Die Memoiren des Sherlock Holmes: Holmes' erstes Abenteuer und andere Detektivgeschichten (Zweisprachige Ausgabe: Deutsch-Englisch). Артур Конан Дойл
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Читать онлайн книгу Die Memoiren des Sherlock Holmes: Holmes' erstes Abenteuer und andere Detektivgeschichten (Zweisprachige Ausgabe: Deutsch-Englisch) - Артур Конан Дойл страница 16

СКАЧАТЬ frisches Gesicht den Ausdruck jugendlicher Heiterkeit, doch jetzt ließ er die Mundwinkel vor Verzweiflung herabhängen, und das nahm sich wirklich bei ihm ganz komisch aus. Was ihn in seiner Not zu Sherlock Holmes getrieben hatte, erfuhr ich übrigens nicht eher, als bis wir in unserem Abteil erster Klasse die Fahrt nach Birmingham angetreten hatten.

      »Jetzt bleiben wir siebzig Minuten ganz ungestört«, erklärte Holmes, »und ich bitte Sie, Herr Pycroft, meinem Freunde hier Ihre interessanten Erlebnisse, genau wie Sie sie mir mitgeteilt haben, oder womöglich noch ausführlicher, zu wiederholen. Es wird mir von Nutzen sein, die Ereignisse noch einmal der Reihe nach zu hören. Der Fall mag von Bedeutung sein oder nicht, Watson, jedenfalls hat er etwas Ungewöhnliches, Fremdartiges an sich, was dich vermutlich ebenso reizen wird wie mich. – Nun also, wenn’s beliebt, Herr Pycroft! Ich werde Sie nicht mehr unterbrechen.«

      Unser junger Gefährte streifte mich mit einem etwas befangenen Seitenblick und begann:

      »Das Schlimmste bei der Geschichte ist, daß ich mich so verdammt habe zum Narren machen lassen. Es kann ja natürlich noch alles ausgeglichen werden, und ich sehe auch nicht ein, wie ich’s hätte anders anfangen sollen. Wenn ich aber meine Stelle verliere und nichts als das leere Nachsehen behalte, wird’s mich gehörig wurmen, daß ich ein solcher Dummkopf gewesen bin. – Ich habe kein Erzählertalent, Doktor Watson, aber Sie sollen hören, wie mir’s ergangen ist:

      Ich hatte eine Anstellung bei Coxon & Woodhouse; allein in diesem Frühjahr ließ sich die Firma mit der Venezuela-Anleihe hinters Licht führen, Sie erinnern sich wohl daran – und da ging das Geschäft in die Brüche. Fünf Jahre war ich dort gewesen, und der alte Coxon gab mir ein famoses Zeugnis, als der Krach kam; aber natürlich wurden wir Gehilfen, alle siebenundzwanzig, entlassen. – Ich versuchte es hier und dort; doch weil, wie Sie sich denken können, die jungen Leute haufenweise in der gleichen Patsche waren wie ich, konnte man lange Zeit nirgends ankommen. Bei Coxon hatte ich drei Pfund die Woche gehabt und alles in allem etwa siebzig Pfund zurückgelegt, aber mein Schatz war bald aufgezehrt. Schließlich saß ich gründlich in der Klemme und wußte kaum noch, woher ich Briefpapier und Freimarken nehmen sollte, um die verschiedenen Anzeigen zu beantworten. Die Stiefelsohlen hatte ich mir schon auf den vielen Bürotreppen abgelaufen, und noch immer war keine Aussicht auf einen Posten für mich vorhanden.

      Endlich las ich, daß Mawson & Williams, die große Maklerfirma in der Lombardstraße, eine Stelle ausgeschrieben hatte. Wahrscheinlich halten Sie nicht viel von dieser Stadtgegend; aber das kann ich Ihnen sagen, es ist eins der reichsten Häuser in London. Etwaige Bewerber sollten sich nur schriftlich melden. Das tat ich denn und schickte auch meine Zeugnisse ein, aber ohne die geringste Hoffnung auf Erfolg. Da kam jedoch umgehend der Bescheid, daß ich mich am nächsten Montag einstellen und mein neues Amt sogleich übernehmen könne, falls meine Persönlichkeit nicht mißfiele.

      Weiß der liebe Himmel, wie es bei solchen Bewerbungen zugeht. Manche Leute behaupten, der Geschäftsherr greife aufs Geratewohl in den Haufen von Anerbietungen und wähle die erste beste, die ihm in die Hand kommt. Wie dem auch sein mag, diesmal hatte es mich getroffen, und wer war glücklicher als ich! – Mein Gehalt betrug ein Pfund mehr die Woche als bei Coxon und die Arbeit war ungefähr dieselbe.

