Gesammelte Werke. Isolde Kurz
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Название: Gesammelte Werke

Автор: Isolde Kurz

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962812515

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СКАЧАТЬ sie Mut­ter ei­nes schö­nen be­gab­ten Mä­del­chens war, half ihr nicht tiefe­re Wur­zeln schla­gen, gab ihr aber große Macht über das zärt­li­che Va­ter­herz. Es war rüh­rend, wie der alte Ego­zen­tri­ker und ge­bo­re­ne Jung­ge­sel­le sich be­müh­te, ein gu­ter Gat­te und Va­ter zu sein. Er spar­te, ging wie­der zu Fuß oder be­nütz­te ein Fahr­rad und schränk­te sei­ne per­sön­li­chen Be­dürf­nis­se ein, um sei­nen Lie­ben alle Wün­sche zu ge­wäh­ren. Aber kein Fun­ke sprang ihm ent­ge­gen. Was half es nun, dass er »sel­ber See­le ge­nung« hat­te, wenn er in der Teil­ha­be­rin sei­nes Le­bens kei­ne er­we­cken konn­te. Es schnitt al­len, die ihn lieb­ten, ins Herz, dass der hoch­flie­gen­de Geist an die­se Luft­schicht ge­bun­den war. Aber leb­te er wirk­lich in die­ser Luft­schicht? Bei Ti­sche sa­ßen sich die bei­den stumm ge­gen­über, weil er in sein Merk­buch wis­sen­schaft­li­che Ein­tra­gun­gen mach­te. Sonst ver­brach­te er den Tag in sei­nem Be­ruf. Was ihm die Ehe ver­sag­te, fand er nach wie vor bei der Freund­schaft: der ita­lie­ni­sche Kol­le­ge brach­te ihm all das Ein­ge­hen und die wär­me­n­de Auf­merk­sam­keit ent­ge­gen, die dem Lie­be­be­dürf­ti­gen in sei­nem ei­ge­nen Haus­stand man­gel­ten. Ein klei­nes Be­geb­nis aus der Po­liam­bu­lanz, der ge­mein­sa­men Grün­dung der bei­den Ärz­te, ist für die­se stän­di­ge Für­sor­ge so be­zeich­nend, dass es hier als hei­te­res Zwi­schen­spiel un­ter all den Trüb­nis­sen sei­nen Platz fin­den möge. Ei­nes Ta­ges, als Ed­gar sich zu ei­ner ver­ant­wor­tungs­vol­len Ope­ra­ti­on an­schick­te, wur­de auf der Pi­az­za San­ta Tri­ni­ta ge­ra­de un­ter den Fens­tern der Po­liam­bu­lanz ein Wa­gen voll schwe­rer Stei­ne ab­ge­la­den, und eine An­zahl städ­ti­scher Ar­bei­ter schick­te sich an, das Pflas­ter auf­zu­rei­ßen. Dem ner­vö­sen Ed­gar tra­ten die Au­gen aus dem Kopf. Aber Van­zet­ti mein­te: Das wol­len wir gleich ha­ben, stieg die Trep­pe hin­un­ter und rief: Was macht ihr denn da, Leu­te, wozu der Lärm? Die Ar­bei­ter ent­schul­dig­ten sich, sie sei­en vom Mu­ni­ci­pi­um ge­schickt, um das Pflas­ter zu er­neu­ern. Aber doch nicht hier, ant­wor­te­te Van­zet­ti, ihr seid im Irr­tum. In der Via Fie­so­la­na, Num­mer so­und­so (er nann­te eine der ab­ge­le­gens­ten), da seid ihr er­war­tet. Die Ar­bei­ter lie­ßen sich über­zeu­gen, lu­den ihre Stei­ne wie­der auf und zo­gen un­ter vie­len Ent­schul­di­gun­gen we­gen der Stö­rung ab. Be­vor die Gef­opp­ten zu­rück sein konn­ten, war die Ope­ra­ti­on fer­tig, der Kran­ke ver­bun­den und die ärzt­li­chen Ner­ven be­ru­higt.

