Die Schlucht. Иван Гончаров
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Название: Die Schlucht

Автор: Иван Гончаров

Издательство: Public Domain

Жанр: Русская классика

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СКАЧАТЬ äußeren Menschen hielte und, wie es sich für einen wohlerzogenen Knaben schickte, nicht mit Krethi und Plethi verkehrte.

      Was er las, welche Bücher er verschlang, darum kümmerten sie sich nicht weiter. Die Großtante übergab ihm die Schlüssel zur Bibliothek seines Vaters in dem alten Hause, und dort verschloß er sich nun und las regellos alles durcheinander, bald Spinoza, bald einen Roman, bald die Bekenntnisse des heiligen Augustin, Voltaire oder gar Boccaccio.

      Die Künste lagen ihm besser als die Wissenschaften. Allerdings ging auch hier bei ihm nicht alles nach der Schnur. So hatte der Zeichenlehrer einmal der Klasse die Aufgabe gestellt, ein Augenpaar zu zeichnen. Ganze vierzehn Tage waren hierfür in Aussicht genommen; aber Raiski hielt es so lange nicht aus, er fügte zu den Augen noch die Nase und war eben dabei, auch den Schnurrbart zu zeichnen, als der Lehrer ihn bei diesem vorschriftswidrigen Tun überraschte. Er packte ihn beim Schopfe und schüttelte ihn ganz gehörig, dann aber begann er die Zeichnung eingehend zu betrachten.

      »Wo hast du das gelernt?« fragte er ihn.

      »Nirgends,« lautete die Antwort.

      »Gar nicht so übel, mein Lieber; doch sieh, was dabei herauskommt, wenn du so voraustrabst: Stirn und Nase sind recht gut geworden, aber guck’ mal, wohin du das Ohr gesetzt hast! Und das Haar sieht aus wie Lindenbast!«

      Der Tadel focht Raiski nicht an, er triumphierte: »Nicht übel, mein Lieber – Stirn und Nase sind recht gut geworden!« – das war für ihn gleichbedeutend mit dem Lorbeerkranz.

      Er spazierte stolz auf dem Hofe umher, in dem Bewußtsein, besser zu sein als die anderen – bis dann am nächsten Tage ein böser Reinfall in den »ernsten« Disziplinen ihn aus allen Himmeln stürzte.

      Er behielt jedoch eine Vorliebe für das Zeichnen, und einen Monat nach den »Augen« durfte er einen lockigen Knaben und einen Fingalkopf zeichnen.

      Sein sehnlichster Wunsch aber war, einen Mädchenkopf, der in der Wohnung des Lehrers hing, kopieren zu dürfen. Ein wenig auf die Schulter geneigt, schaute dieser Kopf mit träumerischem Ausdruck in die Ferne.

      »Gestatten Sie mir doch, bitte, diesen Kopf nachzuzeichnen!« bat er schüchtern, mit mädchenhaft sanfter Stimme den Lehrer, während ein nervöses Zucken um seinen Mund spielte.

      »Und wenn du das Glas zerschlägst?« sagte der Lehrer, gab ihm aber doch den Mädchenkopf mit.

      Boris war glücklich. Jedesmal, wenn er den Lehrer besuchte, hatte sein Herz beim Anblick des Kopfes heftig zu schlagen begonnen. Und nun durfte er diesen Kopf mit sich nehmen und ihn nachzeichnen!

      In jener Woche konnte keiner der wissenschaftlichen Lehrer aus ihm auch nur ein vernünftiges Wort herausbekommen. Er hockt in seinem Winkel, zeichnet, radiert, tuscht aus, radiert wieder oder sitzt in schweigendem Anschauen da; die blauen Augen des Mädchens beginnen wie durch einen leichten Nebel zu schimmern, und die zarten Rosenlippen scheinen kaum merklich zu zucken.

      Über Nacht nahm er die Zeichnung mit in den Schlafsaal, und als er einmal so recht in das Anschauen dieser süßen Augen vertieft war und die schöngeschwungene Linie des vorgebeugten Nackens verfolgte, durchzuckte es ihn plötzlich: eine tiefe Beklemmung legte sich ihm auf die Brust, er atmete schwer, und in jähem Selbstvergessen schloß er die Augen und preßte, einen verhaltenen Seufzer ausstoßend, mit beiden Händen das Bild gegen seine linke Seite. Die Glasscheibe platzte, und die Scherben flogen klirrend zur Erde. . . .

      Als Boris diesen Kopf zu Ende gezeichnet hatte, kannte sein Stolz keine Grenzen. Seine Zeichnung wurde zugleich mit den Zeichnungen der oberen Klassen beim öffentlichen Examen ausgestellt; der Lehrer hatte nur wenig daran verbessert, da und dort vielleicht die allzu zarte Zeichnung mit kräftigen Strichen verstärkt, die sich nun wie ein eisernes Gitter von der Arbeit des Schülers abhoben; außerdem hatte er das Haar um drei, vier Strähnen verstärkt und in die Augen Punkte gesetzt, daß sie nun plötzlich wie lebendig dreinschauten.

