Friedrich Schiller: Literatur- und theatertheoretische Essays. Фридрих Шиллер
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СКАЧАТЬ Seele angeschaut werden, und Carlos war der Einzige, der sie mit ahnen, mit träumen konnte und der sie erwiederte. Ein Geist, wie Posas, mußte seine Ueberlegenheit frühzeitig zu genießen streben, und der liebevolle Karl schmiegte sich so unterwürfig, so gelehrig an ihn an! Posa sah in diesem schönen Spiegel sich selbst und freute sich seines Bildes. So entstand diese akademische Freundschaft.

      Aber jetzt werden sie von einander getrennt, und alles wird anders. Carlos kommt an den Hof seines Vaters, und Posa wirft sich in die Welt. Jener, durch seine frühe Anhänglichkeit an den edelsten und feurigsten Jüngling verwöhnt, findet in dem ganzen Umkreis eines Despotenhofes nichts, was sein Herz befriedigte. Alles um ihn her ist leer und unfruchtbar. Mitten im Gewühl so vieler Höflinge einsam, von der Gegenwart gedrückt, labt er sich an süßen Rückerinnerungen der Vergangenheit. Bei ihm also dauern diese frühen Eindrücke warm und lebendig fort, und sein zum Wohlwollen gebildetes Herz, dem ein würdiger Gegenstand mangelt, verzehrt sich in nie befriedigten Träumen. So versinkt er allmählich in einen Zustand müßiger Schwärmerei, unthätiger Betrachtung. In dem fortwährenden Kampfe mit seiner Lage nützen sich seine Kräfte ab, die unfreundlichen Begegnungen eines ihm so ungleichen Vaters verbreiten eine düstere Schwermuth über sein Wesen – den zehrenden Wurm jeder Geistesblüthe, den Tod der Begeisterung. Zusammengedrückt, ohne Energie, geschäftlos, hinbrütend in sich selbst, von schweren fruchtlosen Kämpfen ermattet, zwischen schreckhaften Extremen herumgescheucht, keines eigenen Aufschwungs mehr mächtig – so findet ihn die erste Liebe. In diesem Zustand kann er ihr keine Kraft mehr entgegensetzen; alle jene frühern Ideen, die ihr allein das Gleichgewicht hätten halten können, sind seiner Seele fremder geworden; sie beherrscht ihn mit despotischer Gewalt; so versinkt er in einen schmerzhaft wollüstigen Zustand des Leidens. Auf einen einzigen Gegenstand sind jetzt alle seine Kräfte zusammengezogen. Ein nie gestilltes Verlangen hält seine Seele innerhalb ihrer selbst gefesselt. – Wie sollte sie ins Universum ausströmen? Unfähig, diesen Wunsch zu befriedigen, unfähiger noch, ihn durch innere Kraft zu besiegen, schwindet er halb lebend, halb sterbend in sichtbarer Zehrung hin; keine Zerstreuung für den brennenden Schmerz seines Busens, kein mitfühlendes, sich ihm öffnendes Herz, in das er ihn ausströmen könnte.

      »Ich habe Niemand – Niemand

       »Auf dieser großen weiten Erde, Niemand.

       »Soweit das Scepter meines Vaters reicht,

       »So weit die Schifffahrt unsre Flaggen sendet,

       »Ist keine Stelle, keine, keine, wo

       »Ich meiner Thränen mich entlasten kann.«

      Hilflosigkeit und Armuth des Herzens führen ihn jetzt auf eben den Punkt zurück, wo Fülle des Herzens ihn hatte ausgehen lassen. Heftiger fühlt er das Bedürfniß der Sympathie, weil er allein ist und unglücklich. So findet ihn sein zurückkommender Freund.

