Название: DER ZAR
Автор: Ted Bell
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783958351318
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»Gut möglich«, antwortete sie, woraufhin beide lachten. Schließlich fragte er noch einmal nach dem Weg.
»Ihr Cocktail-Empfang findet im obersten Stockwerk statt – 102, wo eine der Aussichtsplattformen war. Dass sie momentan geschlossen ist, finden viele Leute schade, wie Sie sich vorstellen können, Mr. Strelnikow. Die im 86. Stock darf man ja noch betreten, aber die darüber war deutlich besser.«
»Tja, was will man machen? Die Zeiten ändern sich eben. Alles Gute für Sie, Muriel – und fröhliche Weihnachten Ihnen.«
Das Unternehmen hatte zwei Jahre zuvor das gesamte obere Drittel des Turms gekauft, genauer gesagt die Stockwerke 70 bis 102. Satte 100 Millionen waren vonnöten gewesen, um die Räumlichkeiten auseinanderzunehmen und so einzurichten, wie es sich für das nordamerikanische Hauptquartier der Kapitalgesellschaft Technology, Science & Applied Research geziemte.
Die Kurzform TSAR entsprach dem englischen Wort für »Zar«, den höchsten Herrschertitel im Russischen Kaiserreich. Den Großkonzern so zu nennen zeugte einmal mehr vom Humor des Chefs. Eines musste man dem Kerl lassen: Für ein waschechtes Genie, das obendrein zu den zehn reichsten Milliardären der Welt gehörte, hatte er eine Menge Stil. Was Paddy indes am meisten an ihm bewunderte, war die Umsicht, mit der er für sein Personal sorgte. Dies galt für die gesamte Hierarchie bis ganz nach unten zum kleinen Mann. Dort stand auch Strelnikow selbst, wenngleich er sich fragte, ob man ihn wirklich klein nennen konnte. Er lachte über seinen eigenen Scherz.
Als er einen leeren Aufzug betrat, drückte er auf den Expressknopf, um ohne Zwischenstopp in die oberste Etage befördert zu werden. Der Fahrstuhl fuhr hoch wie eine verdammte Rakete, sodass er schon nach wenigen Minuten wieder aussteigen konnte. Nun kam er sich vor wie auf einem anderen Stern.
Das ganze Geschoss war mittlerweile rundum verglast und mit Marmor gefliest. Die Decke bestand wie die Wände nur aus Glas und Stahl, bestimmt 75 Fuß hoch über den Köpfen der Anwesenden, die trinkend und schwatzend herumliefen. Paddy ging zu der Seite, die auf die Fifth Avenue zeigte. Wohin er sich auch wandte: Überall ringsum ragten die Spitzen der Wolkenkratzer Manhattans auf, und darüber zogen die Schneewolken vorbei, beschienen vom Licht der Scheinwerfer unten auf der Straße. Zentral im Raum befand sich ein quadratischer, ebenfalls durchsichtiger Fahrstuhlschacht, der durchs Dach hinauf zu einem Funkturm führte. Danach sah die Konstruktion jedenfalls aus, die sich noch einmal etwa 20 Stockwerke höher befand.
Auf einer überdachten Plattform auf ungefähr mittlerer Höhe bis nach ganz oben herrschte reges Treiben. Strelnikow schlenderte ein wenig hin und her, um zu sehen, was dort los war.
»Gibt sich King Kong heute Abend noch die Ehre?«, fragte er den Barkeeper hinter einer der vielen Theken an den Rändern des Saals. Fast überall standen Gäste an und warteten auf ein Getränk, hier jedoch nicht, aus welchem Grund auch immer.
Der Mann erwiderte lachend: »Könnte man meinen, nicht wahr? Aber nein, der reichste Mann der Welt soll kommen, wie man mir sagte.«
»Geben Sie mir einen Wodka mit Eis, bitte.«
»Vitamin W, kommt sofort.«
»Danke.«
»Arbeiten Sie für diesen Kerl?«, fragte der Barkeeper weiter, während er die Spirituose einschenkte und das Glas hinüber schob.
