Die Memoiren des Sherlock Holmes: Holmes' erstes Abenteuer und andere Detektivgeschichten (Zweisprachige Ausgabe: Deutsch-Englisch). Артур Конан Дойл
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СКАЧАТЬ gewesen, Watson; ich ging lieber grübelnd in meinen vier Wänden meinen eigenen kleinen Ideen nach, sodaß ich wenig mit Altersgenossen verkehrte. Von Fechten und Boxen abgesehen, fand ich an ihren athletischen Künsten keinen Geschmack, auch die Art meines Studiums war anders als die ihre; so hatten wir gar keine Berührungspunkte miteinander Trevor war der einzige, den ich näher kennen lernte, und das auch nur ganz zufällig dadurch, daß sein Bullterrier eines schönen Morgens sich in meine Knöchel verbissen hatte.

      Es war ein prosaisches Freundschaftsband, aber es hielt fest. Zehn Tage mußte ich meinen Knöcheln zuliebe liegen bleiben, und Trevor kam jeden Tag und erkundigte sich nach meinem Ergehen. Zuerst dauerte unsere Unterhaltung nur eine Minute, dann blieb er immer länger, und ehe ich wieder auf war, hatten wir feste Freundschaft geschlossen. Er war ein gemütvoller, kerniger Mensch von Geist und Tatkraft und in vielen Beziehungen ganz das Gegenteil von mir; aber wir hatten erkannt, daß uns manches gemeinsam war, und der Umstand, daß er so wenig Freunde hatte wie ich, knüpfte uns fest zusammen. Schließlich lud er mich zu einem Besuch in Donnithorpe in Norfolk ein, wo sein Vater wohnte, und ich wollte einen Monat lang während der langen Sommerferien seine Gastfreundschaft genießen.

      Der alte Trevor war offenbar ein ziemlich wohlhabender und angesehener Mann, Friedensrichter und Grundbesitzer in Donnithorpe, einem kleinen Orte nördlich von Langmere. Das Wohnhaus war ein altertümliches ausgedehntes Steingebäude mit eichenen Querbalken, Pfosten und Türen, zu dem eine schöne Lindenallee führte. In den nahen Moorheiden fehlte es nicht an allerlei Vogelwild; dazu kam ein guter Fischbestand, eine kleine, aber erlesene Bücherei, die, wie ich hörte, von einem früheren Besitzer übernommen war, und eine passable Küche, sodaß man es wohl einen Monat aushalten konnte.

      Trevor senior war Witwer und mein Freund sein einziger Sohn. Wie man mir sagte, hatte er auch eine Tochter gehabt, aber sie war, während sie in Birmingham zu Besuch weilte, an Diphtheritis gestorben. Für den Vater interessierte ich mich in hohem Grade. Wenig gebildet, besaß er offenbar ein gut Teil urwüchsiger Kraft in physischer wie geistiger Beziehung. Beschwerte ihn aber auch Buchweisheit nicht, so war er dafür weit gereist, hatte viel von der Welt gesehen und alles, was ihm vorgekommen war, fest im Gedächtnis behalten. Körperlich war er ein untersetzter, wohlbeleibter Mann mit buschigem, ergrautem Haar, braunem, sonnenverbranntem Gesicht und blauen Augen mit durchdringendem, fast wildem Ausdruck. Dennoch galt er bei den Bauern jener Gegend als freundlich und barmherzig und war wegen der Milde seiner richterlichen Urteile bekannt.

      Eines Abends, wenige Tage nach meiner Ankunft, saßen wir nach Tische bei einem Glase Portwein, als der junge Trevor anfing, von meinen scharfen Beobachtungen und Schlußfolgerungen zu erzählen, die ich damals schon in ein System gebracht hatte, wenn ich auch noch nicht ahnte, welche Rolle sie in meinem Leben spielen sollten. Offenbar dachte der Alte, sein Sohn übertreibe, als dieser ein paar unbedeutende Kunststückchen von mir zum besten gab, und sagte mit großmütigem Lachen:

      »Herr Holmes, ich bin ein ausgezeichnetes Objekt, nun zeigen Sie mal, ob Sie was von mir ausklügeln können!«

      »Ich fürchte, daß das etwas schwer hält,« antwortete ich. »Ich denke mir, Sie haben während der letzten zwölf Monate gefürchtet, es könnte ein Angriff auf Ihre Person gemacht werden.«

      Das Lachen erstarb auf seinen Lippen, und ganz überrascht starrte er mich an.

