Gesammelte Werke. Isolde Kurz
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Gesammelte Werke - Isolde Kurz страница 197

Название: Gesammelte Werke

Автор: Isolde Kurz

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962812515

isbn:

СКАЧАТЬ hat­ten, wur­de mir leb­haft zu­ge­spro­chen. Aber al­les in mir sag­te nein; ich brach­te es nicht ein­mal über mich, die Ge­dich­te für die schwar­ze Hand des Set­zers ab­zu­schrei­ben. Die ver­wöhn­te Frau Mary Fied­ler über­nahm das Ge­schäft und schrieb den gan­zen spä­te­ren Band Stück für Stück mit flüs­si­ger Hand auf Büt­ten­pa­pier. Es fehl­te aber viel, dass er gleich das Licht der Öf­fent­lich­keit hät­te er­bli­cken kön­nen, es fehl­te nichts Ge­rin­ge­res als der Ver­le­ger. Wie lan­ge es noch ge­dau­ert hat und an wie viel Tü­ren die Freun­de ge­klopft ha­ben, weiß ich nicht mehr, bis es zu­letzt doch Adolf Krö­ner war, der die »Ge­dich­te« zur Be­treu­ung über­nahm. Die ers­te Auf­la­ge er­schi­en je­doch nicht un­ter sei­nem Na­men, son­dern un­ter dem ei­ner Schwei­zer Fir­ma. Das kam da­von, dass sich ein schwar­zes Schaf un­ter der Her­de be­fand, mit dem man sich nicht ger­ne se­hen ließ, das man aber eben­so­we­nig aus­sto­ßen konn­te, weil es eine zu er­lauch­te Gön­ner­schaft be­saß. Ich mei­ne das »Welt­ge­richt«, das mir ein­mal wäh­rend ei­ner mehr­tä­gi­gen Bin­de­haut­ent­zün­dung, als ich am Le­sen und Schrei­ben ver­hin­dert war und mich ge­nö­tigt sah, mit ei­nem grü­nen Au­gen­schild ein­her­zu­ge­hen, ganz un­ge­ru­fen in den Schoß fiel. Ab­sichts­los, ohne Plan, von ei­nem un­schul­di­gen Mut­wil­len ein­ge­ge­ben, der sich’s er­laubt, auch ein­mal wie die mit­tel­al­ter­li­chen Mys­te­ri­en mit den drei höchs­ten Per­so­nen Scherz zu trei­ben, ent­stan­den die drei Tei­le des Ge­dichts – im ers­ten der Schöp­fungs­ent­wurf Gott-Va­ters, der durch die pro­fes­so­ra­le Kri­tik des her­bei­ge­ru­fe­nen Sa­t­ans so ver­grämt und zor­nig wird, dass er den Klug­schwät­zer, von dem er sich au­ßer sei­nen Denk­feh­lern schließ­lich noch den Man­gel an Moral vor­wer­fen las­sen muss, kopf­über aus dem Him­mel schleu­dert, sich sel­ber aber für im­mer von dem fehl­ge­schaf­fe­nen Werk ab­wen­det, – im zwei­ten die he­ro­i­sche Lie­bes­tat des Soh­nes, die gleich­falls an der Man­gel­haf­tig­keit des Stof­fes schei­tert, – im drit­ten die An­stal­ten bei­der, nun­mehr die gan­ze Miss­ge­burt zu zer­trüm­mern, wor­über je­doch der Hei­li­ge Geist aus sei­nem Mit­tags­schläf­chen er­wacht, der ih­nen mit He­gel­scher Weis­heit »Ich zeig es euch durch Lo­gik fein, was ist, das muss ver­nünf­tig sein« ihr frag­wür­di­ges Werk ent­schul­digt und sie zur Nach­sicht mit sei­nen Män­geln be­kehrt. Das Ge­dicht spann sich ohne mein Zu­tun ab, wie von der Spra­che sel­ber Vers für Vers vor­an­ge­tra­gen, so­dass ich am Ende über den Zu­sam­men­hang und die schein­ba­re Ab­ge­wo­gen­heit des Gan­zen mich sel­ber wun­der­te. Es er­reg­te im Freun­des­kreis stür­mi­schen Bei­fall, ging von Hand zu Hand, wur­de in »Nord und Süd« ge­druckt, von dem großen Tra­gö­den an der Wie­ner Hof­burg, Jo­seph Le­wins­ky, öf­fent­lich vor­ge­tra­gen und fand in Fried­rich Theo­dor Vi­scher einen Gön­ner, der es mit sich in der Ta­sche trug, um bald da, bald dort ein Stück da­von vor­zu­le­sen, auch al­ler­lei schnur­ri­ge Va­ri­an­ten er­sann, die er mir je­weils nach Flo­renz sand­te, und der so­gar in der Ant­wort auf mei­nen Ge­burts­tags­gruß zu sei­ner Acht­zig­jahr­fei­er, dem letz­ten sei­ner Ge­dich­te, noch ein­mal in mei­nem »Welt­ge­richt« ein­hak­te.

