Название: Gesammelte Werke
Автор: Фридрих Вильгельм Ðицше
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962815295
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Wer den Krieg und seine uniformirte Möglichkeit, den Soldatenstand, in Bezug auf das bisher geschilderte Wesen des Staates betrachtet, muß zu der Einsicht kommen, daß durch den Krieg und im Soldatenstande uns ein Abbild, oder gar vielleicht das Urbild des Staates vor Augen gestellt wird. Hier sehen wir, als allgemeinste Wirkung der Kriegstendenz, eine sofortige Scheidung und Zertheilung der chaotischen Masse in militärische Kasten, aus denen sich pyramidenförmig, auf einer allerbreitesten sklavenartigen untersten Schicht, der Bau der »kriegerischen Gesellschaft« erhebt. Der unbewußte Zweck der ganzen Bewegung zwingt jeden Einzelnen unter sein Joch und erzeugt auch bei heterogenen Naturen eine gleichsam chemische Verwandlung ihrer Eigenschaften, bis sie mit jenem Zwecke in Affinität gebracht sind. In den höheren Kasten spürt man schon etwas mehr, um was es sich, bei diesem innerlichen Processe, im Grunde handelt, nämlich um die Erzeugung des militärischen Genius – den wir als den ursprünglichen Staatengründer kennen gelernt haben. An manchen Staaten z. B. an der lykurgischen Verfassung Sparta’s kann man deutlich den Abdruck jener Grundidee des Staates, der Erzeugung des militärischen Genius, wahrnehmen. Denken wir uns jetzt den militärischen Urstaat in lebhaftester Regsamkeit, in seiner eigentlichen »Arbeit«, und führen wir uns die ganze Technik des Kriegs vor Augen, so können wir uns nicht entbrechen, unsere überallher eingesognen Begriffe von der »Würde des Menschen« und der »Würde der Arbeit« durch die Frage zu corrigiren, ob denn auch zu der Arbeit, die die Vernichtung von »würdevollen« Menschen zum Zwecke hat, ob auch zu dem Menschen, der mit jener »würdevollen Arbeit« betraut ist, der Begriff von Würde stimmt, oder ob nicht, in dieser kriegerischen Aufgabe des Staates, jene Begriffe, als unter einander widerspruchsvolle, sich gegenseitig aufheben. Ich dächte, der kriegerische Mensch wäre ein Mittel des militärischen Genius und seine Arbeit wiederum nur ein Mittel desselben Genius; und nicht ihm, als absolutem Menschen und Nichtgenius, sondern ihm als Mittel des Genius – der auch seine Vernichtung als Mittel des kriegerischen Kunstwerks belieben kann – komme ein Grad von Würde zu, jener Würde nämlich, zum Mittel des Genius gewürdigt zu sein. Was aber hier an einem einzelnen Beispiel gezeigt ist, gilt im allgemeinsten Sinne: jeder Mensch, mit seiner gesammten Thätigkeit, hat nur soviel Würde, als er, bewußt oder unbewußt, Werkzeug des Genius ist; woraus sofort die ethische Consequenz zu erschließen ist, daß der »Mensch an sich«, der absolute Mensch, weder Würde, noch Rechte, noch Pflichten besitzt: nur als völlig determinirtes, unbewußten Zwecken dienendes Wesen kann der Mensch seine Existenz entschuldigen.
Der vollkommne Staat Plato’s ist nach diesen Betrachtungen gewiß noch etwas Größeres als selbst die Warmblütigen unter seinen Verehrern glauben, gar nicht zu reden von der lächelnden Überlegenheitsmiene, mit der unsre »historisch« Gebildeten eine solche Frucht des Alterthums abzulehnen wissen. Das eigentliche Ziel des Staates, die olympische Existenz und immer erneute Zeugung und Vorbereitung des Genius, dem gegenüber alles Andere nur Werkzeuge, Hülfsmittel und Ermöglichungen sind, ist hier durch eine dichterische Intuition gefunden und mit Derbheit hingemalt. Plato sah durch die schrecklich verwüstete Herme des damaligen Staatslebens hindurch und gewahrte auch jetzt noch etwas Göttliches in ihrem Inneren. Er glaubte daran, daß man dies Götterbild herausnehmen könne und daß die grimmige und barbarisch verzerrte Außenseite nicht zum Wesen des Staates gehöre: die ganze Inbrunst und Erhabenheit seiner politischen Leidenschaft warf sich auf jenen Glauben, auf jenen Wunsch – an dieser Gluth verbrannte er. Daß er in seinem vollkommen Staate nicht den Genius in seinem allgemeinen Begriff an die Spitze stellte, sondern nur den Genius der Weisheit und des Wissens, daß er die genialen Künstler aber überhaupt aus seinem Staate ausschloß, das war eine starre Consequenz des sokratischen Urtheils über die Kunst, das Plato, im Kampfe gegen sich selbst, zu dem seinigen gemacht hatte. Diese mehr äußerliche und beinahe zufällige Lücke darf uns nicht hindern, in der Gesammtconception des platonischen Staates die wunderbar große Hieroglyphe einer tiefsinnigen und ewig zu deutenden Geheimlehre vom Zusammenhang zwischen Staat und Genius zu erkennen: was wir von dieser Geheimschrift zu errathen meinten, haben wir in dieser Vorrede gesagt.
Das griechische Weib.
(Bruchstück 1871)
Wie Plato den innersten Zweck des Staates aus allen seinen Verhüllungen und Trübungen an’s Licht zog, so begriff er auch den tiefsten Grund der Stellung des hellenischen Weibes zum Staate: in beiden Fällen erblickte er in dem um ihn Vorhandenen das Abbild der ihm offenbar gewordenen Ideen, vor denen freilich das Wirkliche nur Nebelbild und Schattenspiel war. Wer, nach allgemeiner Gewöhnung, die Stellung des hellenischen Weibes überhaupt für unwürdig und der Humanität widerstrebend hält, muß sich mit diesem Vorwurf auch gegen die platonische Auffassung dieser Stellung lehren: denn in ihr ist das Vorhandene gleichsam nur logisch präcisirt. Hier wiederholt sich also unsre Frage: sollte nicht das Wesen und die Stellung des hellenischen Weibes einen nothwendigen Bezug zu den Zielpunkten des hellenischen Willens haben?
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