      »Wie hat er das nur gemacht? Und wie kommt es, daß bei ihm alles so kühn, so sicher, wie belebt erscheint?« dachte Raiski und vertiefte sich in die Betrachtung der Striche und Punkte, insbesondere jener beiden, die plötzlich den Augen einen so lebendigen Ausdruck gegeben hatten. Er übte sich fortan mit großem Fleiße darin, die Striche und Punkte ebenso fest und sicher hineinzusetzen wie der Lehrer, um dadurch dieselbe Lebendigkeit und Kraft, dieselbe packende Wirkung zu erzielen. Bisweilen glaubte er fast, das Geheimnis erfaßt zu haben, doch war es ihm im nächsten Augenblick wieder entschlüpft.

      Aber nur immer so die Köpfe und Nasen, die Stirnlinien, Ohren und Hände hundertmal zu wiederholen, schien ihm zum Sterben langweilig.

      Die Augen behandelte er noch mit einiger Sorgfalt, weil er hauptsächlich darauf Gewicht legte, daß die Punkte richtig darin säßen und der Ausdruck recht lebendig wäre. Gelang ihm das nicht, dann schob er die Zeichnungen beiseite, setzte finster den Ellbogen auf den Tisch, legte den Kopf auf die Hand und sattelte sein Phantasieroß, um sich von ihm in die Ferne, in die Welt seiner Träume und Bilder tragen zu lassen.

      Der leicht errungene Erfolg steigerte sein Selbstgefühl ins Ungemessene: »Ein Talent, ein Talent!« klang es beständig in ihm. Aber bald gab es an der Schule niemanden mehr, der nicht gewußt hätte, wie schön er zeichnete, kein bewunderndes »Ach!« ließ sich mehr vernehmen der Beifall war ihm etwas Alltägliches, Gewohntes geworden.

      Auf dem Lande begann er dann wieder leidenschaftlich zu zeichnen, porträtierte die Stubenmädchen, die Kutscher, die Bauern.

      Er malte ein Bild der »verhexten Thekla« – sie saß in einer Höhle, und das Licht fiel sehr wirkungsvoll auf ihr Gesicht und ihr zerzaustes Haar, während der übrige Körper ganz im Dunkeln blieb; es fehlte ihm am nötigen Können wie an Geduld, um letzteren besser herauszuarbeiten. Wie sollte er auch den ganzen Morgen dasitzen und zeichnen, während draußen die Sonne lachend auf Wiese und Fluß niederschien . . .

      Da kommt eben der Diener vom Nachbargute – er bringt jedenfalls eine Einladung zum Tanze!

      Nach drei Tagen ist das Bild, das ihm vorschwebt, schon ganz verblaßt, und ein anderes nimmt von seiner Phantasie Besitz. Er möchte einen Mädchenreigen zeichnen, mit einem betrunkenen alten Bauern als Zuschauer und einem Dreigespann, das gerade vorüberjagt. Zwei Tage lang ist er einzig mit dem Entwurf dieses Bildes beschäftigt: es steht lebendig vor seinem Geiste. Die tanzenden Mädchen und der Alte würden ihm wohl gelingen, aber mit dem Dreigespann wird es nichts: Pferde haben sie in der Schule »nicht gehabt«.

      Acht Tage später ist auch dieses Bild vergessen und ein neues an seine Stelle getreten . . .

      Der Musik war er leidenschaftlich ergeben. Auf der Schule hatte er einen Kameraden namens Waßjukow – ein unbedeutendes, von den übrigen Schülern geringschätzig behandeltes Kerlchen, dem Raiski um so zärtlicher zugetan war.

      Alle fanden ein Vergnügen darin, Waßjukow am Ohr zu ziehen: »Mach’, daß du fortkommst, Dummkopf! Schaf!« hörte er beständig. Raiski allein war voll Mitgefühl gegen ihn und konnte ihn immer nur mit zärtlicher Rührung ansehen. Der Grund davon war, daß Waßjukow, der sonst für nichts Sinn hatte und selbst in den Stunden des allgemein beliebten russischen Lehrers träg und schlaff dasaß, jeden Tag nach dem Mittagessen seine Geige vornahm, das Kinn auf den Griff stützte, mit dem Bogen über die Saiten strich und über seinem Spiel die Schule, die Lehrer und die Mißhandlungen der Kameraden vergaß.

      Seine Augen sahen dabei nichts von alledem, was rings um ihn vorging, sondern schauten irgendwohin in die Ferne, als erblickten sie da etwas ganz Besonderes, Geheimnisvolles. Sie nahmen zuweilen einen wilden, finsteren Ausdruck an, um gleich darauf wieder förmlich zu weinen.

      Raiski pflegt СКАЧАТЬ