Название: Gesammelte Werke
Автор: Henrik Ibsen
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027237722
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Jatgjer. Herr, ich bin nicht unfruchtbar; ich habe eigene Kinder; ich brauche nicht die anderer zu lieben. Ab.
König Skule nach einer Pause. Dieser Isländer ist gewißlich ein Skalde. Er spricht Gottes tiefste Wahrheit aus und weiß es nicht – Ich bin wie ein unfruchtbares Weib. Deshalb lieb' ich Håkons königliches Gedankenkind, lieb' es mit meiner Seele heißester Liebe. O, könnt' ich es doch an Kindesstatt annehmen! Doch es würde sterben unter meinen Händen. Was ist besser: es stirbt unter meinen Händen, oder es wächst unter den seinen herrlich empor? Find' ich Frieden in der Seele, wenn das geschieht? Kann ich entsagen? Kann ich es mitansehen, daß Håkon sich solch einen Ruhm erwirbt! – Wie tot und leer ist's in mir, – und rings um mich her. Kein Freund – der Isländer! Er geht an die Tür und ruft hinaus: Hat der Skalde schon das Königsschloß verlassen?
Ein Gefolgsmann von draußen. Nein, Herr, er steht in der Vorhalle und spricht mit der Wache.
König Skule. So sag ihm, er solle kommen. Er geht an den Tisch; bald darauf erscheint Jatgejr. Ich kann nicht schlafen, Jatgejr, – all die großen Königsgedanken, sieh, die halten mich wach.
Jatgjer. Es ist mit des Königs wie mit des Skalden Gedanken – das leuchtet mir ein. Sie fliegen am höchsten und gedeihen am besten, wenn ringsum nächtliche Stille ist.
König Skule. Ist es so auch mit des Skalden Gedanken?
Jatgjer. Ja, Herr, kein Lied wird beim Licht der Tages geboren; man kann es wohl aufzeichnen im Sonnenschein, aber gedichtet wird es in einer stillen Stunde der Nacht.
König Skule. Wer hat Dir die Gabe des Leids verliehen, Jatgejr?
Jatgjer. Sie, die ich liebte.
König Skule. Sie starb?
Jatgjer. Nein, sie verließ mich.
König Skule. Und da wurdest Du Skalde?
Jatgjer. Ja, da wurde ich Skalde.
König Skule faßt ihn am Arm. Welche Gabe brauch' ich, um König zu werden?
Jatgjer. Nicht die Gabe des Zweifels; sonst fragtet Ihr nicht.
König Skule. Welche Gabe brauch' ich?
Jatgjer. Herr, Ihr seid ja König.
König Skule. Glaubst Du jederzeit so sicher, daß Du Skalde bist?
Jatgjer sieht ihn eine Weile stumm an; dann fragt er: Habt Ihr niemals geliebt?
König Skule. Ja, einmal, – glühend, süß und in Sünden.
Jatgjer. Ihr habt ein Weib.
König Skule. Die nahm ich, daß sie mir Söhne gebäre.
Jatgjer. Aber Ihr habt eine Tochter, Herr, – eine sanfte und herrliche Tochter.
König Skule. Wäre meine Tochter ein Sohn, so fragt' ich Dich nicht, welche Gabe ich brauchte. Leidenschaftlich. Ich muß jemand um mich haben, der mir ohne eigenen Willen gehorcht, – der unerschütterlich an mich glaubt, der in guten wie in schlimmen Tagen aus tiefster Seele zu mir hält, der nur dafür lebt, mein Leben zu erhellen und zu erwärmen, der sterben muß, wenn ich falle. Gib mir einen Rat, Skalde Jatgejr!
Jatgjer. Kauft Euch einen Hund, Herr.
König Skule. Sollte ein Mensch nicht genügen?
Jatgjer. Nach solch einem Menschen müßtet Ihr lange suchen.
König Skule plötzlich. Willst Du mir das sein, Jatgejr? Willst Du mir ein Sohn sein? Du sollst Norwegens Krone als Erbe haben, – Du sollst Land und Reich haben, – wenn Du mir ein Sohn sein, für mein Lebenswerk leben und an mich glauben willst!
Jatgjer. Und welche Sicherheit sollt' ich stellen, daß ich nicht heuchle?
König Skule. Gib Deinen Lebensberuf auf – dichte nie ein Lied mehr, so will ich Dir glauben.
Jatgjer. Nein, Herr, – das hieße die Krone zu teuer erkaufen.
König Skule. Denk nach! Es ist mehr, König als Skalde zu sein!
Jatgjer. Nicht immer.
König Skule. Nur Deine ungedichteten Lieder sind es, die Du opfern sollst!
Jatgjer. Ungedichtete Lieder sind stets die schönsten.
König Skule. Aber ich muß – ich muß einen Menschen haben, der an mich glauben kann! Nur einen einzigen! Ich fühl' es, – hab' ich das, so bin ich gerettet!
Jatgjer. Glaubt an Euch selbst, so seid Ihr gerettet!
Paul Flida tritt hastig ein. König Skule, nun wehrt Euch! Håkon Håkonsson liegt bei Elgjarnäß mit seiner ganzen Flotte!
König Skule. Bei Elgjarnäß –! So ist er nicht mehr weit!
Jatgjer. Wehr und Waffen her! Gibt's heut nacht ein Männermorden hier, so will ich mit Freuden der Erste sein, der für Euch fällt!
König Skule. Du, der nicht für mich leben wollte?
Jatgjer. Es kann einer fallen für das Lebenswerk eines andern – aber weiter leben kann er nur für sein eigenes. Ab.
Paul Flida ungeduldig. Was befehlt Ihr, Herr? Was soll geschehen? Die Birkebeiner können binnen einer Stunde in Oslo sein!
König Skule. Das Beste wäre, wir könnten nach dem Grabe des heiligen Thomas Beckett fahren; er hat schon so mancher leidvollen und reuigen Seele geholfen.
Paul Flida eindringlicher. Herr, redet jetzt nicht irre! Die Birkebeiner sind über uns, sag' ich!
König Skule. Laß alle Kirchen aufsperren, auf daß wir dort Schutz und Gnade finden.
Paul Flida. Ihr könnt all Eure Feinde mit einem Schlag vernichten, und da wollt Ihr in die Kirchen flüchten!
König Skule. Ja, ja, halt' alle Kirchen offen!
Paul Flida. Seid überzeugt, Håkon bricht den Kirchenfrieden, wenn es die Windbälge gilt.
König Skule. Das tut er nicht – Gott wird ihn gegen solche Sünde schützen; – Gott schützt Håkon immer.
Paul Flida mit tiefem und schmerzlichem Zorne. Wer Euch jetzt reden hörte, müßte wohl fragen: wer ist König in diesem Lande?
König Skule mit wehmütigem Lächeln. Ja, Paul Flida, das ist die große Frage: wer ist König in diesem Lande?
Paul Flida flehend. Ihr seid heut krank an Eurer Seele, Herr – laßt mich für Euch handeln!
König Skule. Ja, ja, tu das.
Paul Flida im Abgehen. Zuerst will ich alle Brücken abbrechen.
König Skule. Wahnwitziger! Bleib! – Alle СКАЧАТЬ