»Ja, schon lange.«
»Im Vertrieb? Ich frage nur, weil ich einen dieser neuen Zeta-Computer für meinen Sohn haben will, Sie wissen schon, diese schnittigen Geräte, die wie Gehirne aussehen. Ich habe sie in jeder CompWorld-Filiale der Stadt gesucht, aber überall herrscht seit Ewigkeiten Lieferrückstand.«
»Nein, ich arbeite leider nicht im Vertrieb.«
»Ach, egal. Möchten Sie noch einen?«
»Etwas, das Smirnoff heißt, kann nur gut sein, oder?«
Paddy schob das Glas zum Nachreichen zurück. »Ihr Boss muss ziemlich pfiffig sein, hab ich recht?«, fuhr der Barkeeper fort. »Immerhin hat er den Zeta und all dieses Zeug erfunden. Ist er nicht Russe? Wie heißt er noch gleich?«
»Die Leute, die ich bisher von ihm reden gehört habe, nannten ihn nur Zar Iwan. Heute Abend bekomme ich ihn tatsächlich zum ersten Mal aus nächster Nähe zu sehen.«
»Na, schau an«, entgegnete der Mann hinterm Tresen, trat zurück und legte seinen Kopf in den Nacken. »Ich glaube, gleich ist es soweit. Heiliges Kanonenrohr, hat man so was schon mal erlebt?«
Paddy ließ ebenfalls von der Theke ab und blickte auf. Was er sah, erschreckte und bezauberte ihn derart, dass er sein Glas fallenließ. Es zerbrach auf dem Marmorfußboden, was er im Jubel der Menge jedoch nicht hörte.
Der Anblick dessen, was hoch über der Glasdecke schwebte, war mit nichts weniger als einem fliegenden Wunder gleichzusetzen. Es handelte sich weder um ein Flugzeug noch ein Luftschiff im engeren Sinn, obwohl es sich so bewegte. Folglich musste es ein neuer Typ eines Fluggeräts sein. In jedem Fall sahen Paddy und alle anderen so etwas zum ersten Mal.
Dieses Ding, das einem Zeppelin ähnelte, maß wohl 400 Fuß und hatte einen silbern glänzenden Rumpf. Seitlich am Bug stand in riesigen Buchstaben rot beleuchtet TSAR. Am Heck hingegen prangte der Rote Stern Russlands, den Präsident Putin wieder zu einem angesehenen Symbol gemacht hatte, bevor er auf rätselhafte Weise spurlos verschwunden war.
Die Form dieser Flugmaschine entsprach indes keinem Luftschiff nach Paddys Verständnis. Erstens besaß sie vorne eine sehr weite Öffnung, zweitens lief die Form zum Heck hin spitz zu. An einen Goodyear-Zeppelin erinnerte sie somit keineswegs – nicht im Geringsten.
Sie war merkwürdig geformt, echt verrückt, wirkte aber irgendwie vertraut. Das Einzige, womit Paddy es vergleichen konnte – so sah es tatsächlich aus –, war das gewaltige Triebwerk eines Düsenjägers. Es hätte glatt von einem Flügel eines übergroßen Jets gefallen sein und ein Eigenleben entwickelt haben können. Seitlich zogen sich drei Fensterreihen entlang, sodass man alle Passagiere sah, die wiederum auf die Menschen unter ihnen schauten.
Genau, das war's: Ein gigantischer, silberner Flugzeugmotor, der sich sehr langsam auf die lange Antenne an der Spitze des Empire State Building zubewegte.
Strelnikow trat weiter zurück, um mehr davon zu erkennen, bis er jemanden anrempelte, der dabei stürzte und seinen Drink verschüttete.
»Oh je, tut mir leid«, entschuldigte er sich und bot dem Mann eine Hand an, um ihm aufzuhelfen. Der Kerl war klein, weshalb Paddy ihm fast wieder den Boden unter den Füßen wegriss, als er ihn hochzog. Er trug eine getönte Brille mit dicken Gläsern, die jetzt schief auf seiner Nase saß. Paddy rückte sie für ihn gerade und fuhr ihm über die Brust seines dicken Wollsakkos, als könne er so den Fleck wegwischen, den das verschüttete Getränk hinterlassen hatte – Bloody Mary, wie man anhand der Stange Staudensellerie sehen konnte, die an seiner Schulter hing. Nicht gut.
»Macht nichts«, versicherte der Kerl jedoch. »Ist nicht weiter schlimm, war ja keine Absicht.«
Paddy streckte seine Hand aus und stellte sich vor. »Paddy Strelnikow. Freut mich, Sie kennenzulernen.«
»Dr. Sergei Schumajew«, gab der Mann mit breitem russischen Akzent zurück, während er weiter an seiner Brille herumnestelte, deren Gläser an die Böden von Colaflaschen erinnerten.
»Ganz schön beeindruckend, was? СКАЧАТЬ