Das große Jagen. Ludwig Ganghofer
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Название: Das große Jagen

Автор: Ludwig Ganghofer

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 4064066111465

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СКАЧАТЬ der junge Bauer: »Martle! Die Hilf ist da!« Er rannte in den Flur und wollte fast verzweifeln, weil Lewitter so lange brauchte, um sich aus dem Pelz herauszuschälen und auf dem Herd die Hände in heißem Wasser zu waschen.

      Mit der braunen Tasche ging Simeon in die Kammer und zündete, während er freundlich zu der Leidenden redete, eine hellbrennende Kerze an. Dann schloß er die Türe. Christl mußte in der Stube bleiben. In qualvoller Erwartung saß er auf der Ofenbank. Um einen Trost für sein hämmerndes Herz zu haben, nahm er sein Büberl aus der Wiege und sang mit erwürgter Stimme ein Schlummerlied, obwohl der Kleine aus dem festen Kinderschlafe gar nicht erwacht war. Zwischen den Strophen des Liedes stammelte er seine Stoßgebete, immer eines, mit dem er die Heiligen um Hilfe anbettelte für sein leidendes Weib, dann eines, mit dem er Gott um Verzeihung bat für die Todsünde, die er durch Förderung der Gottwidrigkeit einer Unsichtbaren begangen hatte. Da öffnete Lewitter die Kammertür. Er schien erregt zu sein. »Ich hab deinem Weib was geben können, was die Schmerzen lindert. Aber man muß die Hasenknopfin holen. Allein möcht ich auch nit bleiben. Kannst du nit einen Nachbar drum anreden, daß er zur Wehmutter geht?«

      »Wohl!« Christl preßte die Wange an das schlafheiße Gesicht seines Bübchens und legte das Kind in die Wiege. »Ich spring, was ich springen kann.« Durch den Schnee und über den Zaun hinüber. In dem Haus, an dem er pochte, wollte niemand erwachen. Oder war niemand daheim? Waren das auch solche, die sich unsichtbar machen in der Schneenacht? Über die Straße zum nächsten Haus. Hier wurde der alte Bauer wach und murrte in der Fensterluke: »Aus dem Markt will ich die Hebmutter holen. Der Hasenknopfin geh ich nit ums Leben ins Haus.«

      »Jesus, Jesus, ich brauch aber die Hasenknopfin.«

      »So mußt du selber nach Unterstein. Gelobt sei Jesus Christus und die heilige Mutter Marie.« Der alte Bauer schloß das Fenster und sagte in der Stube zu seinem Weib: »Jetzt muß der Haynacher auch nimmer rechtgläubig sein. Er hat den Fegfeuergruß versagt.« Christl hatte der gutkatholischen Antwort nur aus Schreck vergessen. Und während er sich besann, zu welchem Haus er nun rennen sollte, sah er von der Saline her einen Menschen durch die Mondhelle kommen. Im Schneelicht erkannte Christl den Jäger Leupolt Raurisser, mit der Feuersteinflinte unter dem Radmantel. »Jesus, Christbruder, was hast du für einen Weg?«

      »Zum Königssee.«

      »Gott sei Lob und Dank. Da mußt du durch Unterstein. Magst du nit der Hasenknopfin ausrichten, sie soll zur Haynacherin kommen, gleich! Magst du es tun?«

      »Gern, Bauer!«

      »Vergeltsgott tausendmal!« Das sagte Christl, während er schon davonsprang. Dann fiel ihm ein, daß er den Ablaßgruß vergessen hatte. Im Springen schrie er über die Schulter: »Gelobt sei Jesus Christus und die heilige Mutter Marie!«

      Leupolt gab keine Antwort. Rasch, mit federnden Schritten, wanderte er durch den Mondschein, aufwärts an der Ache. Der Schnee knirschte unter seinen eisenbeschlagenen Schuhen. Als er den Wald erreichte, fuhr ein Wildschweinrudel, das von den Untersteiner Sümpfen kam, an ihm vorüber und brach mit Knacken und Rauschen durch den Wald. Nun kam er wieder zu offenem Feld, kam zu den ersten Häusern von Unterstein. Das Haus der Hasenknopfin lag mitten im Dorf, an der Straße. Leupolt pochte. Es rührte sich was in der Stube, das Fenster wurde geöffnet, und eine leise Mädchenstimme fragte: »Was willst du?«

      »Die Hasenknopfin soll zur Haynacherin kommen.«

      Ein mißtrauische Zögern. »Die Mutter ist auswärts.«

      »Ich will zu ihr hinlaufen. Wo ist sie?«

      Das Mädel schwieg, weil es den Jäger im dunklen Mondschatten nicht erkannte. Da beugte Leupolt sich vor und flüsterte: »Es ist ein heilig Ding. Ist deins und meins. Tu reden, Schwester!«

