Das große Jagen. Ludwig Ganghofer
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Название: Das große Jagen

Автор: Ludwig Ganghofer

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 4064066111465

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СКАЧАТЬ allweil ein Lümmel.«

      Die beiden überschritten den Marktplatz, um hinunterzuwandern ins Tal der Ache. Das Bauernlehen des Haynacher lag da drunten, hinter der Saline Frauenreuth. Vor dem Tor des Stiftes sprang ihnen die Schildwach entgegen. Die beiden mußten ihre Namen nennen, ehe sie weiter durften. Der junge Bauer, ärgerlich über den Aufenthalt, knirschte zornig vor sich hin: »Gescheiter, er tät den Unsichtbaren nachspringen, eh daß er einem Gutgläubigen den Weg verstellt. Wie ich heraufgelaufen bin, ist überall die Nacht lebendig gewesen. Die im Stift da droben haben noch allweil blinde Augen.«

      »Die brauchst du ihnen nit zu öffnen, Christl! Sag mir lieber, was ist mit deinem Weib? An Weihnachten hab ich gesehen, daß sie gesegnet ist. Wär's an der Zeit mit ihr? Hat dich die Hebmutter geschickt?«

      Der junge Bauer schüttelte den Kopf. »Ich bin selber gelaufen, aber ich weiß nimmer, was das ist. Die Hasenknopfin –«

      Lewitter wiederholte rasch: »Die Hasenknopfin?«

      Zögernd sagte der junge Bauer: »Wohl! Die Hebmutter von Unterstein.«

      »Dein Lehen gehört zum Markt. Warum mußt du die Hebmutter von Unterstein haben?«

      »Die vom Markt,« erwiderte Christl scheu, »die mag mein Weib nit. Es ist ein Kreuz, Herr!«

      Mehr brauchte Simeon nicht zu hören. Nun wußte er, daß die Haynacherin eine Unsichtbare war, die ihren Leib von einer katholischen Wehmutter nicht berühren ließ. »Dein Weib muß leiden?«

      »Heut nach der zehnten Stund, da hat sie zu schreien angehoben und ist wie unsinnig gewesen.«

      »Ein natürlich Ding, Christl!«

      Wieder schüttelte der junge Haynacher den Kopf. »Vor anderthalb Jahren hat mir meine Martle ein Bübl geboren. Sie sagt, da wär's anders gewesen. Und die Hasenknopfin kennt sich nimmer aus. Sie meint, es wär schon drei Wochen über die Zeit. In mir ist eine Angst –«

      »Die Hasenknopfin wird falsch gerechnet haben. Hast du Feuer daheim?«

      »Der Ofen ist warm, der Herd ist kalt.«

      »So spring voraus, mach Feuer auf dem Herd, daß du kochendes Wasser hast, bis ich komme.«

      Der Bauer fing zu rennen an, daß ihm der schnellste Läufer des Fürstpropstes nicht nachgekommen wäre. Diese straffe, gesunde Gestalt, die noch was Jünglingshaftes hatte, schien Sehnen von Stahl zu besitzen. Der graue Lodenmantel wehte dem Christl vom Halse weg, und das harte Gesicht mit dem kurzen Braunbart war nach vorne gestreckt. So rannte er durch den Mondschein wie ein vom Tod Gehetzter. Der gutgläubige Christl Haynacher mußte seine Martle, obwohl sie eine Unsichtbare war, von Herzen lieb haben. Er rannte keuchend durch die Dampfwolken, die das Frauenreuther Salinenhaus umdunsteten. Über eine Holzbrücke hinüber, durch ein kleines Gärtl und in das niedere Haus. »Tu dich getrösten, Martle!« rief er atemlos in die Schlafkammer, in der das stöhnende Weib die Hände nach ihm streckte. »Gleich kommt der Jud. Der ist geschickter als der Feldscheer. Jetzt muß ich zum Herd. Der Jud will haben, daß ich Wasser sied.« Er sprang zur Küche.

      Bei allen Schmerzen wurde das junge Weib von der Sorge geplagt, daß der Mann eine falsche Pfanne nehmen könnte. Angstvoll schrie sie ihm nach: »Nit das neue Kupferpfändl. Das müssen wir aufheben fürs Kind. Nimm den alten Blechhafen!«