      Ganz anders ist es unterdessen diesem ergangen. Mit offenen Sinnen, mit allen Kräften der Jugend, allem Drange des Genies, aller Wärme des Herzens in das weite Universum geworfen, sieht er den Menschen im Großen wie im Kleinen handeln; er findet Gelegenheit, sein mitgebrachtes Ideal an den wirkenden Kräften der ganzen Gattung zu prüfen. Alles, was er hört, was er sieht, wird mit lebendigem Enthusiasmus von ihm verschlungen, alles in Beziehung auf jenes Ideal empfunden, gedacht und verarbeitet. Der Mensch zeigt sich ihm in mehrern Varietäten; in mehrern Himmelsstrichen, Verfassungen, Graden der Bildung und Stufen des Glückes lernt er ihn kennen. So erzeugt sich in ihm allmählich eine zusammengesetzte und erhabene Vorstellung des Menschen im Großen und Ganzen, gegen welche jedes einengende kleinere Verhältniß verschwindet. Aus sich selbst tritt er jetzt heraus, im großen Weltraum dehnt sich seine Seele ins Weite. – Merkwürdige Menschen, die sich in seine Bahn werfen, zerstreuen seine Aufmerksamkeit, theilen sich in seine Achtung und Liebe. – An die Stelle eines Individuums tritt bei ihm jetzt das ganze Geschlecht; ein vorübergehender jugendlicher Affekt erweitert sich in eine allumfassende unendliche Philanthropie. Aus einem müßigen Enthusiasten ist ein thätiger handelnder Mensch geworden. Jene ehemaligen Träume und Ahnungen, die noch dunkel und unentwickelt in seiner Seele lagen, haben sich zu klaren Begriffen geläutert, müßige Entwürfe in Handlung gesetzt, ein allgemeiner unbestimmter Drang, zu wirken, ist in zweckmäßige Thätigkeit übergegangen. Der Geist der Völker wird von ihm studiert, ihre Kräfte, ihre Hilfsmittel abgewogen, ihre Verfassungen geprüft; im Umgange mit verwandten Geistern gewinnen seine Ideen Vielseitigkeit und Form; geprüfte Weltleute, wie ein Wilhelm von Oranien, Coligny u. A., nehmen ihnen das Romantische und stimmen sie allmählich zu pragmatischer Brauchbarkeit herunter.

      Bereichert mit tausend neuen fruchtbaren Begriffen, voll strebender Kräfte, schöpferischer Triebe, kühner und weitumfassender Entwürfe, mit geschäftigem Kopf, glühendem Herzen, von den großen begeisternden Ideen allgemeiner menschlicher Kraft und menschlichen Adels durchdrungen, und feuriger für die Glückseligkeit dieses großen Ganzen entzündet, das ihm in so vielen Individuen vergegenwärtigt ward,

      »Großmüthig wie der Starke Menschenglück,

       »Aus Ihrem Füllhorn strömen, Geister reifen

       »An Ihrem Weltgebäude.

       Stellen Sie der Menschheit

       »Verlornen Adel wieder her. Der Bürger

       »Sei wiederum, was er zuvor gewesen,

       »Der Krone Zweck, ihn binde keine Pflicht,

       »Als seiner Brüder gleichehrwürd’ge Rechte.

       »Der Landmann rühme sich des Pflugs und gönne

       »Dem König, der nicht Landmann ist, die Krone.

       »In seiner Werkstatt träume sich der Künstler

       »Zum Bildner einer schönern Welt. Den Flug

       »Des Denkers hemme keine Schranke mehr,

       »Als die Bedingung endlicher Naturen.«

      so kommt er jetzt von der großen Ernte zurück, brennend von Sehnsucht, einen Schauplatz zu finden, auf welchem er diese Ideale realisieren, diese gesammelten Schätze in Anwendung bringen könnte. Flanderns Zustand bietet sich ihm dar. Alles findet er hier zu einer Revolution zubereitet. Mit dem Geiste, den Kräften und Hilfsquellen dieses Volks bekannt, die er gegen die Macht seines Unterdrückers berechnet, sieht er das große Unternehmen schon als geendigt an. Sein Ideal republikanischer Freiheit kann kein günstigeres Moment und keinen empfänglicheren Boden finden.

      »So viele reiche blühende Provinzen!

       »Ein kräftiges und großes Volk, und auch

       »Ein gutes Volk, und Vater dieses Volkes,

       »Das, dacht’ ich, das muß göttlich sein.«

      Je elender er dieses Volk findet, desto näher drängt sich dieses Verlangen an sein Herz, desto mehr eilt er, es in Erfüllung zu bringen. Hier, und hier erst, erinnert er sich lebhaft des Freundes, den er, mit glühenden Gefühlen für Menschenglück, in Alcala verließ. Ihn denkt er sich jetzt als Retter der unterdrückten Nation, als das Werkzeug seiner hohen Entwürfe. Voll unaussprechlicher Liebe, weil er ihn mit der Lieblingsangelegenheit seines Herzens zusammen denkt, eilt er nach Madrid in seine Arme, jene Samenkörner von Humanität und heroischer Tugend, die er einst in seine Seele gestreut, jetzt in vollen Saaten zu finden und in ihm den Befreier der Niederlande, den künftigen Schöpfer seines geträumten Staats zu umarmen.

      Leidenschaftlicher als jemals, mit fiebrischer Heftigkeit stürzt ihm dieser entgegen.

      »Ich drück’ an СКАЧАТЬ