      Ich be­saß jetzt von mei­ner gan­zen Gar­ten­front nur noch das ebener­di­ge klei­ne Dop­pel­zim­mer dem Gra­nat­baum ge­gen­über. Die­ses war zum Ar­bei­ten nie son­der­lich be­quem ge­we­sen; man muss­te den Schreib­tisch an die Glas­tür rücken des Lich­tes we­gen, und dann wur­de man vom Gar­ten aus ge­se­hen. Auch brach dort zu ei­ner be­stimm­ten Ta­ges­zeit in mei­ne Stil­le das Donner­ge­tös ei­nes im Kel­ler ge­ra­de un­ter mir be­find­li­chen Pump­werks, mit­telst des­sen das zum Haus­halt nö­ti­ge Was­ser in ein großes Be­cken ge­pumpt wur­de, denn eine Was­ser­lei­tung im Hau­se, das gab es zur Zeit in Flo­renz noch nicht. Die­ses Pump­werk hat­te mich schon, wäh­rend ich an dem »Hei­li­gen Se­bas­ti­an« schrieb, in die über dem Stall ge­le­ge­ne lee­re Kam­mer des un­ter­des­sen ent­las­se­nen Kut­schers ge­trie­ben, die auf ei­ner Lei­ter er­stie­gen wer­den muss­te und we­nig mehr als ein Bret­ter­ver­schlag war. Aber auch die­se Kam­mer war mitt­ler­wei­le in einen Um­bau ein­be­zo­gen wor­den, durch den der Schlaf­raum der jun­gen Frau in dem obe­ren Stock­werk er­wei­tert wur­de. Nichts­de­sto­we­ni­ger ver­fiel kin­di­sche Grau­sam­keit auf ein Mit­tel, mir auch das Dop­pel­zim­mer­chen zu ver­lei­den, in­dem sie sich wäh­rend mei­ner Ar­beits­stun­den vor mei­ne Glas­tür setz­te und mit ih­rer Dienst­magd lau­te Zwie­spra­che pflog. Mama zu­lie­be sah ich noch­mals durch die Fin­ger und ver­leg­te mei­nen Schwer­punkt von der Gar­ten­front weg nach der Sei­ten­front des Hau­ses, die auf die enge, stau­bi­ge, von Lärm dröh­nen­de Ar­beits­s­tra­ße ging. Aber das Miss­trau­en der kran­ken See­le ge­gen die hei­le, der Groll des un­geis­ti­gen Men­schen ge­gen den geis­ti­gen war nicht ein­zu­schlä­fern. Denn es glomm da ein von müt­ter­li­cher Sei­te er­erb­ter wir­rer Fun­ke, der bei ihr le­bens­lang ge­bun­den blieb und nur je und je als Ver­fol­gungs­trieb durch­brach, wo­bei sie sich ih­rer­seits für die Ver­folg­te hielt und, was an­de­ren zu­lei­de ge­sch­ah, sel­ber zu er­lei­den mein­te. Er rich­te­te sich auch nicht ge­gen mich al­lein, son­dern ge­gen sämt­li­che An­ver­wand­te ih­res Man­nes. Ich war nur als die räum­lich Nächs­te und durch den lei­di­gen Mit­be­sitz an das Haus Ge­bun­de­ne dem am meis­ten aus­ge­setzt. Zwar hat­ten sich ihre El­tern gleich zu An­fang er­bo­ten, mir mei­nen Hau­san­teil zu­rück­zu­zah­len, aber ich lehn­te ab, um mei­nen Bru­der nicht in Ab­hän­gig­keit von den neu­en Ver­wand­ten zu brin­gen, die ihm in­ner­lich so un­ver­wandt wa­ren. Auch lag mir dar­an, für Mama, die an dem Hau­se hing, die ver­blie­be­nen Räu­me vor­erst noch zu er­hal­ten. Sie sah es jetzt erst recht für ihr