Название: Gesammelte Werke
Автор: Isolde Kurz
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962812515
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Zur Zeit, wenn lautlos selbst die Welle ruht
Und nichts lebendig ist als Licht und Glut,
Am blauen Meergestade tief allein
Im Mittagsweben ist mein wahres Sein.
Kein Lufthauch. Die Libelle schläft im Schilf.
Auf loser Ranke träumt der müde Sylph,
Nur der Zikade endlos schriller Klang
Durchtönt die Weite wie mit Geistersang.
Da webt der Mittag zaubrisches Gesicht,
Die Dinge stehen körperlos im Licht.
Ich selbst, ein Schemen, luftig, weiß und stumm,
Mit andern Mittagsgeistern geh ich um.
Die trunkene Seele kennt sich selbst nicht mehr.
Das Ich versank und was ist jetzt noch schwer?
Ich bin ein Rauch, der sich vom Boden hebt,
Ein Sonnenfalter, der ins Blau verschwebt.
Es fällt die Schranke, die vom All mich trennt,
Was mein gewesen, strömt ins Element,
Und leicht wie Wölkchen an der Alpen Saum
Lös’ ich mich auf, ein kurzer Mittagstraum.
Wenn ich jetzt gleichsam mit halbgeschlossenen Augen über die frühen Jahre in Forte hinblinzle – es waren ja bloß die langen Sommer, aber sie warfen ihren Glanz über das ganze Jahr –, so sehe ich sie nur als einen einzigen Strom von Licht: was von Erdenweh auch da hineingeschlungen war, ist weggespült. Fasse ich aber die Einzelheiten ins Auge, so finde ich freilich wieder die alte Not. Lächerlich zu sagen: auch in dem selbstgebauten Haus wie einst in dem gekauften war für alles andere eher gesorgt als für meine Arbeitsruhe und mein Behagen. Der Bruder hatte für mich das Haus klein gewollt, damit ich vor Umtrieb geschützt sei; jetzt war das Haus klein, aber der Umtrieb kam doch und war in dem engen Raume um so störender. Aller Freundes- und Familienverkehr zog sich da herein, jung und alt wollte zu der Nonna! Das breite, weit offene Portal lud schon selber zum Eintritt. Wenn der Hitze wegen alle Türen offenstehen mussten, war an eine Absonderung gar nicht zu denken. Ich hatte gerade die »Stadt des Lebens« unter den Händen, eine Arbeit, die viel Sammlung und innere Spannung erforderte. Ich nahm damit den Plan wieder auf, der in meiner florentinischen Frühzeit, ohne dass ich damals seine Tragweite ahnte, für meinen Lebensweg entscheidend geworden war, und ich sah nun ein, wie nötig es war, dass es nicht früher geschah. Ich tauchte mit reiferem Wollen noch einmal tief in das Florenz des fünfzehnten und sechzehnten Jahrhunderts hinein. Ich wollte auch hier weniger den linearen Ablauf geben, als die großen Persönlichkeiten, in denen der Zeitgeist sich verkörperte, in ihrer lebendigen Gegenwart darstellen. Das Anfangskapitel »Lorenzo il Magnifico«, wofür ich sogar einen Teil der alten Unterlagen verändert und ergänzt noch brauchen konnte, brachte ich schon fertig mit; jetzt ging es in den nachfolgenden Kapiteln: Die »Bella Simonetta« und »Die Mediceische Tafelrunde«, die ich mir für Forte aufgespart hatte, um das Tiefere, die Welt, die jene Großgrundbesitzer des Geistes sich schufen, wenn sie außerhalb des Zeitgeschehens, das sie selbst bewirkten, ihren »eigentlichen Tag« leben wollten. Denn das goldene Zeitalter, das man das mediceische nennt, hat es ja in Wirklichkeit nie gegeben, so wenig wie das perikleische, und doch sind beide in der Geschichte des menschlichen Geistes strahlende, unvergängliche Wahrheiten. Der Titel machte Schwierigkeiten, unter dem ich die Einzelaufsätze zusammenfassen wollte; Suchen und Nachdenken förderte wie gewöhnlich nichts, bis er mir eines Tages als Geschenk vom Himmel fiel. War der Griff auch gewagt, so schlug er doch ein, denn er drückte das aus, was ich sagen wollte, daher später viele glaubten, »Die Stadt des Lebens« sei ein überlieferter Schmuck und Ehrentitel für das Florenz der Renaissance. Die Bildbeilagen machten bei der fortgeschrittenen fotografischen Technik keine Schwierigkeiten mehr, und so konnte ich jetzt das Erlebnis vorbereiten, das ich in kühner Jugendhoffnung vorausgenommen hatte, mein Buch als Führer zu den großen Tagen von Florenz in den Händen der deutschen Reisenden zu sehen.
Mein Arbeitsfriede in Forte dauerte so lange, bis das kleine Segelboot, das Edgar sich nach eigenen Angaben in Livorno bauen ließ, fertig war und von nun an mit seinem Besitzer täglich draußen auf dem Meere schwamm. Weil er alles anders haben wollte als andere, hatte er sich eine eigene Takelung ausgedacht, die er auf besondere Weise regierte. Bei seinem Scharfsinn gelang ihm auch dies, nur dass man nie wusste, wie sich in kritischen Augenblicken seine Einrichtung, an der immer gebastelt werden musste, bewähren würde. Für starken Seegang war das schlanke, elegante Boot ohnehin zu leicht. Dreinreden ließ er sich nicht, und seine Mutter wagte auch gar nicht, ihn mit ihrer nagenden Angst zu belästigen; er würde ja doch nicht nachgegeben haben, nur die Freude wäre ihm verdorben worden, und der Verdruss hätte ihn zu vermehrter Waghalsigkeit veranlasst. Aber so oft das arme Mutterherz sein Segel in der Ferne kreuzen sah, jagte die Unruhe sie treppauf treppab, Zimmer aus und ein, dann wurde ich ohne Gnade vom Schreibtisch aufgetrieben und musste mit hinunter an den Strand. Was ich da sollte – das Boot beschwören, dass es nicht kentere, die Wellen, dass sie seinen Herrn nicht schädigten? das wusste sie so wenig wie ich. Hätte sie gar erfahren, was sie nie erfuhr, dass er eines Tages, weit entfernt von der Küste, beim Hantieren mit dem Segel über Bord stürzte, während das Boot weiterschoss! Zum Glück konnte er es beim Wiederauftauchen von hinten noch fassen und sich wieder hinaufziehen, denn er war am Bug abgestürzt, sonst wäre jenes Tages wirklich das kleine Schifflein ohne seinen Herrn aufgefischt worden. – Arme »Stadt des Lebens«, wie soll es dir ergehen? Es war ohnehin eine Aufgabe, bei diesem Barometerstand, den alle anderen zur Rast und Erholung benützten, zu arbeiten, СКАЧАТЬ