Название: Friedrich Schiller: Literatur- und theatertheoretische Essays
Автор: Фридрих Шиллер
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9788027204274
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»Auf seine Losung auf. Die gute Sache
»Wird stark durch einen Königssohn.«
Würde der Freund des Carlos es über sich vermocht haben, so verwegen mit dem guten Namen, ja selbst mit dem Leben seines Freundes zu spielen? Aber Posa, dem die Befreiung eines unterdrückten Volks eine weit dringendere Aufforderung war, als die kleinen Angelegenheiten eines Freundes, Posa, der Weltbürger, mußte gerade so und nicht anders handeln. Alle Schritte, die im Verlauf des Stücks von ihm unternommen werden, verrathen eine wagende Kühnheit, die ein heroischer Zweck allein einzuflößen im Stand ist! Freundschaft ist oft verzagt und immer besorglich. Wo ist bis jetzt im Charakter des Marquis auch nur eine Spur dieser ängstlichen Pflege eines isolierten Geschöpfs, dieser alles ausschließenden, alles für Einen Gegenstand hingebenden, alles in Einem Gegenstande genießenden Neigung, worin doch allein der eigentümliche Charakter der leidenschaftlichen Freundschaft besteht? Wo ist bei ihm das Interesse für den Prinzen nicht dem höhern Interesse für die Menschheit untergeordnet? Fest und beharrlich geht der Marquis seinen großen kosmopolitischen Gang, und alles, was um ihn herum vorgeht, wird ihm nur durch die Verbindung wichtig, in der es mit diesem höhern Gegenstande steht.
Vierter Brief
Um einen großen Theil seiner Bewunderer dürfte ihn dieses Geständniß bringen, aber er wird sich mit dem kleinen Theil der neuen Verehrer trösten, die es ihm zuwendet, und zum allgemeinen Beifall überhaupt konnte sich ein Charakter, wie der seinige, niemals Hoffnung machen. Hohes, wirkendes Wohlwollen gegen das Ganze schließt keineswegs die zärtliche Theilnahme an den Freuden und Leiden eines einzelnen Wesens aus. Daß er das Menschengeschlecht mehr liebt, als Karln, thut seiner Freundschaft für ihn keinen Eintrag. Immer würde er ihn, hätte ihn auch das Schicksal auf keinen Thron gerufen, durch eine besondere zärtliche Bekümmerniß vor allen Uebrigen unterschieden haben; im Herzen seines Herzens würde er ihn getragen haben, wie Hamlet seinen Horatio. Man hält dafür, daß das Wohlwollen um so schwächer und laulichter werde, je mehr sich seine Gegenstände häufen: aber dieser Fall kann auf den Marquis nicht angewandt werden. Der Gegenstand seiner Liebe zeigt sich ihm im vollesten Lichte der Begeisterung; herrlich und verklärt steht dieses Bild vor seiner Seele, wie die Gestalt einer Geliebten. Da es Carlos ist, der dieses Ideal von Menschenglück wirklich machen soll, so trägt er es auf ihn über, so faßt er zuletzt Beides in Einem Gefühl unzertrennlich zusammen. In Carlos allein schaut er seine feurig geliebte Menschheit jetzt an; sein Freund ist der Brennpunkt, in welchem alle seine Vorstellungen von jenem zusammengesetzten Ganzen sich sammeln. Es wirkt also doch nur in Einem Gegenstand auf ihn, den er mit allem Enthusiasmus und allen Kräften seiner Seele umfaßt.
»Mein Herz,
»Nur einem Einzigen geweiht, umschloß
»Die ganze Welt. In meines Carlos Seele
»Schuf ich ein Paradies für Millionen.«
Hier ist also Liebe zu Einem Wesen, ohne Hintansetzung der allgemeinen – sorgsame Pflege der Freundschaft, ohne das Unbillige, das Ausschließende dieser Leidenschaft. Hier allgemeine, alles umfassende Philanthropie, in einen einzigen Feuerstrahl zusammengedrängt.
Und sollte eben das dem Interesse geschadet haben, was es veredelt hat? Dieses Gemälde von Freundschaft sollte an Rührung und Anmuth verlieren, was ihm an Würde gegeben worden? an Stärke verlieren, was es an Umfang gewann? Der Freund des Carlos sollte darum weniger Anspruch auf unsere Thränen und unsere Bewunderung haben, weil er mit der beschränktesten Aeußerung des wohlwollenden Affekts seine weiteste Ausdehnung verbindet und das Göttliche der universellen Liebe durch ihre menschlichste Anwendung mildert?
