Название: Sämtliche Werke (Über 190 Titel in einem Buch)
Автор: Уильям Шекспир
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788075834164
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Vernunft entbehrt. Soll unser Vater nicht
Sein großes Herrscheramt baun auf Vernunft,
Weil unvernünftig deine Rede war?
TROILUS
Du bist für Träum und Schlummer, Bruder Priester,
Und fütterst deine Handschuh mit Vernunft!
Dies sind nun deine Gründe:
Du weißt, ein Feind sinnt drauf, dir weh zu tun,
Du weißt, gezückte Schwerter drohn Gefahr,
Und die Vernunft flieht das, was Schaden bringt;
Was Wunder denn, wenn Helenus gewahrt
Den Griechen und sein Schwert, daß er selbst Flügel
Tiefer Vernunft sich an die Fersen bindet
Und wie Merkur, wenn Zeus ihn schilt, entflieht,
Schnell wie ein Sternschuß? Predigen wir Vernunft,
So schließt die Tor und schlaft! Mannheit und Ehre,
Wenn sie mit Gründen nur sich mästeten,
Gewännen Hasenherz; Vernunft und Sinnen
Macht Lebern bleich und Jugendkraft zerrinnen.
HEKTOR
Bruder, sie ist nicht wert, was sie uns kostet,
Sie hier zu halten.
TROILUS
Was hat wohl andern Wert, als wir es schätzen?
HEKTOR
Doch nicht des einzeln Willkür gibt den Wert;
Er hat Gehalt und Würdigkeit sowohl
In eigentümlich innrer Kostbarkeit
Als in dem Schätzer. Wahn und Tollheit ists,
Den Dienst zu machen größer als den Gott!
Und töricht schwärmt der Wille, der sich neigt
Zu dem, was seine Liebe fälschlich adelt,
Wenn innrer Wert dem Scheinverdienst gebricht.
TROILUS
Ich nehme heut ein Weib, und meine Wahl
Hängt von der Leitung meines Willens ab;
Mein Wille ward entflammt durch Aug und Ohr,
Zwei wackre Lotsen durch die schroffen Klippen
Von Trieb und Urteil. Sollt ich denn verstoßen,
Wenn einst dem Willen meine Wahl mißfiele,
Das Weib, das ich erkor! – Da ist kein Ausweg,
Kein Wanken gilt, wenn Ehre soll bestehn.
Wir senden nicht die Seide heim dem Kaufmann,
Die wir verderbt, noch werfen wir verächtlich
Übriggebliebne Speisen in den Abfall,
Weil wir nun satt. Man hielt es wohlgetan,
Daß Paris Rache nehm am Griechenvolk;
Einmütger Beifall schwellt' ihm seine Segel;
Die alten Kämpfer, Meer und Wind, sie ruhten,
Ihm beizustehn; den Port erreicht' er schnell,
Und statt der alten Base, dort gefangen,
Bracht er 'ne griechische Fürstin, deren Frische
Apollo runzlicht, welk den Morgen macht.
Mit welchem Fug? Die Griechen halten jene!
Und ist sie's wert? Ha, eine Perle ist sie,
Die mehr denn tausend Schiffe jagt' ins Meer
Und Kaufherrn schuf aus Königen.
Gesteht ihr ein, recht wars, daß Paris ging
– Ihr müßt; denn alles rief: Zieh hin, zieh hin! –,
Bekennt ihr, daß ein Kleinod seine Beute
– Ihr müßt, denn alle schlugt ihr in die Hände
Und rieft: unschätzbar! –, warum schmäht ihr nun
Den Ausgang eures eignen weisen Plans
Und tut, was selbst Fortuna nicht getan,
Entwürdgend, was ihr reicher habt geschätzt
Als Land und Meer? Dann pfui dem schnöden Raub!
Wir stahlen, was wir fürchten zu behalten,
Als Dieb', unwert des so gestohlnen Guts;
Was wir vergeltend raubten ihrem Strand,
Scheun wir zu schützen in der Heimat Land!
KASSANDRA
draußen. Weint, Troer, weint!
PRIAMUS
Welch Laut? Welch Schrein ist das?
TROILUS
Die tolle Schwester; ihre Stimm erkenn ich.
KASSANDRA
draußen. Weint, Troer!
HEKTOR
's ist Kassandra!
Kassandra kommt, in Verzückung [mit fliegenden Haaren ].
KASSANDRA
Weint, Troer, weint! Leiht mir zehntausend Augen,
Und alle füll ich mit prophetschen Tränen!
HEKTOR
Still, Schwester, still! –
KASSANDRA
Jungfraun und Knaben, Männer, schwache Greise,
Unmündge Kindheit, die nichts kann als weinen,
Verstärkt mein Wehgeschrei! Und zahlt voraus
Die Hälfte all des Jammers, der uns nah!
Weint, Troer, weint! Gewöhnt eur Aug an Tränen!