Friedrich Schiller: Literatur- und theatertheoretische Essays. Фридрих Шиллер
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СКАЧАТЬ »O, jetzt ist alles wieder gut. Ich liege

       »Am Halse meines Rodrigo.«

      Der Empfang ist der feurigste: aber wie beantwortet ihn Posa? Er, der seinen Freund in voller Blüthe der Jugend verließ und ihn jetzt einer wandelnden Leiche gleich wiederfindet, verweilt er bei dieser traurigen Veränderung? Forscht er lange und ängstlich nach ihren Quellen? Steigt er zu den kleineren Angelegenheiten seines Freundes herunter? Bestürzt und ernsthaft erwiedert er diesen unwillkommenen Empfang.

      »So war es nicht, wie ich Don Philipps Sohn

       »Erwartete – – Das ist

       »Der löwenkühne Jüngling nicht, zu dem

       »Ein unterdrücktes Heldenvolk mich sendet –

       »Denn jetzt steh’ ich als Rodrigo nicht hier,

       »Nicht als des Knaben Carlos Spielgeselle –

       »Ein Abgeordneter der ganzen Menschheit

       »Umarm’ ich Sie – es sind die flandrischen

       »Provinzen, die an Ihrem Halse weinen« u. s. f.

      Unfreiwillig entwischt ihm seine herrschende Idee gleich in den ersten Augenblicken des so lang entbehrten Wiedersehens, wo man sich doch sonst so viel wichtigere Kleinigkeiten zu sagen hat, und Carlos muß alles Rührende seiner Lage aufbieten, muß die entlegensten Scenen der Kindheit hervorrufen, um diese Lieblingsidee seines Freundes zu verdrängen, sein Mitgefühl zu wecken und ihn auf seinen eigenen traurigen Zustand zu heften. Schrecklich sieht sich Posa in den Hoffnungen getäuscht, mit denen er seinem Freunde zueilte. Einen Heldencharakter hatte er erwartet, der sich nach Thaten sehnte, wozu er ihm jetzt den Schauplatz eröffnen wollte. Er rechnete auf jenen Vorrath von erhabener Menschenliebe, auf das Gelübde, das er ihm in jenen schwärmerischen Tagen auf die entzweigebrochene Hostie gethan, und findet Leidenschaft für die Gemahlin seines Vaters. –

      »Das ist der Karl nicht mehr,

       »Der in Alcala von dir Abschied nahm.

