Название: Die Schlucht
Автор: Иван Гончаров
Издательство: Public Domain
Жанр: Русская классика
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Überall standen schwere, stark nachgedunkelte Möbel, Tische und Sessel aus Eichen- und Ebenholz, mit Bronzebeschlägen und reicher Intarsia; da und dort große chinesische Vasen; eine Uhr, den Bacchus auf einer Tonne darstellend; große ovale Spiegel in Goldrahmen mit Blattornamenten; im Schlafzimmer ein ungeheures Bett, das einem mit Goldstoff bedeckten riesigen Sarkophag glich.
Raiski konnte sich nicht recht vorstellen, wie seine Vorfahren auf diesen katafalkartigen Betten ihre Nachtruhe gehalten hatten: es schien ihm unmöglich, daß ein lebendiger Mensch darauf überhaupt schlafen konnte. Unter dem Betthimmel hing ein vergoldeter Kupido, der seinen Glanz längst verloren hatte und fleckig geworden war; er hatte einen Pfeil auf den Bogen gelegt und zielte gerade auf das Bett. In den Ecken des Schlafzimmers standen geschnitzte Schränke mit Elfenbein- und Perlmuttereinlagen. Wjerotschka hatte einen der Schränke geöffnet und ihr dunkles Gesichtchen hineingesteckt: ein feuchter, modriger Geruch entströmte den reichgestickten Uniformen mit den großen Knöpfen, die in dem Schrank hingen. Derselbe Geruch entstieg all den Kästen und Schubladen, die sie neugierig öffnete.
An den Wänden hingen zahlreiche Porträts, deren Augen den Beschauer überallhin verfolgten.
Das ganze Haus war wie von Staub und Moderduft durchsetzt. Aus den Ecken und Winkeln schienen Geräusche zu kommen: Raiski trat mit dem Fuße auf, und sogleich hallte sein Fußtritt aus der Ecke gegenüber.
Seine Schritte hatten den Fußboden erschüttert, und von den Säulen und Decken fiel leise der alte Staub zu Boden; da und dort lag in kleinen Partikeln der abgefallene Stuck auf dem Parkett; eine Fliege summte an dem verstaubten Fenster und bat um Erlösung aus dem ungemütlichen Raume.
»Ja, die Tante hatte recht: hier ist es unheimlich!« sagte Raiski zu Wjerotschka, und ein Schauer überlief ihn unwillkürlich.
Aber Wjerotschka ließ sich dadurch nicht abhalten, jeden einzelnen Raum zu besichtigen, und kehrte eben aus dem oberen Stockwerk zurück, das im Gegensatz zu der unteren Etage mit ihrem großen Saal und den geräumigen Gastzimmern lauter kleine, zellenartige Räume enthielt, die mit ihren hellen Fenstern fast einen wohnlichen Eindruck machten. Es berührte ganz seltsam, wenn man, aus dem düsteren Hintergrunde dieser Zimmer an die hellen Fenster tretend, plötzlich ein Stück des blauen Himmels, das frische Grün des Gartens und die sich munter tummelnden Menschen erblickte.
Wjerotschka glich in dieser altertümlichen Umgebung einem munteren jungen Vögelchen, sie ließ sich ihre Stimmung durch nichts verderben, weder durch die Blicke der Ahnen an den Wänden, die ihr beständig zu folgen schienen, noch durch den dumpfen Geruch, den Staub und die sonstigen Kennzeichen jahrzehntelanger, trauriger Vernachlässigung. »Hier ist es hübsch, so viel Raum!« sagte sie, während sie sich umsah. »Und oben ist’s noch hübscher! Diese großen Bilder und die vielen Bücher!«
»Bilder? Bücher? Wo denn? Daß ich daran nicht gedacht habe! Ei sieh doch, Wjerotschka!«
Er hielt sie fest und gab ihr einen Kuß. Sie wischte sich die Lippen ab und lief voraus, um ihm die Bücher zu zeigen.
Raiski fand eine Bibliothek von etwa dreitausend Bänden vor und begann sogleich, die Titel zu studieren. Alle Enzyklopädisten waren da vertreten, ferner Racine und Corneille, Montesquieu, Machiavelli, Voltaire, die griechischen und römischen Klassiker in französischer Übersetzung, der »Rasende Roland«, weiter Sumarokow und Derschawin, Walter Scott, das »Befreite Jerusalem«, das er schon kannte, die »Ilias« in französischer Sprache, »Osilan« in Karamsins Übersetzung, und Marmontel, und Chateaubriand, und ungezählte Memoiren. Viele der Bände waren noch nicht aufgeschnitten: offenbar waren ihre Besitzer, das heißt Raiskis Vater und Großvater, nicht dazu gekommen, sie zu lesen.
