Oliver Twist. Charles Dickens
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Название: Oliver Twist

Автор: Charles Dickens

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Klassiker bei Null Papier

isbn: 9783943466706

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      »Da hört sich doch al­les auf«, rief Mr. Bum­ble, blieb ste­hen und run­zel­te wü­tend die Au­gen­brau­en. »Von all den un­dank­bars­ten ver­dor­bens­ten Wai­sen­bu­ben, Oli­ver, die mir je un­ter­ge­kom­men sind, bist du doch der schlimms­te.«

      »Nein, nein, Sir«, schluchz­te Oli­ver und klam­mer­te sich wie­der an die Hand, die den wohl­be­kann­ten Stock hielt. »Nein, nein, Sir, ich will ja brav sein, wirk­lich, ich will es. Ich bin ja noch so klein, Sir, und so – so -«

      »Was denn – so?« forsch­te Mr. Bum­ble er­staunt.

      »So ein­sam und ver­las­sen, Sir, so schreck­lich ein­sam«, schluchz­te der Klei­ne. »Nie­mand kann mich lei­den. Bit­te, sei­en Sie nicht auch noch böse auf mich.«

      Da­bei drück­te er die Hand aufs Herz und blick­te sei­nem Beglei­ter ins Ge­sicht, wäh­rend Trä­nen tiefs­ten Schmer­zes sei­ne Au­gen füll­ten.

      Ein paar Se­kun­den lang be­trach­te­te Mr. Bum­ble Oli­vers hil­fe­fle­hen­des Ge­sicht voll Er­stau­nen, dann hüs­tel­te er ein paar­mal ver­le­gen, mur­mel­te ein paar Wor­te über das dum­me Wet­ter und er­mahn­te ihn, ein gu­ter Jun­ge zu sein. Dann fass­te er ihn wie­der bei der Hand und ging schwei­gend mit ihm wei­ter.

      Der Lei­chen­be­stat­ter hat­te eben sei­nen La­den ge­schlos­sen und mach­te ge­ra­de beim Schim­mer ei­ner Talg­ker­ze ein paar Ein­tra­gun­gen in sein Kon­to­buch, als Mr. Bum­ble ein­trat.

      »Aha«, rief er und blick­te von dem Bu­che auf. »Sie sind es, Bum­ble.«

      »Ja­wohl, ich bins«, er­wi­der­te der Kirch­spiel­die­ner. »Hier ist er. Ich habe Ih­nen den Jun­gen mit­ge­bracht.«

      Oli­ver mach­te einen Kratz­fuß.

      »Also das ist der Jun­ge, was?« frag­te der Lei­chen­be­stat­ter und hielt die Ker­ze in die Höhe, um den Klei­nen bes­ser be­sich­ti­gen zu kön­nen. »Lie­be Frau, sei ein­mal so gut und komm einen Au­gen­blick her.«

      Mrs. So­wer­ber­ry tauch­te aus ei­nem klei­nen Zim­mer hin­ter dem La­den auf, und auf den ers­ten Blick konn­te man er­ken­nen, dass sie eine klei­ne ha­ge­re Per­son mit zän­ki­schem Ge­sichts­aus­druck war.

      »Lie­be Frau«, be­gann Mr. So­wer­ber­ry be­tre­ten, »das ist der Jun­ge aus dem Ar­men­haus, von dem ich dir er­zählt habe.« – Oli­ver mach­te aber­mals einen Kratz­fuß.

      »Gott im Him­mel«, rief die Frau, »ist der aber klein!«

      »Frei­lich, ein we­nig klein ist er«, gab Mr. Bum­ble zu und sah Oli­ver mit ei­nem stra­fen­den Blick an, als ob die­ser die Schuld dar­an tra­ge, dass er nicht grö­ßer ge­wor­den sei. – »Klein ist er, das lässt sich nicht be­strei­ten. Aber er wird schon noch wach­sen, Mrs. So­wer­ber­ry.«

      »Ja, ja, auf uns­re Kos­ten!« zank­te die Frau ver­drieß­lich. »Und bei dem, was bei uns auf den Tisch kommt. Ich ken­ne schon die Ar­men­haus­kin­der, die fres­sen im­mer mehr, als sie wert sind. Aber die Män­ner wis­sen na­tür­lich im­mer al­les am bes­ten. Marsch, die Trep­pe hin­un­ter, du Häuf­chen Un­glück!« Mit die­sen Wor­ten öff­ne­te Mrs. So­wer­ber­ry eine klei­ne Tür und dräng­te Oli­ver eine stei­le Trep­pe hin­ab in einen feuch­ten fins­tern Kel­ler, der den Vor­raum zum Koh­len­kel­ler bil­de­te und die Be­zeich­nung Kü­che trug. Dort saß ein schlum­pi­ges Dienst­mäd­chen mit Schu­hen mit schie­fen Ab­sät­zen und blau­en St­rümp­fen voll großer Lö­cher, die of­fen­bar schon seit lan­gem auf Re­pa­ra­tur war­te­ten.

