah, jag­te die Un­ru­he sie trepp­auf trepp­ab, Zim­mer aus und ein, dann wur­de ich ohne Gna­de vom Schreib­tisch auf­ge­trie­ben und muss­te mit hin­un­ter an den Strand. Was ich da soll­te – das Boot be­schwö­ren, dass es nicht ken­te­re, die Wel­len, dass sie sei­nen Herrn nicht schä­dig­ten? das wuss­te sie so we­nig wie ich. Hät­te sie gar er­fah­ren, was sie nie er­fuhr, dass er ei­nes Ta­ges, weit ent­fernt von der Küs­te, beim Han­tie­ren mit dem Se­gel über Bord stürz­te, wäh­rend das Boot weiter­schoss! Zum Glück konn­te er es beim Wie­der­auf­tau­chen von hin­ten noch fas­sen und sich wie­der hin­auf­zie­hen, denn er war am Bug ab­ge­stürzt, sonst wäre je­nes Ta­ges wirk­lich das klei­ne Schiff­lein ohne sei­nen Herrn auf­ge­fischt wor­den. – Arme »Stadt des Le­bens«, wie soll es dir er­ge­hen? Es war oh­ne­hin eine Auf­ga­be, bei die­sem Baro­me­ter­stand, den alle an­de­ren zur Rast und Er­ho­lung be­nütz­ten, zu ar­bei­ten, СКАЧАТЬ