Die Schlucht. Иван Гончаров
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Название: Die Schlucht

Автор: Иван Гончаров

Издательство: Public Domain

Жанр: Русская классика

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СКАЧАТЬ will ohne Umschweife reden: sagen Sie mir, woher nehmen Sie diese Ruhe? Wie fangen Sie es an, ewig dieses gemessene, würdevolle Wesen zur Schau zu tragen? Woher kommt Ihnen diese stille Heiterkeit, diese Sicherheit und Milde, dieses Ebenmaß und Gleichgewicht in jeder Bewegung, in allem Handeln und Tun? Wie können Sie so ohne Widerstreit und Kampf, ohne Glut und Leidenschaft, ohne Sieg oder Niederlage existieren? Was tun Sie, um Ihr Leben so zu gestalten?«

      »Nichts!« sagte sie verwundert. »Warum wollen Sie durchaus, daß ich mein Leben in Konvulsionen verbringe?«

      »Aber Sie sehen doch, daß alle anderen Menschen rings um Sie von den mannigfachsten Empfindungen, Kümmernissen und Schmerzen bewegt werden . . .«

      »Ja, das sehe ich, und ich bedaure sie auch: ich bedaure ma tante Nadjeschda Wassiljewna, die ewig mit ihrem Tick zu tun hat, und Papa, der an Blutandrang leidet . . .«

      »Und die anderen? Und überhaupt alle, die da leben?« unterbrach er sie. »Ist ihr Leben nicht grundverschieden von dem Ihrigen? Haben Sie sich noch nie gefragt, wie es kommt, daß sie alle sich härmen und quälen und Tränen vergießen, Sie aber nicht? Daß sie alle wenigstens dreimal am Tage einen Anfall von Lebensüberdruß haben, und Sie nicht? Daß eine ewige Unruhe sie beherrscht, daß sie lieben und hassen, und Sie nicht?«

      »Sie reden wohl von jenen da draußen,« sagte sie und nickte mit dem Kopfe nach der Straße – »von jenen, die dort ruhelos durch die Straßen hasten? Aber Sie sagten doch selbst, daß ich ihr Leben nicht verstehe! Gewiß, ich kenne diese Menschen nicht und versteh’ auch ihr Leben nicht! Sie gehen mich nichts an . . .«

      »Sie gehen Sie nichts an? Das heißt mit anderen Worten: das Leben geht Sie nichts an!« rief Raiski so laut, daß eine der beiden Tanten für einen Moment vom Spiel aufsah und ihnen zurief: »Was zankt ihr euch denn da? Faßt euch nur nicht an die Köpfe! . . . Was haben sie nur wieder?«

      »Nun reden Sie wieder vom Leben! Immer führen Sie dieses Wort im Munde, als ob ich tot wäre! Ich sehe schon, wie es weiter kommt,« sagte sie mit einem Lächeln, das ihre schönen Zähne sichtbar werden ließ. »Nun sind wir gleich wieder bei den Grundsätzen, und dann ist nur noch ein Schritt . . . bis zur Liebe.«

      »Nein,« sagte er verzweifelt, »mit diesen Olympiern ist nichts anzufangen, sie lassen sich kein Leben einflößen. Sie sind einfach eine kalte Marmorgöttin, das ist’s! Kommen Sie, wir wollen in den Salon gehen!«

      Er stand auf – sie aber rührte sich nicht vom Platze.

      »Sie erachten es als unter Ihrer Würde, zu den armen Sterblichen niederzusteigen und einmal zu sehen, wie sie leben, Sie gefallen sich in Ihrer beschaulichen olympischen Ruhe, genießen Nektar und Ambrosia – und lassen es sich wohl sein!«

      »Was soll ich denn noch? Ich habe ja alles, was ich brauche, und hege sonst keine Wünsche . . .«

      »Da sprechen Sie sich selbst Ihr Urteil, Cousine!« fiel Raiski ihr heftig ins Wort. »Ich habe alles, was ich brauche, und hege sonst keine Wünsche! Haben Sie sich denn niemals die Frage vorgelegt: wieviel Menschen mag es wohl in der Welt geben, die nicht das haben, was sie brauchen, und denen alles zu wünschen übrigbleibt? Schauen Sie einmal um sich: Sie sind von Seide und Samt, von Bronzen und kostbarem Porzellan umgeben. Sie wissen nicht, woher und wie das fertige Mittagessen auf den Tisch kommt, vor dem Hause erwartet Sie die Equipage und bringt Sie zum Balle oder nach der Oper. Ein Dutzend Lakaien sind bereit, Ihre Wünsche zu erfüllen, ehe Sie sie noch ausgesprochen haben . . . Nein, werden Sie nicht ungeduldig: ich weiß, daß das alles Gemeinplätze sind . . . Aber haben Sie auch nur ein einziges Mal darüber nachgedacht, woher das alles kommt, und wer es Ihnen verschafft? Sicher noch niemals! Der Verwalter schickt vom Gute das Geld ein, man bringt es Ihnen auf einem silbernen Präsentierteller, und Sie legen es, ohne es nachzuzählen, in Ihren Schreibtisch . . .«