      »Hier, Char­lot­te«, sag­te Mrs. So­wer­ber­ry, »gib dem Jun­gen ein paar von den Res­ten, die für Trip auf­ge­ho­ben wor­den sind. Seit mor­gens streunt das Biest auf der Gas­se her­um, da soll es sich mal hung­rig zu Bett le­gen. Hof­fent­lich ist der Bur­sche da nicht zu hei­kel. He, Jun­ge, was sagst du dazu?«

      Oli­ver, des­sen Au­gen, als von Es­sen die Rede war, auf­ge­leuch­tet hat­ten, zit­ter­te förm­lich vor Gier und be­teu­er­te, dass er durch­aus nicht hei­kel sei; und dar­auf­hin wur­de ihm eine Schüs­sel Spei­sen­ab­fäl­le vor­ge­setzt.

      Wenn da nur so ein ge­wis­ser satt­ge­fres­se­ner Theo­re­ti­ker mit ei­nem Her­zen von Stein zu­ge­se­hen hät­te, wie sich Oli­ver Twist über das Fut­ter her­mach­te, das für den Hund be­stimmt war, und die Gier, mit der er die Bis­sen aus­ein­an­der­riss – hal­b­ohn­mäch­tig von Hun­ger. Noch bes­ser, wenn ein sol­cher Theo­re­ti­ker selbst ein­mal ge­zwun­gen wäre, sich über eine der­ar­ti­ge Sor­te Fut­ter herzu­ma­chen …

      »Na?« frag­te die Frau Lei­chen­be­stat­te­rin, als Oli­ver mit al­lem gründ­lich auf­ge­räumt hat­te, stumm vor Ent­set­zen und bö­ser Ah­nung, wie das mit dem Ap­pe­tit des Lehr­jun­gen in Hin­kunft wei­ter­ge­hen wür­de. »Na, bist du jetzt fer­tig?«

      Da nichts Ess­ba­res mehr vor­han­den war, ant­wor­te­te Oli­ver mit »Ja«.

      »Also, dann komm mit«, brumm­te Mrs. So­wer­ber­ry, nahm eine trüb­bren­nen­de schmut­zi­ge Lam­pe und ging ihm die Trep­pe vor­aus hin­auf. »Da hier un­ter dem La­den­tisch ist ein Bett. Hof­fent­lich machst du dir nichts dar­aus in den Sär­gen zu schla­fen, was? Aber mir kanns gleich­gül­tig sein, ob dir’s et­was aus­macht oder nicht. Kurz und gut: hier ist dein Bett. So, jetzt mach dich fer­tig, ich hab’ kei­ne Lust, die gan­ze Nacht hier zu ste­hen.«

      Schüch­tern und schwei­gend ge­horch­te Oli­ver.

      In der Werk­stät­te des Sarg­tisch­lers sich selbst über­las­sen, setz­te Oli­ver sei­ne Lam­pe auf eine Werk­bank, von Furcht und Grau­en durch­schau­ert. Ein fer­ti­ger Sarg auf ei­nem schwar­zen Ge­stell mit­ten im La­den er­in­ner­te ihn so sehr an den Tod, dass ihn ein kal­ter Schau­er über­lief, so oft sich sein Blick hin­ver­irr­te, und zu­wei­len kam es ihm so vor, als müs­se je­den Au­gen­blick eine ent­setz­li­che Ge­stalt lang­sam ihre Hand er­he­ben und ihn aus dem Sar­ge her­aus an­star­ren, bis er wahn­sin­nig vor Furcht wür­de. Die Wand ent­lang in re­gel­mä­ßi­gen Rei­hen stand eine Men­ge Bret­ter aus Ul­men­holz, alle eben­falls zu Sär­gen be­stimmt. Bei dem trü­ben Licht sa­hen sie wie hoch­schult­ri­ge Ge­s­pens­ter aus, die die Hän­de in die Ho­sen­ta­schen ge­steckt hat­ten. Sarg­plat­ten, Holz­spä­ne, lang­köp­fi­ge Nä­gel und Stücke Trau­er­flor la­gen auf dem Bo­den um­her. Die Wand hin­ter dem La­den­tisch war mit ei­nem Bild ge­schmückt, das zwei Lei­chen­die­ner mit stei­fen Kra­gen, die vor dem Por­tal ei­nes Pri­vat­hau­ses ihr Amt ver­sa­hen, dar­stell­te, wäh­rend ein Lei­chen­wa­gen, von vier schwar­zen Pfer­den ge­zo­gen, aus der Fer­ne her­an­ge­fah­ren kam. Der La­den war eng und heiß und die gan­ze Luft ge­sät­tigt von dem Ge­ruch von Sär­gen. Der Ver­schlag un­ter dem La­den­tisch, wo für Oli­ver eine Woll­ma­trat­ze aus­ge­brei­tet lag, sah aus wie ein Grab.

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