      Nun komme ich aber zu dem absonderlichen Teil der Angelegenheit: Ich wohnte zur Miete draußen auf dem Wege nach Hampstead, Potters Terasse Nr. 17 war meine Adresse. Am selben Abend, nachdem mir die Stelle versprochen war, sitze ich in meiner Stube und lasse mir vergnügt eine Pfeife schmecken; da bringt mir die Wirtin eine Karte herein, auf der »Arthur Pinner, Geschäftsagent,« gedruckt stand. Diesen Namen hatte ich niemals gehört und konnte mir nicht denken, was der Mann von mir wollte; aber natürlich sagte ich der Wirtin, sie möge den Herrn bitten heraufzukommen. Ein mittelgroßer Mann trat ein, schwarz von Haar und Bart und mit stark gebogener Nase; er sprach lebhaft und in bestimmtem Ton, wie jemand, der keine Zeit verlieren will.

      »Herr Pycroft, wenn ich nicht irre?«

      »Der bin ich«, antwortete ich und schob ihm einen Stuhl hin.

      »Bisher bei Coxon & Woodhouse im Geschäft?«

      »Jawohl.«

      »Und jetzt bei Mawson angestellt?«

      »Ganz recht.«

      »Was mich zu Ihnen führt, geehrter Herr, ist, daß ich viel Rühmliches von Ihrer kaufmännischen Begabung gehört habe. Sie erinnern sich wohl an Parker, der Geschäftsführer bei Coxon war? Er ist voll des höchsten Lobes für Sie.«

      Natürlich hörte ich das sehr gern. Ich war zwar immer recht tüchtig im Kontor gewesen, aber doch hätte ich mir nie träumen lassen, daß man in der Kaufmannswelt so von mir spräche.

      »Sie haben ein gutes Gedächtnis?« fragte er weiter.

      »Das geht wohl an«, erwiderte ich bescheiden.

      »Sind Sie, während Sie außer Stellung waren, mit dem Börsenkurs auf dem laufenden geblieben?«

      »Jawohl, ich lese jeden Morgen den Kurszettel.«

      »Wirklich – nun, das zeugt von wahrem Eifer; dabei können Sie es zu etwas bringen. Mit Ihrer Erlaubnis möchte ich Sie ein wenig auf die Probe stellen. – Warten Sie einmal: Wie stehen die Ayrshire-Pfandbriefe?«

      »Einhundertfünf bis fünfeinhalb.«

      »Und die Neuseeland-Konsols?«

      »Einhundertundvier.«

      »Die britischen Hügellose?«

      »Sieben bis sieben und ein halb.«

      »Wunderbar!« rief er und schlug die Hände zusammen. »Das stimmt zu allem, was ich von Ihnen gehört habe. Junger Mann, junger Mann, Sie sind viel zu gut, um Schreiber bei Mawson zu werden.«

      Dieser Ausspruch setzte mich einigermaßen in Erstaunen, wie Sie sich denken können. »Hm«, sagte ich, »andere Leute scheinen doch keine so hohe Meinung von mir zu haben, wie Sie, Herr Pinner. Es ist mir sauer genug geworden, wieder eine Stellung zu finden, und ich bin gottfroh, daß ich sie bekommen habe.«

      »Oho, junger Mann, Sie sollten höher hinauf streben«, fing er wieder an. »Sie sind noch gar nicht in Ihrer rechten Sphäre. Hören Sie auf mich! – Was ich Ihnen bieten kann, ist im Verhältnis zu Ihren Fähigkeiten wenig genug, aber mit Mawsons Stelle verglichen ist es wie Tag und Nacht. Lassen Sie uns noch einmal überlegen. – Wann gehen Sie zu Mawson?«

      »Nächsten Montag.«

      »Ha, ha!« lachte er. »Ich möchte wohl eine kleine Wette wagen, daß Sie gar nicht eintreten.«

      »Ich – nicht bei Mawson?« –

      »Nein, bester Herr. An dem Tage werden Sie Geschäftsführer der Anglofranzösischen Aktiengesellschaft für Eisen-und Stahlwaren sein, die hundertundvier Zweiggeschäfte in verschiedenen Städten und Dörfern Frankreichs hat, eins in Brüssel und eins in San Remo gar nicht zu rechnen.«

      Das benahm mir fast den Atem. »Davon habe ich noch nie gehört«, sagte ich.

      »Ganz natürlich«, erwiderte er. »Man hat es nicht an die große Glocke gehängt; die Kapitalien wurden alle unter der Hand gezeichnet, solche Werte braucht man nicht erst öffentlich auszuschreiben. Mein Bruder, Harry Pinner, ist Mitbegründer der Gesellschaft und tritt sofort nach Zeichnung der Aktien als Direktor in den Vorstand. Er СКАЧАТЬ