Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше
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      Fe­lix Men­dels­sohn. – Fe­lix Men­dels­sohns Mu­sik ist die Mu­sik des gu­ten Ge­schmacks an al­lem Gu­ten, was da­ge­we­sen ist: sie weist im­mer hin­ter sich. Wie könn­te sie viel "Vor-sich", viel Zu­kunft ha­ben! – Aber hat er sie denn ha­ben wol­len? Er be­saß eine Tu­gend, die un­ter Künst­lern sel­ten ist, die der Dank­bar­keit ohne Ne­ben­ge­dan­ken: auch die­se Tu­gend weist im­mer hin­ter sich.

      Ei­ne Mut­ter der Küns­te. – In un­se­rem skep­ti­schen Zeit­al­ter ge­hört zur ei­gent­li­chen De­vo­tion fast ein bru­ta­ler He­ro­is­mus des Ehr­gei­zes; das fa­na­ti­sche Au­gen­schlie­ßen und Knie­beu­gen ge­nügt nicht mehr. Wäre es nicht mög­lich, daß der Ehr­geiz, in der De­vo­ti­on der Letz­te für alle Zei­ten zu sein, der Va­ter ei­ner letz­ten ka­tho­li­schen Kir­chen­mu­sik wür­de, wie er schon der Va­ter des letz­ten kirch­li­chen Bau­stils ge­we­sen ist? (Man nennt ihn Je­sui­ten­stil.)

      Frei­heit in Fes­seln – eine fürst­li­che Frei­heit. – Der letz­te der neue­ren Mu­si­ker, der die Schön­heit ge­schaut und an­ge­be­tet hat gleich Leo­par­di, der Pole Cho­pin, der Un­nach­ahm­li­che – alle vor und nach ihm Ge­kom­me­nen ha­ben auf dies Bei­wort kein An­recht – Cho­pin hat­te die­sel­be fürst­li­che Vor­nehm­heit der Kon­ven­ti­on, wel­che Raf­fa­el im Ge­brau­che der her­kömm­lichs­ten ein­fachs­ten Far­ben zeigt, – aber nicht in be­zug auf Far­ben, son­dern auf die me­lo­di­schen und rhyth­mi­schen Her­kömm­lich­kei­ten. Die­se ließ er gel­ten, als ge­bo­ren in der Eti­quet­te, aber wie der frei­es­te und an­mu­tigs­te Geist in die­sen Fes­seln spie­lend und tan­zend – und zwar oh­ne sie zu ver­höh­nen.

      Cho­pins Bar­ca­ro­le. – Fast alle Zu­stän­de und Le­bens­wei­sen ha­ben einen se­li­gen Mo­ment. Den wis­sen die gu­ten Künst­ler her­aus­zu­fi­schen. So hat einen sol­chen selbst das Le­ben am Stran­de, das so lang­wei­li­ge, schmut­zi­ge, un­ge­sun­de, in der Nähe des lär­mends­ten und hab­gie­rigs­ten Ge­sin­dels sich ab­spin­nen­de; – die­sen se­li­gen Mo­ment hat Cho­pin in der Bar­ca­ro­le so zum Er­tö­nen ge­bracht, daß selbst Göt­ter da­bei ge­lüs­ten könn­te, lan­ge Som­mer­aben­de in ei­nem Kah­ne zu lie­gen.

      Ro­bert Schu­mann. – Der "Jüng­ling", wie ihn die ro­man­ti­schen Lie­der­dich­ter Deutsch­lands und Frank­reichs um das ers­te Drit­tel die­ses Jahr­hun­derts träum­ten, – die­ser Jüng­ling ist voll­stän­dig in Sang und Ton über­setzt wor­den – durch Ro­bert Schu­mann, den ewi­gen Jüng­ling, so lan­ge er sich in vol­ler eig­ner Kraft fühl­te: es gibt frei­lich Mo­men­te, in de­nen sei­ne Mu­sik an die ewi­ge "alte Jung­fer" er­in­nert.

      Die dra­ma­ti­schen Sän­ger. – "Wa­rum singt die­ser Bett­ler?" – Er ver­steht wahr­schein­lich nicht zu jam­mern. – "Dann tut er Recht: aber un­se­re dra­ma­ti­schen Sän­ger, wel­che jam­mern, weil sie nicht zu sin­gen ver­ste­hen – tun sie auch das Rech­te?"

      Dra­ma­ti­sche Mu­sik. – Für den, wel­cher nicht sieht, was auf der Büh­ne vor­geht, ist die dra­ma­ti­sche Mu­sik ein Un­ding; so gut der fort­lau­fen­de Kom­men­tar zu ei­nem ver­lo­ren ge­gan­ge­nen Tex­te ein Un­ding ist. Sie ver­langt ganz ei­gent­lich, daß man auch die Ohren dort habe, wo die Au­gen ste­hen; da­mit ist aber an Eu­ter­pe Ge­walt ge­übt: die­se arme Muse will, daß man ihre Au­gen und Ohren dort ste­hen las­se, wo alle an­de­ren Mu­sen sie auch ha­ben.