      An­der­seits wa­ren die »From­men« – ich mei­ne jene Bür­ger­lich-Or­tho­do­xen, die in dem höchs­ten We­sen einen ei­fer­süch­ti­gen, hu­mor­lo­sen, je­den Ver­stoß ge­gen das Ze­re­mo­ni­ell jäh­zor­nig rä­chen­den Gott Ze­ba­oth sa­hen, – höch­lich ent­rüs­tet und rie­fen Ze­ter über mich, wo­ge­gen aber wie­der­um ein wahr­haft From­mer, der Dich­ter-Prälat Gerok, der Ver­fas­ser der »Palm­blät­ter«, sein ge­wich­ti­ges Wort in die Scha­le warf und er­klär­te, er fin­de kei­ne Schuld an dem Ge­dicht. Dem poe­ti­schen Ge­müt mach­te der glü­hen­de Lie­bes­hym­nus des ster­ben­den Got­tes­soh­nes an die Erde, sei­ne süße Braut, den Mut­wil­len der bei­den an­de­ren Tei­le gut. Das Ja und Nein stand also in glei­cher Waa­ge, aber die Vor­sicht über­wog: die Ge­dich­te er­schie­nen mit an­de­rem Fir­men­na­men in Frau­en­feld.

      Al­lein wie es zu ge­hen pflegt, wenn man all­zu viel nach dem Ur­teil der an­de­ren fragt, also, um mit der Fa­bel zu re­den, »den Esel trägt«, dass sich dann plötz­lich ei­ner er­hebt und wis­sen will, warum das Grau­tier nicht auf ei­ge­nen Bei­nen gehe, so er­hob nun­mehr der »Staats­an­zei­ger für Würt­tem­berg« sei­ne be­herr­schen­de Stim­me und frag­te, wie es kom­me, dass ein Buch, das der Hei­mat zur Ehre hät­te ge­rei­chen kön­nen, in ei­nem aus­län­di­schen Ver­lag habe er­schei­nen müs­sen. Man wäre auf den Grund be­gie­rig. – Dies hat­te die an­ge­neh­me Fol­ge, dass die nächs­te Auf­la­ge in der Cot­ta­schen Buch­hand­lung mit Ver­lags­ort Stutt­gart, die im Jah­re 1888 in den Be­sitz Adolf Krö­ners über­ge­gan­gen war, er­schei­nen konn­te.