Mut­ter­amt an, Ed­gar nahe zu sein, um ihm die man­geln­de häus­li­che Wär­me und Für­sor­ge zu er­set­zen. Den gan­zen Tag freu­te sie sich auf den Au­gen­blick, wo er spät noch an ihr Bett kam, ihr Gute Nacht zu sa­gen; wenn nächt­li­cher­wei­le die Klin­gel des Arz­tes ging, so stand sie heim­lich mit auf und war­te­te in dem dunklen Gar­ten sei­nen Auf­bruch ab, als ob er ihr in den Krieg zöge. Und an den sel­te­nen Mor­gen, wo er aus­schla­fen durf­te, husch­te sie in sein ab­ge­le­ge­nes Schlaf­stüb­chen hin­auf, das noch im­mer das alte war, und saß war­tend an sei­nem La­ger, bis er die Au­gen auf­tat, die sie an die ge­lieb­ten Au­gen sei­nes Va­ters er­in­ner­ten. Denn auch die­ser Her­be, Stol­ze war, so we­nig er sich’s mer­ken ließ, ein lie­be­be­dürf­ti­ges Mut­ter­kind, das dank­bar war, im ei­ge­nen Heim nicht er­frie­ren zu müs­sen. Sie aber mach­te das Ge­fühl ih­rer Unent­behr­lich­keit na­he­zu im­mun ge­gen die un­ge­sun­de At­mo­sphä­re des Hau­ses. Zu­dem ku­gel­te jetzt ein gan­zes Häuf­lein Kin­der in Haus und Gar­ten – auch Al­fred sand­te je­weils sei­ne bei­den zu der Non­na –, und Kin­der wa­ren ihre Se­lig­keit. Auch mir ha­ben sie lan­ge Zeit das Uner­träg­li­che er­träg­lich ge­macht, denn der Atem der Kind­heit wirkt luftrei­ni­gend. Und die Kin­der ge­hör­ten, wem sie sel­ber woll­ten, um sie gab es kei­ne Ei­fer­sucht. Es war köst­lich, sich mit ih­nen zu bal­gen und im Kin­der­land zu sein, ich seg­ne­te mich nur je­den Tag, dass ich sie nicht zu er­zie­hen brauch­te. Eine Schild­krö­te, die des Nach­mit­tags pünkt­lich zur Tee­stun­de an mei­ne Gar­ten­tür poch­te und sich ar­tig zum Tee­tisch setz­te, um ih­ren ge­wohn­ten Lecker­bis­sen zu emp­fan­gen, ge­hör­te mit in die klei­ne Ge­sell­schaft. Mit schwar­zen, afri­ka­nisch aus­staf­fier­ten Pup­pen wur­de die Emin-Pa­scha-Ex­pe­di­ti­on vor­ge­stellt, die da­mals die gan­ze Kul­tur­welt in Auf­re­gung hielt und von mir mit atem­lo­sem An­teil ver­folgt wur­de, wie zu­vor schon der Zug St­an­leys durch den dunklen Erd­teil und sei­ne Auf­fin­dung Li­ving­sto­nes mich be­geis­tert hat­ten, – herz­er­fri­schen­de Er­eig­nis­se, von de­nen ich mir eine Ver­jün­gung un­se­rer gan­zen alt­ge­wor­de­nen Zi­vi­li­sa­ti­on er­hoff­te. Deutsch­lands ers­te ko­lo­nia­le Er­wer­bun­gen wur­den von mir mit Ju­bel be­grüßt wie lau­ter of­fe­ne Fens­ter aus der Stick­luft ins Freie. Es war die ein­zi­ge Zeit mei­nes Le­bens, wo ich mir ge­wünscht hät­te, sel­ber Kin­der zu ha­ben, ein hal­b­es Dut­zend Söh­ne, die ich alle zu For­schungs­hel­den hät­te er­zie­hen mö­gen. So muss­te ich mich be­gnü­gen, dass ich die Klei­nen mei­ner Brü­der hat­te, de­nen ich in ih­rer СКАЧАТЬ