Mit der neunten Scene des dritten Aufzugs öffnet sich ein ganz neuer Spielraum für diesen Charakter.
Fünfter Brief
Leidenschaft für die Königin hat endlich den Prinzen bis an den Rand des Verderbens geführt. Beweise seiner Schuld sind in den Händen seines Vaters, und seine unbesonnene Hitze ließ ihn dem dauernden Argwohn seiner Feinde die gefährlichsten Blößen geben; er schwebt in augenscheinlicher Gefahr, ein Opfer seiner wahnsinnigen Liebe, der väterlichen Eifersucht, des Priesterhasses, der Rachgier eines beleidigten Feindes und einer verschmähten Buhlerin zu werden. Seine Lage von außen fordert die dringendste Hilfe, noch mehr aber fordert sie der innere Zustand seines Gemüths, der alle Erwartungen und Entwürfe des Marquis zu vereiteln droht. Von jener Gefahr muß der Prinz befreit, aus diesem Seelenzustand muß er gerissen werden, wenn jene Entwürfe zu Flanderns Befreiung in Erfüllung gehen sollen; und der Marquis ist es, von dem wir beides erwarten, der uns auch selbst dazu Hoffnung macht.
Aber auf eben dem Wege, woher dem Prinzen Gefahr kommt, ist auch bei dem König ein Seelenzustand hervorgebracht worden, der ihn das Bedürfniß der Mittheilung zum erstenmal fühlen läßt. Die Schmerzen der Eifersucht haben ihn aus dem unnatürlichen Zwang seines Standes in den ursprünglichen Stand der Menschheit zurückversetzt, haben ihn das Leere und Gekünstelte seiner Despotengröße fühlen und Wünsche in ihm aussteigen lassen, die weder Macht noch Hoheit befriedigen kann.
»König! – König nur,
»Und wieder König! – Keine beßre Antwort,
»Als leeren hohlen Wiederhall! Ich schlage
»An diesen Felsen und will Wasser, Wasser
»Für meinen heißen Fieberdurst. Er gibt
»Mir – glühend Gold –«
Gerade ein Gang der Begebenheiten, wie der bisherige, däucht mir, oder keiner, konnte bei einem Monarchen, wie Philipp der Zweite war, einen solchen Zustand erzeugen; und gerade so ein Zustand mußte in ihm erzeugt werden, um die nachfolgende Handlung vorzubereiten und den Marquis ihm nahe bringen zu können. Vater und Sohn sind auf ganz verschiedenen Wegen auf den Punkt geführt worden, wo der Dichter sie haben muß; auf ganz verschiedenen Wegen wurden Beide zu dem Marquis von Posa hingezogen, in welchem Einzigen das bisher getrennte Interesse sich nunmehr zusammendrängt. Durch Carlos’ Leidenschaft für die Königin und deren unausbleibliche Folgen bei dem König wurde dem Marquis seine ganze Laufbahn geschaffen: darum war es nöthig, daß auch das ganze Stück mit jener eröffnet wurde. Gegen sie mußte der Marquis selbst so lange in Schatten gestellt werden und sich, bis er von der ganzen Handlung Besitz nehmen konnte, mit einem untergeordneten Interesse begnügen, weil er von ihr allein alle Materialien zu seiner künftigen Thätigkeit empfangen konnte. Die Aufmerksamkeit des Zuschauers durfte also durchaus nicht vor der Zeit davon abgezogen werden, und darum war es nöthig, daß sie bis hieher als Haupthandlung beschäftigte, das Interesse hingegen, das nachher das herrschende werden sollte, nur durch Winke von ferne angekündigt wurde. Aber sobald das Gebäude steht, fällt das Gerüste. Die Geschichte von Carlos’ Liebe, als die bloß vorbereitende Handlung, weicht zurück, um derjenigen Platz zumachen, für welche allein sie gearbeitet hatte.
Nämlich jene verborgenen Motive des Marquis, welche keine andern sind, als Flanderns Befreiung und das künftige Schicksal der Nation – Motive, die man unter der Hülle seiner Freundschaft bloß geahnet hat – treten jetzt sichtbar hervor und fangen an, sich der ganzen Aufmerksamkeit zu bemächtigen. Carlos, wie aus dem Bisherigen zur Genüge erhellet, wurde von ihm nur als das einzige unentbehrliche Werkzeug zu jenem feurig und standhaft verfolgten Zwecke betrachtet СКАЧАТЬ