Die Schlucht. Иван Гончаров
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Название: Die Schlucht

Автор: Иван Гончаров

Издательство: Public Domain

Жанр: Русская классика

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СКАЧАТЬ neben dem anderen her.

      »Immer schreib drauflos,« bemerkte Ajanow, »was dir gerade in den Kopf kommt; irgendwas wird schon dabei heraussehen.«

      Raiski stieß einen Seufzer aus.

      »Nein,« sagte er, »eins habe ich bei meiner Aufzählung vergessen: das Talent!«

      »Allerdings – wer nicht schreiben und lesen kann, der wird auch keinen Roman schreiben können . . .«

      »Du kannst schreiben und lesen – warum schreibst du ihn also nicht?« fiel ihm Raiski ins Wort.

      »Warum? Weil ich etwas anderes zu tun habe. Ich arbeite an einem großen Werke . . .«

      »Du prahlst wieder mit deinem Werke! Laß die Hand von deiner Schreiberei – das ist, mein’ ich, das beste Werk, das du vollbringen kannst.«

      »Und du glaubst, ein Roman wird mir Ersatz schaffen für meine fünftausend Rubel Gehalt nebst freier Wohnung und Feuerung und dem entsprechenden Range?«

      »Schämst du dich nicht, so zu reden? Wann werden wir endlich Menschen sein?«

      »Ich bin bereits ein ›Mensch‹ – und zwar seit dem Tage, da mein Gehalt auf zweitausend Rubel gestiegen war. Seit jenem Tage weiß ich auch, daß die Humanisierung der menschlichen Verhältnisse aufs engste mit den wirtschaftlichen Fragen zusammenhängt . . .«

      »Ich weiß, ich weiß – aber warum bringst du deinen zynischen Egoismus so offen zum Ausdruck?«

      Ajanow wollte ihm eben mit einer spöttischen Antwort dienen, da fuhr eine Equipage ganz dicht vor ihnen in einen Torweg ein, der Kutscher schrie sie an, und der Faden ihrer Unterhaltung ward jäh zerrissen.

      »Mit der Malerei ist es also wieder einmal nichts?« nahm Ajanow nach einer Weile das Gespräch wieder auf.

      »Warum denn nicht? Ich will doch Sophies Porträt malen! . . . In den nächsten Tagen schon fange ich an. Ich bin in letzter Zeit nicht nach der Akademie gegangen und habe auch sonst wenig mit Künstlern verkehrt. Morgen geh’ ich jedoch zu Kirilow – du kennst ihn ja?«

      »Ich weiß nicht . . . Ich glaube ihn einmal gesehen zu haben, so einer mit ungekämmtem Haar . . .«

      »Ja, aber ein tiefer, echter Künstler, wie es heute sonst keine mehr gibt: der letzte Mohikan! . . . Ich male nur noch Sophies Porträt und zeige es ihm – und dann will ich meine Kraft an dem Roman versuchen. Ich habe auch früher schon einige Sachen geschrieben, freilich sind es Fragmente geblieben, aber nun gehe ich ernstlich an die Arbeit. Die Sache ist für mich neu; ob’s gelingen wird?«

      »Hör’ mal, Raiski – soweit ich die Sache beurteilen kann, solltest du vor allem Sophie aufgeben und nicht die Malerei – solltest, wenn du Romane schreiben willst, nicht auch darauf aus sein, sie zu erleben . . . Ich würde dir raten, den Morgen zum Schreiben zu verwenden und am Abend ein Spielchen zu machen, mit kleinem Einsatz, das regt nicht weiter auf. . .«

      »Und gerade die Aufregung ist notwendig, wenn man einen Roman schreiben will. Wenn ich mich aufs Kartenspiel einlasse, dann verspiele ich alles, selbst dein Paletot müßte daran glauben. Auch da gähnt ein jäher Abgrund, ich habe, Gott sei Dank, nie in ihn hineingeschaut, und wenn ich es täte, würde nicht ein Roman, sondern eine Tragödie dabei herauskommen. Im übrigen hat es Hand und Fuß, was du sagtest: man kann nicht zwei Herren zu gleicher Zeit dienen! Laß mich nur erst diese Geschichte mit Sophie irgendwie zu Ende führen und ihr Bild vollenden, dann will ich, unter dem frischen Eindruck ihrer Schönheit, munter drauflos schreiben . . . Diesen Stern dort . . . wie heißt er, weißt du es nicht? – auch ich weiß seinen Namen nicht, und er tut ja auch nichts zur Sache – jedenfalls rufe ich ihn zum Zeugen dafür an, daß ich eins unbedingt durchführen will, entweder meine Malerei oder den Roman! Ja, den Roman! Sein eigenes Leben so mit dem Leben der anderen zu verschmelzen, und all die Beobachtungen, Gedanken, Erfahrungen, Gefühle und Bilder von Menschen und Dingen in ein Ganzes zu vereinigen – welch eine Aufgabe . . . une mer á boire!«

