Название: Oliver Twist
Автор: Charles Dickens
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Klassiker bei Null Papier
isbn: 9783943466706
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»Vorläufig nur für einen Sarg«, bestätigte Mr. Bumble, »und außerdem für ein Gemeindebegräbnis.«
»Baiton?« las der Leichenbestatter von dem Zettel ab und blickte Mr. Bumble fragend an. »Den Namen habe ich früher noch niemals gehört.«
Mr. Bumble nickte. »Eine widerspenstige Bande, Mr. Sowerberry, eine sehr widerspenstige Bande. Hochfahrend sag’ ich Ihnen, nicht zu glauben.«
»Hochfahrend, wie?« rief Mr. Sowerberry und grinste. »Aber hören Sie, das ist wirklich stark.«
»Die Gelbsucht könnte man bekommen vor Wut«, rief der Kirchspieldiener, »amoniakalisch kann ich Ihnen sagen, Mr. Sowerberry.«
»Stimmt, stimmt«, pflichtete der Leichenbestatter bei.
»Wir haben erst vorgestern Abend von der Familie erfahren«, berichtete Mr. Bumble, »und auch das nur, weil eine Frau, die mit ihnen im selben Hause wohnte, beim Herrn Vorstand bitten kam, man möge den Armenarzt hinschicken, um nach einer Kranken zu sehen, mit der es sehr schlecht stehe. Der Herr Doktor war gerade beim Mittagessen, aber sein Assistent – ein verdammt schneidiger Bursche, sage ich Ihnen – hat sogleich ein Flasche voll Medizin hingeschickt.«
»Das nenn’ ich mir gewissenhaft im Dienst«, rief der Leichenbestatter bewundernd.
»Ja ja, ist’s auch«, versetzte der Kirchspieldiener. »Aber was glauben Sie, war die Folge? Frech ist die Bande auch noch geworden. Der wertgeschätzte Herr Gemahl von der Kranken hat sagen lassen, die Arzenei passt nicht für seine Frau, und er gibt nicht zu, dass sie so was einnimmt. Ich sag’ Ihnen, eine feine kräftige Medizin, die erst acht Tage vorher zwei irische Taglöhner und ein Kohlenträger mit bestem Erfolg eingenommen haben – und noch dazu in einer Wichsflasche, und der Kerl lässt sagen: seine Frau nimmt so was nicht.« Empört ließ Mr. Bumble seinen Stock auf den Ladentisch niedersausen und wurde rot im Gesicht wie ein Truthahn.
»Nein so was«, rief der Leichenbestatter.
»Jawohl, so was«, schrie Mr. Bumble. »Aber jetzt ist das Frauenzimmer tot, und da heißt’s, sie unter die Erde bringen; und darum handelt sich’s jetzt. Je schneller die Sache in Ordnung ist, desto besser.« Dabei setzte Mr. Bumble seinen Dreispitz fiebernd vor Erregung wieder auf, anfangs verkehrt und erst beim zweiten Male richtig, und stürmte aus dem Laden.
»Er hat sich so gegiftet, Oliver, dass er ganz vergessen hat, nach dir zu fragen«, sagte Mr. Sowerberry und blickte dem Kirchspieldiener nach, wie er die Straße hinunterstampfte.
Dann setzte er seinen Hut auf und brummte: »Je schneller wir das Geschäft abmachen, umso besser. Noah, pass unterdessen auf den Laden auf. Oliver, nimm deine Mütze und komm mit.« Oliver Twist gehorchte und folgte stumm seinem Herrn.