      Sieg und Ver­nünf­tig­keit. – Lei­der ent­schei­det auch bei den äs­the­ti­schen Krie­gen, wel­che Künst­ler mit ih­ren Wer­ken und de­ren Schutz­re­den er­re­gen, zu­letzt die Kraft und nicht die Ver­nunft. Jetzt nimmt alle Welt als his­to­ri­sche Tat­sa­che an, daß Gluck im Kamp­fe mit Pic­ci­ni Recht ge­habt habe: je­den­falls hat er ge­siegt; die Kraft stand auf sei­ner Sei­te.

      Vom Prin­zi­pe des Vor­trags in der Mu­sik. – Glau­ben denn wirk­lich die jet­zi­gen Künst­ler des mu­si­ka­li­schen Vor­trags, das höchs­te Ge­bot ih­rer Kunst sei, je­dem Stück so viel Hochre­li­e­f zu ge­ben, als nur mög­lich ist, und es um je­den Preis eine dra­ma­ti­sche Spra­che re­den zu las­sen? Ist dies, zum Bei­spiel auf Mo­zart an­ge­wen­det, nicht ganz ei­gent­lich eine Sün­de wi­der den Geist, den hei­te­ren, son­ni­gen, zärt­li­chen, leicht­sin­ni­gen Geist Mo­zarts, des­sen Ernst ein gü­ti­ger und nicht ein furcht­ba­rer Ernst ist, des­sen Bil­der nicht aus der Wand her­aus­sprin­gen wol­len, um die An­schau­en­den in Ent­set­zen und Flucht zu ja­gen. Oder meint ihr, Mo­zar­ti­sche Mu­sik sei gleich­be­deu­tend mit "Mu­sik des stei­ner­nen Gas­tes"? Und nicht nur Mo­zar­ti­sche, son­dern alle Mu­sik? – Aber ihr ent­geg­net, die grö­ße­re Wir­kung spre­che zu­guns­ten eu­res Prin­zips – und ihr hät­tet recht, wo­fern nicht die Ge­gen­fra­ge üb­rig blie­be, auf wen da ge­wirkt wor­den sei, und auf wen ein vor­neh­mer Künst­ler über­haupt nur wir­ken wol­len dür­fe! Nie­mals auf das Volk! Nie­mals auf die Un­rei­fen! Nie­mals auf die Emp­find­sa­men! Nie­mals auf die Krank­haf­ten! Vor al­lem aber: nie­mals auf die Ab­ge­stumpf­ten!

      Mu­sik von heu­te. – Die­se mo­d­erns­te Mu­sik, mit ih­ren star­ken Lun­gen und schwa­chen Ner­ven, erschrickt im­mer zu­erst vor sich sel­ber.

      Wo die Mu­sik hei­misch ist. – Die Mu­sik er­langt ihre große Macht nur un­ter Men­schen, wel­che nicht dis­ku­tie­ren kön­nen oder dür­fen. Ihre För­de­rer ers­ten Ran­ges sind des­halb Fürs­ten, wel­che wol­len, daß in ih­rer Nähe nicht viel kri­ti­siert, ja nicht ein­mal viel ge­dacht wer­de; so­dann Ge­sell­schaf­ten, wel­che un­ter ir­gend ei­nem Dru­cke (ei­nem fürst­li­chen oder re­li­gi­ösen) sich an das Schwei­gen ge­wöh­nen müs­sen, aber um so stär­ke­re Zau­ber­mit­tel ge­gen die Lan­ge­wei­le des Ge­fühls su­chen (ge­wöhn­lich die ewi­ge Ver­liebt­heit und die ewi­ge Mu­sik); drit­tens gan­ze Völ­ker, in de­nen es kei­ne "Ge­sell­schaft" gibt, aber um so mehr ein­zel­ne mit ei­nem Hang zur Ein­sam­keit, zu halb­dunklen Ge­dan­ken und zur Ver­eh­rung al­les Unaus­sprech­li­chen: es sind die ei­gent­li­chen Mu­sik­see­len. – Die Grie­chen, als ein red- und streit­lus­ti­ges Volk, ha­ben des­halb die Mu­sik nur als Zu­kost zu Küns­ten ver­tra­gen, über wel­che sich wirk­lich strei­ten und re­den läßt: wäh­rend über die Mu­sik sich kaum rein­lich den­ken läßt. Die Py­tha­go­re­er, jene Aus­nah­me-Grie­chen СКАЧАТЬ