      Sie gingen schweigend weiter. Ajanow pfiff leise vor sich hin, und Raiski schritt mit geneigtem Kopfe daher und dachte bald an Sophie, bald an seinen Roman. An der Straßenkreuzung, wo ihre Wege sich trennten, fragte Raiski plötzlich:

      »Wann gehen wir wieder hin?«

      »Wohin denn?«

      »Nun, zu Sophie.«

      »Du denkst schon wieder an sie? Ich dachte, du arbeitest bereits an deinem Roman, und wollte dich nicht stören!«

      »Ich sagte dir ja: das Leben – ist ein Roman, und ein Roman – ist ein Leben.«

      »Wessen Leben?«

      »Aller Menschen Leben, das deinige nicht ausgenommen!«

      »Für den Mittwoch haben mich die Tanten wieder zum Spiel eingeladen.«

      »Erst am Mittwoch? Nun, was soll man machen – also bis zum Mittwoch!«

      Sechstes Kapitel

      Raiski lebte bereits seit zehn Jahren in Petersburg, das heißt er hatte dort von einer Deutschen eine Wohnung von drei anständig möblierten Zimmern gemietet, in der er jedoch, seit er den Dienst quittiert hatte, nur selten einmal längere Zeit – etwa ein halbes Jahr hintereinander – verweilte. Seine übrige Zeit pflegte er außerhalb Petersburgs zu verbringen.

      Den Staatsdienst hatte er wenige Jahre nach seinem Eintritt wieder aufgegeben. Er hatte sich die Sache eine Zeitlang angesehen und war zu dem merkwürdigen Schlusse gelangt, daß der Dienst an sich kein Ziel, keine Lebensaufgabe sei, sondern lediglich eine Veranstaltung, die es ermöglichte, eine Anzahl von Menschen unterzubringen, deren Existenz sonst völlig zweck- und nutzlos gewesen wäre. Hätten diese Menschen nicht existiert, dann wäre auch der Dienst, den sie taten, völlig überflüssig gewesen.

      Auf Veranlassung seines Vormunds war er zuerst in die militärische und dann später in die zivildienstliche Laufbahn eingetreten. Der Vormund, ein entfernter Onkel Raiskis, wollte vor allem nicht, daß man ihm den Vorwurf machte, er kümmere sich nicht genug um seinen Neffen; andererseits wälzte er so am einfachsten alle Verantwortung von sich ab. Raiski ging nach Petersburg aus dem gleichen Grunde, aus dem alle jungen Leute dahin geschickt werden: sie sollen nicht unnütz zu Hause herumsitzen, sich nicht verweichlichen, nicht Faulenzer werden – alles sozusagen negative Zwecke des Petersburger Aufenthalts.

      In Petersburg werden die jungen Leute zugestutzt, sie stehen da unter Aufsicht und finden auch etwas, das man Arbeit nennt; in Petersburg können sie es zum Staatsanwalt und mit der Zeit auch zum Gouverneur bringen; und das ist dann der positive Zweck der Sache. Nachdem Raiski eine Zeitlang in Petersburg gelebt hatte, kam er zu dem Schlusse, daß in dieser Stadt die erwachsenen Menschen, im übrigen Rußland jedoch die unreifen Muttersöhnchen wohnen.

      Er selbst zählte freilich schon über dreißig Jahre, und er hatte noch nichts gesät und geerntet, noch keine der Karrieren eingeschlagen, die sonst alle aus dem Innern Rußlands ankommenden Jünglinge einzuschlagen pflegen.

      Er ist weder Offizier noch Beamter, bahnt sich nirgends durch Arbeit oder durch gute Verbindungen seinen Weg und ist wie absichtlich und den anderen zum Trotz der einzige »Nichterwachsene« in Petersburg geblieben. Auf der Polizei ist er als verabschiedeter Kollegiensekretär gemeldet.

      Einem Physiognomiker wäre es nicht leicht gefallen, seine Eigenschaften und Neigungen und seinen Charakter aus den Gesichtszügen herauszulesen, da der Ausdruck seines Gesichts überaus veränderlich war.

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