      »Ja, das ist freilich wahr,« sagte er. »Du weißt, Viktor, als wir das Wilddiebsnest ausnahmen, schworen sie uns den Tod, und auf Sir Edward Hoby ist tatsächlich ein Mordversuch gemacht worden. Seitdem bin ich immer auf der Hut gewesen, habe aber keine Ahnung, wie Sie das wissen können.«

      »Sie haben einen sehr schönen Stock,« antwortete ich. »Aus der Aufschrift habe ich ersehen, daß Sie ihn erst ein Jahr besitzen. Sie haben aber seinen Knopf mit vieler Mühe ausgebohrt und mit geschmolzenem Blei ausgegossen, sodaß er nun eine furchtbare Waffe ist. Ich schloß, daß Sie solche Vorsichtsmahregeln nicht treffen würden, wenn Sie nicht eine Gefahr voraussähen.«

      »Sonst noch was?« fragte er lächelnd.

      »Sie sind in Ihrer Jugend ein großer Boxer gewesen.«

      »Wieder richtig. Woher wußten Sie das? Hat etwa meine Nase durch einen Stoß ihre gerade Richtung verloren?«

      »Nein,« sagte ich. »Die Ohren sind’s. Sie zeigen die dem richtigen Boxer eigene Abflachung und Verdickung.«

      »Sonst noch was?«

      »Sie haben viel gegraben – wegen Ihrer Schwielen.«

      »Habe mein ganzes Geld in den Goldgruben verdient.«

      »Sie sind in Neuseeland gewesen.«

      »Wieder richtig.«

      »Sie haben Japan besucht.«

      »Ganz recht.«

      »Und Sie standen in den intimsten Beziehungen zu einem, dessen Anfangsbuchstaben J.A. waren und den Sie später ganz aus Ihrem Gedächtnis zu tilgen suchten.«

      Bei diesen Worten richtete sich Herr Trevor langsam auf, heftete seine großen blauen Augen mit einem eigentümlichen wilden und starren Ausdruck auf mich und fiel dann bewußtlos nieder, mit dem Gesicht zwischen die auf dem Tischtuch liegenden Nußschalen.

      Du kannst dir denken, Watson, wie erschrocken wir beide, sein Sohn und ich, waren. Doch ging der Anfall bald vorüber, denn als wir seinen Kragen aufknöpften und ihm Wasser übers Gesicht spritzten, seufzte er ein-oder zweimal tief auf und richtete sich in die Höhe.

      »Ach,« sagte er mit erzwungenem Lächeln, »hoffentlich hab’ ich euch nicht erschreckt. So stark ich aussehe, das Herz ist ein wunder Punkt bei mir, und es gehört nicht viel dazu, mich umzuwerfen. Ich weiß nicht, wie Sie das fertig bringen, Herr Holmes, aber mir scheint’s, alle Detektivs im Leben wie in Erzählungen sind Waisenknaben gegen Sie. Das ist Ihr eigentlicher Beruf, glauben Sie einem Manne, der etwas von der Welt gesehen hat!«

      Und dieser Hinweis zusammen mit der übertriebenen Wertschätzung meiner Geschicklichkeit, brachte mich, du kannst mir’s glauben, Watson, zu allererst auf den Gedanken, es könnte vielleicht mein Lebenslauf werden, was bis dahin eitel Spielerei gewesen war. In jenem Augenblick war ich freilich noch zu sehr über das plötzliche Unwohlsein meines Wirtes betroffen, um irgend welchen anderen Gedanken Raum zu geben.

      »Ich hoffe, meine Worte haben Ihnen keinen Schmerz bereitet,« sagte ich.

      »Nun, jedenfalls haben Sie einen etwas empfindlichen Punkt berührt. Wollen Sie mir sagen; wie Sie zu der Kenntnis gekommen sind und wie weit Ihre Kenntnis reicht?« Er sprach jetzt in halb scherzhaftem Tone, aber ich sah im Hintergrunde seiner Augen noch einen Ausdruck des Schreckens.

      »Es ist das einfachste von der Welt,« sagte ich. »Als Sie damals Ihren Arm entblößten, um den Fisch ins Boot zu holen, sah ich an Ihrem inneren Ellenbogen ›J. A.‹ eintätowiert. Die Buchstaben waren noch lesbar, aber ihr verschwommenes Aussehen und der fleckige Zustand der Haut ringsum ließen klar erkennen, daß man versucht hatte, sie auszutilgen. Daraus ergab sich ohne weiteres der Schluß, daß Ihnen die Buchstaben einmal sehr teuer gewesen waren, und daß Sie sie dann zu vergessen wünschten.«

      »Was für ein Auge Sie haben!« rief er mit einem Seufzer der Erleichterung. »Sie haben genau das Richtige getroffen. Aber wir wollen das ruhen lassen! Von allen Erinnerungen ist die an eine tote Liebe am übelsten. Kommt ins Billardzimmer und laßt uns da gemütlich eine Zigarre rauchen!«

      Von dem Tage an lag in СКАЧАТЬ