       »Der Karl nicht mehr, der sich beherzt getraute,

       »Das Paradies dem Schöpfer abzusehn

       »Und dermaleinst, als unumschränkter Fürst,

       »In Spanien zu pflanzen. O! der Einfall

       »War kindisch, aber göttlich schön. Vorbei

       »Sind diese Träume!« –

      Eine hoffnungslose Leidenschaft, die alle seine Kräfte verzehrt, die sein Leben selbst in Gefahr setzt. Wie würde ein sorgsamer Freund des Prinzen, der aber ganz nur Freund allein, und mehr nicht gewesen wäre, in dieser Lage gehandelt haben? Und wie hat Posa, der Weltbürger, gehandelt? Posa, des Prinzen Freund und Vertrauter, hätte viel zu sehr für die Sicherheit seines Carlos gezittert, als daß er es hätte wagen sollen, zu einer gefährlichen Zusammenkunft mit seiner Königin die Hand zu bieten. Des Freundes Pflicht wär’ es gewesen, auf Erstickung dieser Leidenschaft und keineswegs auf ihre Befriedigung zu denken. Posa, der Sachwalter Flanderns, handelt ganz anders. Ihm ist nichts wichtiger, als diesen hoffnungslosen Zustand, in welchem die thätigen Kräfte seines Freundes versinken, auf das schnellste zu endigen, sollte es auch ein kleines Wagestück kosten. So lang sein Freund in unbefriedigten Wünschen verschmachtet, kann er fremdes Leiden nicht fühlen; so lang seine Kräfte von Schwermuth niedergedrückt sind, kann er sich zu keinem heroischen Entschluß erheben. Von dem unglücklichen Carlos hat Flandern nichts zu hoffen, aber vielleicht von dem glücklichen. Er eilt also, seinen heißesten Wunsch zu befriedigen, er selbst führt ihn zu den Füßen seiner Königin; und dabei allein bleibt er nicht stehen. Er findet in des Prinzen Gemüth die Motive nicht mehr, die ihn sonst zu heroischen Entschlüssen erhoben hatten: was kann er anders thun, als diesen erloschenen Heldengeist an fremdem Feuer entzünden und die einzige Leidenschaft nutzen, die in der Seele des Prinzen vorhanden ist? An diese muß er die neuen Ideen anknüpfen, die er jetzt bei ihr herrschend machen will. Ein Blick in der Königin Herz überzeugt ihn, daß er von ihrer Mitwirkung alles erwarten darf. Nur der erste Enthusiasmus ist es, den er von dieser Leidenschaft entlehnen will. Hat sie dazu geholfen, seinem Freunde diesen heilsamen Schwung zu geben, so bedarf er ihrer nicht mehr, und er kann gewiß sein, daß sie durch ihre eigene Wirkung zerstört werden wird. Also selbst dieses Hinderniß, das sich seiner großen Angelegenheit entgegenwarf, selbst diese unglückliche Liebe, wird jetzt in ein Werkzeug zu jenem wichtigeren Zwecke umgeschaffen, und Flanderns Schicksal muß durch den Mund der Liebe an das Herz seines Freundes reden.

      »– In dieser hoffnungslosen Flamme

       »Erkannt’ ich früh der Hoffnung goldnen Strahl.

       »Ich wollt’ ihn führen zum Vortrefflichen;

       »Die stolze königliche Frucht, woran

       »Nur Menschenalter langsam pflanzen, sollte

       »Ein schneller Lenz der wunderthät’gen Liebe

       »Beschleunigen. Mir sollte seine Tugend

       »An diesem kräft’gen Sonnenblicke reifen.«

      Aus den Händen der Königin empfängt jetzt Carlos die Briefe, welche Posa aus Flandern für ihn mitbrachte. Die Königin ruft seinen entflohenen Genius zurück.

      Noch sichtbarer zeigt sich diese Unterordnung der Freundschaft unter das wichtigere Interesse bei der Zusammenkunft im Kloster. Ein Entwurf des Prinzen auf den König ist fehlgeschlagen; dieses und eine Entdeckung, welche er zum Vortheil seiner Leidenschaft glaubt gemacht zu haben, stürzen ihn heftiger in diese zurück, und Posa glaubt zu bemerken, daß sich Sinnlichkeit in diese Leidenschaft mische. Nichts konnte sich weniger mit seinem höhern Plane vertragen. Alle Hoffnungen, die er auf Carlos’ Liebe zur Königin für seine Niederlande gegründet hat, stürzten dahin, wenn diese Liebe von ihrer Höhe heruntersank. Der Unwille, den er darüber empfindet, bringt seine Gesinnungen an den Tag.

      »O, ich fühle,

       »Wovon ich mich entwöhnen muß. Ja, einst,

       » Einst war’s ganz anders. Da warst du so reich,

       »So warm, so reich! Ein ganzer Weltkreis hatte

       »In deinem weiten Busen Raum. Das alles

       »Ist nun dahin, von Einer Leidenschaft,

       »Von einem kleinen Eigennutz verschlungen:

       »Dein Herz ist ausgestorben. Keine Thräne

       »Dem ungeheuern Schicksal der Provinzen,

       » Nicht einmal eine Thräne mehr! O, Karl,

       »Wie arm bist du, wie bettelarm geworden,

       »Seitdem du Niemand liebst, als dich!«

      Bang vor einem ähnlichen Rückfall, glaubt er einen gewaltsamen Schritt wagen zu müssen. So lange Karl in der Nähe der Königin bleibt, ist er für die Angelegenheit Flanderns verloren. Seine Gegenwart in den Niederlanden kann dort den Dingen eine ganz andere Wendung geben; er steht also keinen Augenblick an, ihn auf die gewaltsamste Art dahin zu bringen.

      »Er soll

       »Dem König ungehorsam werden, soll

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