Eine Zeit lang schritten sie durch den belebtesten und bevölkertsten Teil der Stadt. Dann bogen sie in eine enge Gasse ein, die von Schmutz nur so starrte, und blieben stehen, um sich nach dem bezeichneten Hause umzusehen. Die Häuser auf beiden Seiten waren hoch und massig, aber sehr alt, und wurden nur von den allerärmsten Leuten bewohnt, wie man zwar nicht aus ihrem vernachlässigten Aussehen erkannte, wohl aber aus dem schmierigen Äußern der paar Männer und Frauen, die gelegentlich die Mauern entlang schlichen. Ein großer Teil der Häuser hatte Läden nach vorne heraus, aber diese Läden waren fest verschlossen und hingen nur so in den Angeln. Offenbar waren bloß die oberen Stockwerke bewohnt. Bei einzelnen der Bauten, die infolge ihres Alters und ihrer Morschheit gänzlich zu zerfallen drohten, war dem völligen Einsturz durch mächtige gegen die Mauern gelehnte Balken, die fest in den Boden gerammt waren, gewehrt. Aber selbst diese Ruinen schienen von obdachlosem Gesindel als Schlupfwinkel auserlesen zu sein, wie man daraus ersehen konnte, dass viele der Bretter, die die Stelle von Türen und Fenstern vertraten, so auseinandergerissen waren, dass sich ein Zugang bildete, durch den ein Mensch nötigenfalls hindurchschlüpfen konnte. Die Rinnsteine waren verstopft und voll Kot; – selbst die Ratten, die tot in dem Unrat verwesten, machten den Eindruck, als ob sie Hungers gestorben seien.
An der offenen Türe, an der Oliver und sein Herr halt machten, war weder ein Klopfer, noch ein Klingelgriff zu sehen. Vorsichtig tappten sie sich einen dunklen Gang entlang und stiegen zum ersten Stock empor. Oliver ging dabei immer hinter Mr. Sowerberry her, der ihm zuredete, sich nicht zu fürchten, bis er endlich im Gang gegen eine Türe stolperte und anklopfte.
Ein junges Mädchen, ungefähr dreizehn oder vierzehn Jahre alt, öffnete ihnen. Für den Leichenbestatter genügte ein Blick in das Zimmer, um zu wissen, wohin er sich zu begeben habe. Er trat ein, und Oliver folgte ihm.
Vor einem mit kalter Asche gefüllten Kamin kauerte ein Mann, und ein altes Weib hatte auf einem Schemel neben ihm Platz genommen. In einem anderen Winkel hockten ein paar in Lumpen gehüllte Kinder herum, und in einem kleinen Bretterverschlag der Eingangstüre gegenüber lag etwas auf dem Boden, über das ein altes Tuch geworfen war. Oliver schreckte zusammen, als er die Augen dorthin wandte, und unwillkürlich fühlte er, dass das, was unter dem Tuch lag, eine Leiche sein müsste.
Das Gesicht des Mannes am Kamin sah eingefallen und totenblass aus. Bart und Haupthaar waren ergraut und seine Augen blutunterlaufen. Das alte Weib hatte ein Gesicht voll Runzeln, die beiden Zähne, die sie noch besaß, ragten über ihre Unterlippe hervor, aber ihre Augen strahlten hell und durchdringend. Oliver konnte es kaum über sich gewinnen, sie oder den Mann anzublicken, denn beide sahen den toten Ratten, die er draußen bemerkt, grauenhaft ähnlich.
»Niemand soll ihr nahekommen«, rief der Mann und sprang wütend auf, als sich der Leichenbestatter dem Holzverschlag näherte. »Zurück da. Gott verdammt. Zurück da, oder -«
»Unsinn, lieber Freund, Unsinn«, suchte ihn der Leichenbestatter, der mit dem Elend in allen Gestalten wohl vertraut war, zu beruhigen. »Unsinn, sage ich Ihnen, Unsinn.«
»Und ich sage Ihnen«, rief der Mann, ballte die Fäuste und stampfte wie ein Rasender auf den Boden, »ich sage Ihnen: ich will nicht, dass Ihr sie einscharrt. Sie könnte keine Ruhe dort finden. Die Würmer würden sie quälen und plagen – fressen wohl nicht – sie ist nur noch Haut und СКАЧАТЬ