      Die Wir­kung der Ge­dich­te in der Öf­fent­lich­keit war fast noch stär­ker als ein Jahr spä­ter die der »Flo­ren­ti­ner No­vel­len«. Aus al­len Pres­se­stim­men ging her­vor, dass et­was Über­ra­schen­des ge­sche­hen sei. Noch zu mei­nem acht­zigs­ten Ge­burts­tag er­in­ner­te eine be­ru­fe­ne Stim­me dar­an, wie die Men­schen da­mals auf­horch­ten bei dem neu­en Ton. Man weiß ja heu­te gar nicht mehr, dass die Frau­en­ly­rik in je­nen Ta­gen noch ge­bun­de­ner war als das Frau­en­le­ben selbst. Aus den Gold­schnitt­bän­den da­ma­li­ger Ly­ri­ke­rin­nen klang das Ge­fühls­le­ben des Wei­bes nur wie das schwa­che Zir­pen ei­nes un­flüg­gen Vo­gels; stär­ke­re Töne wä­ren als un­weib­lich ver­wor­fen wor­den. Wer kann sich sol­che Dros­se­lung heu­te noch vor­stel­len, nach­dem die Blocks­ber­gor­gi­en ent­fes­sel­ter Weib­lich­keit den deut­schen Par­nass durch­rast ha­ben mit Über­bie­tung al­ler männ­li­chen Blocks­bergs­prün­ge nach der He­xen­re­gel: »Geht es zu des Bö­sen Haus, / das Weib hat tau­send Schritt vor­aus«. Aber be­vor das er­drück­te Ge­schlecht sich mä­na­den­haft ver­tob­te – Mä­na­den lei­der ohne die Wei­he ih­res Got­tes –, hat­te ei­gent­lich nur der männ­li­che Dich­ter das Amt und den Auf­trag, weib­li­ches Füh­len, so wie er es ver­stand, der Welt zu ver­dol­met­schen, und das ge­sch­ah nach ei­nem an­ge­nom­me­nen Ka­non falsch ver­stan­de­ner, zucker­sü­ßer Weib­lich­keit. Die Frau sel­ber hat­te, wie auf al­len an­de­ren Ge­bie­ten, auch auf die­sem ih­rem ei­gens­ten, zu schwei­gen. Saß doch auch die große An­net­te mit dem küh­nen Weit­blick ih­res Geis­tes wie ein ge­fes­sel­ter Ad­ler auf ih­rem Hoch­sitz, die gan­ze Glut ih­res Frau­en­her­zens ins Re­li­gi­öse ver­strö­mend. Da war es frei­lich ver­wun­der­lich, dass auf ein­mal Eine kam, die un­ver­fälscht und un­schul­dig die na­tür­li­che Spra­che ih­res Ge­schlech­tes sprach, ohne den Ka­non zu be­fra­gen. Wer am meis­ten auf­horch­te und den stärks­ten Wi­der­hall gab, war die Män­ner­welt. Theo­bald Zieg­ler, der Phi­lo­soph an der Straß­bur­ger Hoch­schu­le, war ei­ner der wärms­ten Spre­cher; es war wie die Ant­wort des männ­li­chen Geis­tes an den weib­li­chen, nur dass ihm der Fehl­schluss mit­un­ter­lief, ei­ner so aus­ge­spro­chen ly­ri­schen Be­ga­bung jede epi­sche Ader ab­zu­spre­chen, eine Be­haup­tung, die schon im Fol­ge­jahr von den »Flo­ren­ti­ner No­vel­len« wi­der­legt wur­de. Ein an­de­rer zu­ge­neig­ter Gön­ner leg­te in der »Ul­mer Post« gläu­bi­ges Zeug­nis für mich ab und trat zu­gleich in sei­nem Ei­fer vor­grei­fend zwi­schen mich und den Ta­del Phi­li­stä­as, in­dem er ver­si­cher­te, aus bes­ter Quel­le zu wis­sen, dass ich mich nicht nur auf das Dich­ten ver­stün­de, son­dern auch auf Nä­hen, Sti­cken, St­rümp­fe­fli­cken und an­de­re löb­li­che Ver­rich­tun­gen, was СКАЧАТЬ