Название: Friedrich Schiller: Literatur- und theatertheoretische Essays
Автор: Фридрих Шиллер
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9788027204274
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»Mich will er haben? – Mich? – Ich bin ihm nichts,
»Ich wahrlich nichts! – Mich hier in diesen Zimmern!
»Wie zwecklos und wie ungereimt! – Was kann
»Ihm viel dran liegen, ob ich bin? – Sie sehen,
»Es führt zu nichts.«
Aber nicht lange überläßt er sich dieser müßigen, dieser kindischen Verwunderung. Einem Geiste, gewohnt, wie es dieser ist, jedem Umstande seine Nutzbarkeit abzumerken, auch den Zufall mit bildender Hand zum Plan zu gestalten, jedes Ereigniß in Beziehung auf seinen herrschenden Lieblingszweck sich zudenken, bleibt der hohe Gebrauch nicht lange verborgen, der sich von dem jetzigen Augenblick machen läßt. Auch das kleinste Element der Zeit ist ihm ein heilig anvertrautes Pfund, womit gewuchert werden muß. Noch ist es nicht klarer, zusammenhängender Plan, was er sich denkt; bloße dunkle Ahnung, und auch diese kaum; bloß flüchtig ansteigender Einfall ist es, ob hier vielleicht gelegenheitlich etwas zu wirken sein möchte? Er soll vor Denjenigen treten, der das Schicksal so vieler Millionen in der Hand hat. Man muß den Augenblick nutzen, sagt er zu sich selbst, der nur einmal kommt. Wär’s auch nur ein Feuerfunke Wahrheit, in die Seele dieses Menschen geworfen, der noch keine Wahrheit gehört hat! Wer weiß, wie wichtig ihn die Vorsicht bei ihm verarbeiten kann?– Mehr denkt er sich nicht dabei, als einen zufälligen Umstand auf die beste Art, die er kennt, zu benutzen. In dieser Stimmung erwartet er den König.
Sechster Brief
Ich behalte mir auf eine andere Gelegenheit vor, mich über den Ton, auf welchen sich Posa gleich zu Anfang mit dem Könige stimmt, wie überhaupt über sein ganzes Verfahren in dieser Scene und die Art, wie dieses von dem Könige aufgenommen wird, näher gegen Sie zu erklären, wenn Sie Lust haben, mich zu hören. Jetzt begnüge ich mich bloß, bei demjenigen stehen zu bleiben, was mit dem Charakter des Marquis in der unmittelbarsten Verbindung steht.
Alles, was der Marquis nach seinem Begriffe von dem König vernünftigerweise hoffen konnte bei ihm hervorzubringen – war ein mit Demüthigung verbundenes Erstaunen, daß seine große Idee von sich selbst und seine geringe Meinung von Menschen doch wohl einige Ausnahmen leiden dürfte; alsdann die natürliche unausbleibliche Verlegenheit eines kleinen Geistes vor einem großen Geist. Diese Wirkung konnte wohlthätig sein, wenn sie auch bloß dazu diente, die Vorurtheile dieses Menschen auf einen Augenblick zu erschüttern; wenn sie ihn fühlen ließ, daß es noch jenseits seines gezogenen Kreises Wirkungen gebe, von denen er sich nichts hätte träumen lassen. Dieser einzige Laut konnte noch lange nachhallen in seinem Leben, und dieser Eindruck mußte desto länger bei ihm haften, je mehr er ohne Beispiel war.
