Название: Gesammelte Werke
Автор: Фридрих Вильгельм Ðицше
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962815295
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In der Vielheit der Sprachen giebt sich sofort die Thatsache kund, daß Wort und Ding sich nicht vollständig und nothwendig decken, sondern daß das Wort ein Symbol ist. Was symbolisirt aber das Wort? Doch gewiß nur Vorstellungen, seien dies nun bewußte oder, der Mehrzahl nach, unbewußte: denn wie sollte ein Wort-Symbol jenem innersten Wesen, dessen Abbilder wir selbst, sammt der Welt, sind, entsprechen? Nur als Vorstellungen kennen wir jenen Kern, nur in seinen bildlichen Äußerungen haben wir eine Vertrautheit mit ihm: außerdem giebt es nirgends eine direkte Brücke, die uns zu ihm selbst führte. Auch das gesammte Triebleben, das Spiel der Gefühle Empfindungen Affekte Willensakte, ist uns – wie ich hier gegen Schopenhauer einschalten muß – bei genauester Selbstprüfung nur als Vorstellung, nicht seinem Wesen nach, bekannt: und wir dürfen wohl sagen, daß selbst der »Wille« Schopenhauer’s nichts als die allgemeinste Erscheinungsform eines uns übrigens gänzlich Unentzifferbaren ist. Müssen wir uns also schon in die starre Nothwendigkeit fügen, nirgends über die Vorstellungen hinauszukommen, so können wir doch wieder im Bereich der Vorstellungen zwei Hauptgattungen unterscheiden. Die einen offenbaren sich uns als Lust- und Unlustempfindungen und begleiten als nie fehlender Grundbaß alle übrigen Vorstellungen. Diese allgemeinste Erscheinungsform, aus der und unter der wir alles Werden und alles Wollen einzig verstehen und für die wir den Namen »Wille« festhalten wollen, hat nun auch in der Sprache ihre eigne symbolische Sphäre: und zwar ist diese für die Sprache ebenso fundamental, wie jene Erscheinungsform für alle übrigen Vorstellungen. Alle Lust- und Unlustgrade – Äußerungen eines uns nicht durchschaubaren Urgrundes – symbolisiren sich im Tone des Sprechenden: während sämmtliche übrigen Vorstellungen durch die Geberdensymbolik des Sprechenden bezeichnet werden. Insofern jener Urgrund in allen Menschen derselbe ist, ist auch der Tonuntergrund der allgemeine und über die Verschiedenheit der Sprachen hinaus verständliche. Aus ihm entwickelt sich nun die willkürlichere und ihrem Fundament nicht völlig adäquate Geberdensymbolik: mit der die Mannigfaltigkeit der Sprachen beginnt, deren Vielheit wir gleichnißweise als einen strophischen Text auf jene Urmelodie der Lust- und Unlustsprache ansehen dürfen. Das ganze Bereich des Consonantischen und Vokalischen glauben wir nur unter die Geberdensymbolik rechnen zu dürfen – Consonanten und Vokale sind ohne den vor Allem nöthigen fundamentalen Ton nichts als Stellungen der Sprachorgane, kurz Geberden –; sobald wir uns das Wort aus dem Munde des Menschen hervorquellen denken, so erzeugt sich zu allererst die Wurzel des Wortes und das Fundament jener Geberdensymbolik, der Tonuntergrund, der Wiederklang der Lust- und Unlustempfindungen. Wie sich unsre ganze Leiblichkeit zu jener ursprünglichsten Erscheinungsform, dem »Willen« verhält, so verhält sich das consonantisch-vokalische Wort zu seinem Tonfundamente.
Diese ursprünglichste Erscheinungsform, der »Wille«, mit seiner Skala der Lust- und Unlustempfindungen, kommt aber in der Entwicklung der Musik zu einem immer adäquateren symbolischen Ausdruck: als welchem historischen Proceß das fortwährende Streben der Lyrik nebenher läuft, die Musik in Bildern zu umschreiben: wie dieses Doppelphänomen, nach der soeben gemachten Ausführung, in der Sprache uranfänglich vorgebildet liegt.
Wer uns in diese schwierigen Betrachtungen bereitwillig, aufmerksam und mit einiger Phantasie gefolgt ist – auch mit Wohlwollen ergänzend, wo der Ausdruck zu knapp oder zu unbedingt ausgefallen ist – der wird nun mit uns den Vortheil haben, einige aufregende Streitfragen der heutigen Ästhetik und noch mehr der gegenwärtigen Künstler sich ernsthafter vorlegen und tiefer beantworten zu können, als dies gemeinhin zu geschehen pflegt. Denken wir uns, nach allen Voraussetzungen, welch ein Unterfangen es sein muß, Musik zu einem Gedichte zu machen, d. h. ein Gedicht durch Musik illustriren zu wollen, um damit der Musik zu einer Begriffssprache zu verhelfen: welche verkehrte Welt! Ein Unterfangen, das mir vorkommt als ob ein Sohn seinen Vater zeugen wollte! Die Musik kann Bilder aus sich erzeugen, die dann immer nur Schemata, gleichsam Beispiele ihres eigentlichen allgemeinen Inhaltes sein werden. Wie aber sollte das Bild, die Vorstellung aus sich heraus Musik erzeugen können! Geschweige denn, daß dies der Begriff oder, wie man gesagt hat, die »poetische Idee« zu thun im Stande wäre. So gewiß aus der mysteriösen Burg des Musikers eine Brücke in’s freie Land der Bilder führt – und der Lyriker schreitet СКАЧАТЬ