Название: Gesammelte Werke
Автор: Фридрих Вильгельм Ðицше
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962815295
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Was aber liegt, als der Geburtsschoß alles Hellenischen, hinter der homerischen Welt? In dieser werden wir bereits durch die außerordentliche künstlerische Bestimmtheit, Ruhe und Reinheit der Linien über die rein stoffliche Verschmelzung hinweggehoben: ihre Farben erscheinen, durch eine künstlerische Täuschung, lichter, milder, wärmer, ihre Menschen, in dieser farbigen, warmen Beleuchtung, besser und sympathischer – aber wohin schauen wir, wenn wir, von der Hand Homer’s nicht mehr geleitet und geschützt, rückwärts, in die vorhomerische Welt hinein schreiten? Nur in Nacht und Grauen, in die Erzeugnisse einer an das Gräßliche gewöhnten Phantasie. Welche irdische Existenz spiegeln diese widerlich-furchtbaren theogonischen Sagen wieder: ein Leben, über dem allein die Kinder der Nacht, der Streit, die Liebesbegier, die Täuschung, das Alter und der Tod walten. Denken wir uns die schwer zu athmende Luft des hesiodischen Gedichtes noch verdichtet und verfinstert und ohne alle die Milderungen und Reinigungen, welche, von Delphi und zahlreichen Göttersitzen aus, über Hellas hinströmten: mischen wir diese verdickte böotische Luft mit der finsteren Wollüstigkeit der Etrusker; dann würde uns eine solche Wirklichkeit eine Mythenwelt erpressen, in der Uranos, Kronos und Zeus und die Titanenkämpfe wie eine Erleichterung dünken müßten; der Kampf ist in dieser brütenden Atmosphäre das Heil, die Rettung, die Grausamkeit des Sieges ist die Spitze des Lebensjubel Und wie sich in Wahrheit vom Morde und der Mordsühne aus der Begriff des griechischen Rechtes entwickelt hat, so nimmt auch die edlere Cultur ihren ersten Siegeskranz vom Altar der Mordsühne. Hinter jenem blutigen Zeitalter her zieht sich eine Wellenfurche tief hinein in die hellenische Geschichte. Die Namen des Orpheus, des Musäus und ihrer Culte verrathen, zu welchen Folgerungen der unausgesetzte Anblick einer Welt des Kampfes und der Grausamkeit drängte – zum Ekel am Dasein, zur Auffassung dieses Daseins als einer abzubüßenden Strafe, zum Glauben an die Identität von Dasein und Verschuldetsein. Gerade diese Folgerungen aber sind nicht specifisch hellenisch: in ihnen berührt sich Griechenland mit Indien und überhaupt mit dem Orient. Der hellenische Genius hatte noch eine andere Antwort auf die Frage bereit »was will ein Leben des Kampfes und des Sieges?« und giebt diese Antwort in der ganzen Breite der griechischen Geschichte.
Um sie zu verstehen, müssen wir davon ausgehen, daß der griechische Genius den einmal so furchtbar vorhandenen Trieb gelten ließ und als berechtigt erachtete: während in der orphischen Wendung der Gedanke lag, daß ein Leben, mit einem solchen Trieb als Wurzel, nicht lebenswerth sei. Der Kampf und die Luft des Sieges wurden anerkannt: und nichts scheidet die griechische Welt so sehr von der unseren, als die hieraus abzuleitende Färbung einzelner ethischer Begriffe, zum Beispiel der Eris und des Neides.
Als der Reisende Pausanias auf seiner Wanderschaft durch Griechenland den Helikon besuchte, wurde ihm ein uraltes Exemplar des ersten didaktischen Gedichtes der Griechen, der »Werke und Tage« Hesiod’s gezeigt, auf Bleiplatten eingeschrieben und arg durch Zeit und Wetter verwüstet. Doch erkannte er soviel, daß es, im Gegensatz zu den gewöhnlichen Exemplaren, an seiner Spitze jenen kleinen Hymnus auf Zeus nicht besaß, sondern sofort mit der Erklärung begann, » zwei Erisgöttinnen sind auf Erden«. Dies ist einer der merkwürdigsten hellenischen Gedanken und werth dem Kommenden gleich am Eingangsthore der hellenischen Ethik eingeprägt zu werden. »Die eine Eris möchte man, wenn man Verstand hat, ebenso loben als die andere tadeln; denn eine ganz getrennte Gemüthsart haben diese beiden Göttinnen. Denn die eine fördert den schlimmen Krieg und Hader, die Grausame! Kein Sterblicher mag sie leiden, sondern unter dem Joch der Noth erweist man der schwerlastenden Eris Ehre, nach dem Rathschlusse der Unsterblichen. Diese gebar, als die Ältere, die schwarze Nacht; die Andere aber stellte Zeus, der hochwaltende, hin auf die Wurzeln der Erde und unter die Menschen, als eine viel bessere. Sie treibt auch den ungeschickten Mann zur Arbeit! und schaut Einer, der des Besitzthums ermangelt, auf den Anderen, der reich ist, so eilt er sich in gleicher Weise zu säen und zu pflanzen und das Haus wohl zu bestellen; der Nachbar wetteifert mit dem Nachbarn, der zum Wohlstande hinstrebt. Gut ist diese Eris für die Menschen. Auch der Töpfer grollt dem Töpfer und der Zimmermann dem Zimmermann, es neidet der Bettler den Bettler und der Sänger den Sänger.«
Die zwei letzten Verse, die vom odium figulinum handeln, erscheinen unseren Gelehrten an dieser Stelle unbegreiflich. Nach ihrem Urtheile passen die Prädikate »Groll« und »Neid« nur zum Wesen der schlimmen Eris; weshalb sie keinen Anstand nehmen, die Verse als unecht oder durch Zufall an diesen Ort verschlagen zu bezeichnen. Hierzu aber muß sie unvermerkt eine andere СКАЧАТЬ