Название: Gesammelte Werke
Автор: Isolde Kurz
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962812515
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Ich besaß jetzt von meiner ganzen Gartenfront nur noch das ebenerdige kleine Doppelzimmer dem Granatbaum gegenüber. Dieses war zum Arbeiten nie sonderlich bequem gewesen; man musste den Schreibtisch an die Glastür rücken des Lichtes wegen, und dann wurde man vom Garten aus gesehen. Auch brach dort zu einer bestimmten Tageszeit in meine Stille das Donnergetös eines im Keller gerade unter mir befindlichen Pumpwerks, mittelst dessen das zum Haushalt nötige Wasser in ein großes Becken gepumpt wurde, denn eine Wasserleitung im Hause, das gab es zur Zeit in Florenz noch nicht. Dieses Pumpwerk hatte mich schon, während ich an dem »Heiligen Sebastian« schrieb, in die über dem Stall gelegene leere Kammer des unterdessen entlassenen Kutschers getrieben, die auf einer Leiter erstiegen werden musste und wenig mehr als ein Bretterverschlag war. Aber auch diese Kammer war mittlerweile in einen Umbau einbezogen worden, durch den der Schlafraum der jungen Frau in dem oberen Stockwerk erweitert wurde. Nichtsdestoweniger verfiel kindische Grausamkeit auf ein Mittel, mir auch das Doppelzimmerchen zu verleiden, indem sie sich während meiner Arbeitsstunden vor meine Glastür setzte und mit ihrer Dienstmagd laute Zwiesprache pflog. Mama zuliebe sah ich nochmals durch die Finger und verlegte meinen Schwerpunkt von der Gartenfront weg nach der Seitenfront des Hauses, die auf die enge, staubige, von Lärm dröhnende Arbeitsstraße ging. Aber das Misstrauen der kranken Seele gegen die heile, der Groll des ungeistigen Menschen gegen den geistigen war nicht einzuschläfern. Denn es glomm da ein von mütterlicher Seite ererbter wirrer Funke, der bei ihr lebenslang gebunden blieb und nur je und je als Verfolgungstrieb durchbrach, wobei sie sich ihrerseits für die Verfolgte hielt und, was anderen zuleide geschah, selber zu erleiden meinte. Er richtete sich auch nicht gegen mich allein, sondern gegen sämtliche Anverwandte ihres Mannes. Ich war nur als die räumlich Nächste und durch den leidigen Mitbesitz an das Haus Gebundene dem am meisten ausgesetzt. Zwar hatten sich ihre Eltern gleich zu Anfang erboten, mir meinen Hausanteil zurückzuzahlen, aber ich lehnte ab, um meinen Bruder nicht in Abhängigkeit von den neuen Verwandten zu bringen, die ihm innerlich so unverwandt waren. Auch lag mir daran, für Mama, die an dem Hause hing, die verbliebenen Räume vorerst noch zu erhalten. Sie sah es jetzt erst recht für ihr Mutteramt an, Edgar nahe zu sein, um ihm die mangelnde häusliche Wärme und Fürsorge zu ersetzen. Den ganzen Tag freute sie sich auf den Augenblick, wo er spät noch an ihr Bett kam, ihr Gute Nacht zu sagen; wenn nächtlicherweile die Klingel des Arztes ging, so stand sie heimlich mit auf und wartete in dem dunklen Garten seinen Aufbruch ab, als ob er ihr in den Krieg zöge. Und an den seltenen Morgen, wo er ausschlafen durfte, huschte sie in sein abgelegenes Schlafstübchen hinauf, das noch immer das alte war, und saß wartend an seinem Lager, bis er die Augen auftat, die sie an die geliebten Augen seines Vaters erinnerten. Denn auch dieser Herbe, Stolze war, so wenig er sich’s merken ließ, ein liebebedürftiges Mutterkind, das dankbar war, im eigenen Heim nicht erfrieren zu müssen. Sie aber machte das Gefühl ihrer Unentbehrlichkeit nahezu immun gegen die ungesunde Atmosphäre des Hauses. Zudem kugelte jetzt ein ganzes Häuflein Kinder in Haus und Garten – auch Alfred sandte jeweils seine beiden zu der Nonna –, und Kinder waren ihre Seligkeit. Auch mir haben sie lange Zeit das Unerträgliche erträglich gemacht, denn der Atem der Kindheit wirkt luftreinigend. Und die Kinder gehörten, wem sie selber wollten, um sie gab es keine Eifersucht. Es war köstlich, sich mit ihnen zu balgen und im Kinderland zu sein, ich segnete mich nur jeden Tag, dass ich sie nicht zu erziehen brauchte. Eine Schildkröte, die des Nachmittags pünktlich zur Teestunde an meine Gartentür pochte und sich artig zum Teetisch setzte, um ihren gewohnten Leckerbissen zu empfangen, gehörte mit in die kleine Gesellschaft. Mit schwarzen, afrikanisch ausstaffierten Puppen wurde die Emin-Pascha-Expedition vorgestellt, die damals die ganze Kulturwelt in Aufregung hielt und von mir mit atemlosem Anteil verfolgt wurde, wie zuvor schon der Zug Stanleys durch den dunklen Erdteil und seine Auffindung Livingstones mich begeistert hatten, – herzerfrischende Ereignisse, von denen ich mir eine Verjüngung unserer ganzen altgewordenen Zivilisation erhoffte. Deutschlands erste koloniale Erwerbungen wurden von mir mit Jubel begrüßt wie lauter offene Fenster aus der Stickluft ins Freie. Es war die einzige Zeit meines Lebens, wo ich mir gewünscht hätte, selber Kinder zu haben, ein halbes Dutzend Söhne, die ich alle zu Forschungshelden hätte erziehen mögen. So musste ich mich begnügen, dass ich die Kleinen meiner Brüder hatte, denen ich in ihrer СКАЧАТЬ