      »Die Mutter ist bei der Kripp, in der das heilige Kindl hat liegen müssen.«

      Leupolt sprang über die Straße, hastete den verschneiten Wiesenhang hinauf und erreichte den Wald. Im schwarzen Schatten unter den Bäumen nahm er den Mantel ab, zog aus dem Bergsack ein weißes Leinenbündel heraus, schlüpfte in das Schneekleid der Unsichtbaren und verwahrte den Sack, das Hütl und die Flinte in den Stauden. Durch den Wald emporsteigend, kam er zu einer Lichtung. Zwischen den letzten Bäumen vernahm er das Schnalzen eines Eichhörnchens – das Wächterzeichen. Leupolt antwortete mit dem gleichen Laut. Wie hier, so war es in dieser weißen Nacht an vielen Orten des Berchtesgadnischen Landes, auf der Gern, zu Bischofswiesen und Ilsank, auf dem Toten Mann, in der Ramsau, am Taubensee und auf dem Schwarzeneck. Überall wanderten die Unsichtbaren, um Gottes Wort zu hören.

      Die geschulte Jägerei des Stiftes zählte in ihren Bezirken jedes hauende Schwein, jeden jagdbaren Hirsch und jede Gemse. Doch unter den fürstpröpstlichen Jägern wußte nur Leupolt Raurisser, wie viele Eichhörnchen in den Berchtesgadnischen Wäldern schnalzten.

       Inhaltsverzeichnis

      Auf der Waldlichtung lag ein Bauerngehöfte, still, mit schwarzen Balkenmauern unter dem weißen Schnee. Kein Laut, keine Spur von Leben. Viele Schrittfährten waren durch den frischgefallenen Schnee getreten, gegen das Gehöfte hin. Leupolt klopfte an der Haustür, dreimal und einmal. Die Tür wurde lautlos aufgetan; eine Hand faßte im finstern Flur den Jäger am Arm und zog ihn durch ein enges Gängelchen. Warmer Stallgeruch quoll ihm entgegen, und als er die feuchte Holztür öffnete, war ihm ein Dunst vor den Augen, als träte er in eine Waschküche mit dampfendem Kessel. Das matte Licht einer trüben Laterne. Damit auch von dieser schwachen Helle kein Schimmer hinausfiele ins Freie, waren die zwei kleinen Fenster dick angestopft mit Heu. Die Hennen glucksten leise in ihrer Steige, zwei Ferkelchen quieksten in einer Bretterkiste, und drei Kühe und zwei Kälber, die enggedrängt an der Futterkrippe standen, rasselten mit ihren Ketten, drehten die Köpfe hin und her und schnaubten. Aller übrige Raum des Stalles war Schulter an Schulter angefüllt mit Leuten, die entlang der Mauer standen oder auf Strohgarben saßen. Alle waren in das gleiche weiße Schneekleid eingehüllt, wie es Leupolt trug, alle hatten die Kapuzen mit den dunklen Augenlöchern über den Köpfen. Inmitten des heiß atmenden Menschenknäuels saß auf dem Melkschemel eine gebeugte Mannsgestalt, unter deren Kapuze ein weißgrauer Bart herausquoll. Das war der Fürsager, der Älteste der versammelten Gemeinde, die noch nie einen Prediger ihres Glaubens gehört hatte. Auf den Knien hielt der Alte das heilige Buch, das der Erwecker ihrer Seelen war, die Quelle ihrer Sehnsucht und die Stillung ihres Zweifels.

      Bei Leupolts Eintritt war Schweigen im Stall. Nur die Raschelgeräusche der Tiere. Und alle dunklen Augenlöcher der weißen Kapuzen drehten sich gegen den Jäger hin. »'s Gotts Willkommen!« grüßte der Fürsager, als die Tür wieder geschlossen war. »Bringst du Botschaft, Bruder?«

      Leupolt erhob die Hand. »Ist eine unter euch, die man nötig hat zwischen Wehbett und Wieg? Sie muß zur Schwester Martle kommen, gleich.«

      Von den weißen Gestalten erhob sich eine, küßte fromm das heilige Buch, das der Fürsager auf den Knien liegen hatte, und verließ den Stall. Wieder das Schweigen, bis die Tür sich geschlossen hatte. Dann sagte der Alte mit seiner sanften Stimme: »Ein Kindl will eintreten ins Elend der Zeit. Lasset uns hoffen, daß ihm der Heiland den rechten Lebenstrost hineinhaucht ins auflebende Herzl.« Alle Köpfe senkten sich, jedes Händepaar klammerte sich vor der Brust ineinander. »Jetzt redet weiter, Leut! Wer ein Unrecht erfahren hat, soll's fürbringen vor dem heiligen Buch. Wissen, daß wir alle leiden müssen ums Himmelreich, das kräftet die Wehleider und die Schwachmütigen!«

      Einer, СКАЧАТЬ