Aber Posa hatte den König wirklich zu flach, zu obenhin beurtheilt, oder wenn er ihn auch gekannt hätte, so war er doch von der damaligen Gemüthslage desselben zu wenig unterrichtet, um sie mit in Berechnung zu bringen. Diese Gemüthslage war äußerst günstig für ihn und bereitete seinen hingeworfenen Reden eine Aufnahme, die er mit keinem Grund der Wahrscheinlichkeit hatte erwarten können. Diese unerwartete Entdeckung gibt ihm einen lebhaftern Schwung und dem Stücke selbst eine ganz neue Wendung. Kühn gemacht durch einen Erfolg, der all sein Hoffen übertraf, und durch einige Spuren von Humanität, die ihn an dem König überraschen, in Feuer gesetzt, verirrt er sich auf einen Augenblick bis zu der ausschweifenden Idee, sein herrschendes Ideal von Flanderns Glück u. s. w. unmittelbar an die Person des Königs anzuknüpfen, es unmittelbar durch diesen in Erfüllung zu bringen. Diese Voranssetzung setzt ihn in eine Leidenschaft, die den ganzen Grund seiner Seele eröffnet, alle Geburten seiner Phantasie, alle Resultate seines stillen Denkens ans Licht bringt und deutlich zu erkennen gibt, wie sehr ihn diese Ideale beherrschen. Jetzt, in diesem Zustand der Leidenschaft, werden alle die Triebfedern sichtbar, die ihn bis jetzt in Handlung gesetzt haben; jetzt ergeht es ihm, wie jedem Schwärmer, der von seiner herrschenden Idee überwältigt wird. Er kennt keine Grenzen mehr; im Feuer seiner Begeisterung veredelt er sich den König, der mit Erstaunen ihm zuhört, und vergißt sich so weit, Hoffnungen auf ihn zu gründen, worüber er in den nächsten ruhigen Augenblicken erröthen wird. An Carlos wird jetzt nicht mehr gedacht. Was für ein langer Umweg, erst auf diesen zu warten! Der König bietet ihm eine weit nähere und schnellere Befriedigung dar. Warum das Glück der Menschheit bis auf seinen Erben verschieben?
Würde sich Carlos’ Busenfreund so weit vergessen, würde eine andere Leidenschaft, als die herrschende, den Marquis so weit hingerissen haben? Ist das Interesse der Freundschaft so beweglich, daß man es mit so weniger Schwierigkeit auf einen andern Gegenstand übertragen kann? Aber alles ist erklärt, sobald man die Freundschaft jener herrschenden Leidenschaft unterordnet. Dann ist es natürlich, daß diese, bei dem nächsten Anlaß, ihre Rechte reklamiert und sich nicht lange bedenkt, ihre Mittel und Werkzeuge umzutauschen.
Das Feuer und die Freimütigkeit, womit Posa seine Lieblingsgefühle, die bis jetzt zwischen Carlos und ihm Geheimnisse waren, dem Könige vortrug, und der Wahn, daß dieser sie verstehen, ja gar in Erfüllung bringen könnte, war eine offenbare Untreue, deren er sich gegen seinen Freund Karl schuldig machte. Posa, der Weltbürger, durfte so handeln, und ihm allein kann es vergeben werden; an dem Busenfreunde Karls wäre es eben so verdammlich, als es unbegreiflich sein würde.
Länger als Augenblicke freilich sollte diese Verblendung nicht dauern. Der ersten Ueberraschung, der Leidenschaft vergibt man sie leicht: aber wenn er auch noch nüchtern fortführe, daran zu glauben, so würde er billig in unsern Augen zum Träumer herabsinken. Daß sie aber wirklich Eingang bei ihm gefunden, erhellt aus einigen Stellen, wo er darüber scherzt oder sich ernsthaft davon reinigt. »Gesetzt,« sagt er der Königin, »ich ginge damit um, meinen Glauben auf den Thron zu setzen?«
Königin
Nein, Marquis,
»Auch nicht einmal im Scherze möcht’ ich dieser
»Unreifen Einbildung Sie zeihen. Sie sind
»Der Träumer nicht, der etwas unternähme,
»Was nicht geendigt werden kann«
Marquis.
»Das eben
»Wär’ noch die Frage, denk’ ich.«
Carlos selbst hat tief genug in die Seele seines Freundes gesehen, um einen solchen Entschluß in seiner Vorstellungsart gegründet zu finden, und das, was er selbst bei dieser Gelegenheit über ihn sagt, könnte allein hinreichen, den Gesichtspunkt des Verfassers außer Zweifel zu setzen. »Du selbst,« sagt er ihm, noch immer im Wahn, daß der Marquis ihn aufgeopfert,
»Du selbst wirst jetzt vollenden,
»Was ich gesollt und nicht gekonnt – du wirst
»Den Spaniern die goldnen Tage schenken,
»Die sie von mir umsonst gehofft. Mit mir