      Christl dachte: ‚Sie sieht nit, was ich nimm.‘ Er haßte das kommende Kind, das sein Weib so schreien machte in Schmerzen, und für seine Martle war ihm die neue Kupferpfanne gerade gut genug. Wär' eine silberne im Haus gewesen, der Christl hätte sie genommen. Eine Minute, und das Feuer züngelte auf dem offenen Herd, die Kupferpfanne hing darüber und rauchte. Jetzt konnte Christl zum Bett seines Weibes springen. Am Türpfosten zwischen den beiden Wohnräumen hing eine qualmende Specklampe und beleuchtete die Stube und die Kammer. In der Stube stand neben dem warmen Feuersteinofen die Wiege, in der das Bübchen schlief; es hatte rote Wangen und schien den braunen Krausbart des Vaters als Perücke zu tragen. Christl warf einen zärtlichen Blick auf das kleine Bürschl, das er jetzt doppelt lieb hatte, weil es vor seinem ersten Tag die Mutter nicht so grausam geplagt hatte, wie dieses neue kommende Leidwesen, das er haßte. Als er hineinsprang in die kleine Kammer, die nicht viel größer war als das plumpe Doppelbett, kam er gerade recht, um dem jungen Weib, das sich in Schmerzen wand, die verkrampften Hände zu lösen. Seine Nähe schien sie ruhiger zu machen. Er lag vor dem Bett auf den Knien, und Martle, ihre Pein verbeißend, umklammerte seine braunen Fäuste. Ihr hübsches Gesicht war entstellt, und das wirre Blondhaar hing um die von Schweiß überglitzerten Wangen. Kaum verständlich stöhnte sie: »Mann, ach Mann, ich tu nit gebären, ich glaub, daß ich sterben muß.«

      Er bettelte: »Herzweibl, magst du nit ein bißl christliche Besinnung haben? Magst du nit einen frommen Notschrei tun zu den vierzehn ewigen Helfern?«

      Heftig wehrte das Weib: »Sterben, wenn's sein muß. Nit lügen! Täten die Soldaten Gottes kommen, jetzt tät ich es sagen, daß ich eine Unsichtbare bin.«

      Er klagte in Gram und Zorn: »Der Himmel tut dich büßen. Not und Elend will kommen über uns, weil du weit bist von meinem Herrgott und dich versündigst am rechten Glauben.«

      »Elend und Not kommt über mich, weil du fern bist von meiner Seligkeit. Du bist so weit von mir – schier sehen dich meine Augen nimmer.« Nach diesen Worten ein gellender Schrei ihrer Qual.

      Nicht dieser Schrei erschütterte ihn. Was ihm das Herz bedrückte, war der Blick der Liebe, der nach ihm dürstete aus ihren verstörten Augen. Wie ein Wahnwitziger keuchte er: »Schick mich den Höllenweg! Ich tu's, Martle, nur daß ich dich nimmer leiden seh! Soll ich dir einen holen von den Deinigen? Daß er dich tröstet?«

      Sie zog seine Hände an ihren Hals. »Mein Vater und meine Mutter haben mich verlassen, haben mich verstoßen. Von den anderen, die meine Geschwister sind in Gott, därf ich keinen beim Namen nennen. Magst du mir was zulieb tun, so hol mir mein Paradiesgärtl und tu mir's unter das Kissen legen. Dann ist mir leichter.«

      Christl sagte wie ein Gefesselter: »Ich tu mich versündigen für alle Ewigkeit. Wo hast du das Büchl?«

      Sie spähte gegen die Stubentür und lauschte. Dann zog sie ihn an sich und flüsterte an seinem Ohr: »In der Milchkammer steht die Kleienkist. Tief mußt du unter die Klei hinuntergreifen. Ganz unten ist das Mehlsäckel versteckt. Im Mehl, da findest du einen Pack. Sieben Lodenfleck sind drumgewickelt.« Ihre Augen begannen zu glänzen. »Da drinnen ist das heilige Büchl.«

      »Martle, ich muß es bringen.« Er sah ihr in die glücklichen Augen. So hatte sie ihn angesehen vor drei Jahren, am Hochzeitstag, als er nach dem Kirchenritt die junge Frau heruntergehoben hatte vom rotgesattelten Brautschimmel. Und während er hinaustaumelte durch die Stube, raunte er wie ein Verzweifelter: »Im Mehlsäckl! Jetzt hat sie's im Mehlsäckl. Und hundertmal hab ich das ganze Haus schon ausgesucht nach dem gottverfluchten Teufelsgut!«

      Als er das Buch – das evangelische Paradiesgärtlein des Johann Arndt – gefunden und aus den mehligen Lappen herausgewickelt hatte, mußte er draufspeien in seinem frommen Christenzorn. Erschrocken wischte er den Speichel wieder fort und hatte, als er in die Schlafkammer trat und sein Weib in Freude die Hände strecken sah, das quälende Gefühl: daß er nicht hätte beschimpfen sollen, was seinem Weibe heilig war. Sie selber schob das Buch unter das vom Schweiß ihrer Schmerzen durchnäßte Kissen. Nun streckte sie sich aus, faltete die Hände und sprach mit lächelnder Innigkeit die leisen Worte: »Vergeltsgott, du Lieber! So viel wohl ist mir jetzt. Gott verlaßt die Seinen nit, die zu ihm stehen in Treu und Redlichkeit.« Während Christl stumm sein СКАЧАТЬ