Fortan ließ sich Boris in dem Häuschen drüben kaum noch sehen; nicht einmal nach dem Wolgaufer ging er, sondern saß beständig in der alten Bibliothek und verschlang einen Band nach dem anderen.
Er las, zeichnete, spielte Klavier; die Großtante lauschte seinem Spiel, und Wjerotschka stand, das Kinn auf das Klavier gestützt, daneben und sah ihn, ohne mit der Wimper zu zucken, mit großen Augen an.
Bald schrieb er Verse, die er laut vor sich hin las, um sich an ihrem Wohllaut zu erfreuen, bald zeichnete er die Uferlandschaft und schwelgte in wonnigen Schauern; ewig erwartete er etwas, ohne selbst zu wissen, was. Er hatte die Empfindung, daß ihn etwas heiß und leidenschaftlich durchbebte, wie ein Vorgefühl nie geahnter, maßloser Lust und Freude; eine Welt voll wunderbarer Töne, Harmonien und Bilder lebte in ihm, in der alles vibrierte und spielte, in der ein zweites, reizvolles, lockendes Leben pulsierte – wie in den Büchern dort oben, nicht so wie jenes, das ihn hier umgab . . .
»Sag’ einmal, Boris,« begann eines Tages die Großtante, »warum bist du nur wieder in die Schule eingetreten?«
»Ich bin doch in keiner Schule, Tante, sondern auf der Universität!«
»Ganz gleich – jedenfalls mußt du dort doch lernen! Wozu das? Wie du beim Vormund warst, hast du gelernt, auf dem Gymnasium hast du gelernt, du zeichnest, spielst Klavier, treibst alles mögliche! Diese Studenten werden dir noch das Pfeiferauchen und, was Gott verhüte, das Branntweintrinken beibringen! Tritt doch lieber in die Armee ein, in die Garde!«
»Dazu reichen meine Mittel nicht aus, sagt der Vormund . . .«
»So—o – und das hier bedeutet gar nichts?«
Sie zeigte auf das Dorf und die Felder draußen.
»Was ist denn das? Das reicht doch nicht aus! . . .«
»Wirklich nicht?!« – Und sie begann nur so mit den Hunderten und Tausenden herumzuwerfen.
Sie hatte nie in der Hauptstadt gelebt, nie einen Einblick in das Leben der jungen Offiziere getan und wußte daher auch nicht, welchen Aufwand der Dienst in der Garbe erforderte.
»Deine Mittel sollen nicht reichen? Ich kann dir so viel Proviant schicken, daß ein ganzes Regiment genug daran hätte! Die Mittel reichen nicht! Und wo läßt denn der Onkel die Einkünfte des anderen Gutes?«
»Ich will doch ein Künstler werden, Tantchen!«
»Was? Ein Künstler?«
»Ja, Tantchen . . . Sobald ich die Universität absolviert habe, trete ich in die Akademie ein! . . .«
»Um Gottes willen, Borjuschka! Was redest du da!« rief die Tante, die gar nicht verstand, was er sagte. »Du willst also Lehrer werden?«
»Nein, Tantchen; nicht alle Künstler werden Lehrer, es gibt berühmte Talente unter ihnen, die sehr geschätzt werden und für ihre Gemälde und ihr Spiel hohe Summen bekommen . . .«
»Du wirst also für deine Bilder Geld nehmen und an den Abenden für Geld spielen? . . . Wie schmachvoll!«
»Aber, Tantchen, ein Künstler . . .«
»Nein, Borjuschka, das darfst du deiner alten Tante nicht antun: laß sie noch die Freude erleben, daß sie dich in der Gardeuniform sieht! Dann kommst du hierher auf Urlaub, als schmucker Offizier . . .«
»Aber der Onkel meinte doch, ich solle in den Zivildienst eintreten . . .«
»Was? Ein Bureauschreiber werden? Den ganzen Tag gebückt dasitzen, sich in Tinte baden, mit den Akten unterm Arm aufs Amt laufen? Wer wird dich denn dann heiraten wollen? Nein, nein – du kommst als Offizier hierher zur Tante, und wir suchen dir eine hübsche, reiche Frau aus!« Raiski konnte sich weder für den Vorschlag des Onkels noch für die Pläne der Tante СКАЧАТЬ