      »Die Tante zählt es zehnmal nach und verschließt es in ihrer Kassette,« sagte sie, »und ich muß mir wie ein kleines Institutfräulein meinen Teil von ihr erbitten; wieviel gute Lehren mir da als Zugabe erteilt werden, können Sie sich vorstellen!«

      »Ja, aber schließlich gibt sie es Ihnen doch. Sie hören sich die Lehren an und verbrauchen das Geld. Wenn Sie nun aber wüßten, daß dort auf dem Dorfe in glühender Sommerhitze eine schwangere Frau das Korn schneidet . . .«

      »Cousin!« rief sie ganz entsetzt und sichtlich bemüht, seinen Redefluß zu hemmen, was keineswegs leicht war, sobald er erst den pathetischen Ton angeschlagen hatte.

      »Ja – und daß sie in ihrem elenden Heim eine Schar von kleinen Kindern ohne Aufsicht zurückgelassen hat, die nun dort mit den Hühnern und Ferkeln zusammen hausen und, wenn nicht irgendeine hinfällige Großmutter zur Hand ist, jeden Augenblick in Lebensgefahr schweben: ein böser Hund kann sie beißen, ein Wagen sie überfahren, ein Tümpel sie verschlingen . . . Und ihr Mann geht keuchend hinter dem Pfluge her, oder fährt in starrendem Frost das Getreide zur Station, um nur Brot – buchstäblich nichts als Brot – für die Seinigen zu schaffen und die fünf oder sechs Rubel aufzubringen, die er ans Gutskontor zu zahlen hat, und die Ihnen dann auf silbernem Teller präsentiert werden . . . Das alles wissen Sie nicht: es geht Sie nichts an, wie Sie sagen! . . .«

      Auf ihr Gesicht legte sich ein Schatten ungewohnter Unruhe und Bestürzung.

      »Welche Schuld trifft mich da? Was kann ich dagegen tun?« fragte sie leise, fast schüchtern und ohne jede Spur von Ironie.

      »Ich predige keinen Kommunismus, Cousine, fürchten Sie nichts! Ich möchte Ihnen nur auf Ihre Frage antworten, was Sie tun sollen, und will Ihnen beweisen, daß niemand ein Recht hat, das Leben nicht zu kennen. Das Leben selbst rüttelt die Menschen auf und weckt sie aus ihrem sorglosen Schlummer – bisweilen auf sehr rauhe Art! Was Sie tun sollen – darüber vermag ich Sie nicht zu belehren, das werden andere besorgen. Ich möchte Sie nur wecken: denn Sie schlafen, Sie leben nicht! Was weiter daraus wird, weiß ich nicht – aber ich kann nicht gleichgültig bleiben, wenn ich Sie in diesem lethargischen Zustande verharren sehe.«

      »Und Sie, Cousin, was tun Sie mit diesen Unglücklichen? Sie haben doch ebenfalls Bauern, und solche . . . Frauen?« fragte sie neugierig.

      »Ich tue allerdings nur wenig, oder fast gar nichts – zu meiner Schande und zur Schande derer, die mich erzogen haben. Ich bin längst mündig und überlasse gleichwohl alle diese Angelegenheiten immer noch meinem Vormund, der sie Gott weiß wie betreibt. Irgendwo existiert da auch noch ein Fleckchen Erde, das meine Großtante für mich verwaltet – sie versteht die Sache sicherlich besser als ich. Aber ich entschuldige mich doch wenigstens nicht damit, daß ich das Leben nicht kenne – und ich kenne auch einiges davon und rede darüber, wie zum Beispiel jetzt; ich disputiere und schreibe auch bisweilen darüber – und was sonst alles. Und dann befasse ich mich auch noch ein bißchen mit der Kunst . . . ich male, musiziere, schriftstellere . . .« fügt er leise hinzu und betrachtete dabei aufmerksam die Spitze seines Stiefels.

      »Es waren sehr ernste Dinge, die Sie mir da sagten!« versetzte sie nachdenklich. »Und wenn Sie mich auch nicht geweckt haben, so haben Sie mich doch erschreckt. Ich werde heute schlecht schlafen. Weder die Tanten, noch Paul, mein Gatte, noch sonst jemand hat jemals so mit mir gesprochen. Iwan Petrowitsch, der Verwalter, brachte die Aufstellungen und Rechnungen, ich hörte, wie vom Stand des Getreides, von Mißernten und ähnlichen Dingen gesprochen wurde. Aber . . . von diesen Frauen . . . und von ihren Kindern . . . war nie die Rede . . .«

      »Ja, das ist mauvais genre! In Ihrer Gegenwart darf jedenfalls von diesen Bauern und Bäuerinnen nicht gesprochen werden, am allerwenigsten von den schwangeren . . . Der sogenannte gute Ton gestattet es dem Menschen nicht, er selbst zu sein . . . Man muß alles Eigene von sich abstreifen und sich bemühen, in allem den anderen zu gleichen!«

      »Irgendeinmal СКАЧАТЬ