Eine Spur von Tod . Блейк Пирс
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Читать онлайн книгу Eine Spur von Tod - Блейк Пирс страница 3

СКАЧАТЬ Ihre Haare waren zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Das war ihre inoffizielle Uniform. Das einzige, was sich hin und wieder änderte, war die Farbe ihrer Bluse. Ihr Leben verstrich ohne richtig gelebt zu werden.

      Keri nahm eine Bewegung auf der Straße wahr. Jetzt kamen sie.

      Draußen auf dem Culver Boulevard war kaum jemand zu sehen. Auf der anderen Straßenseite befand sich ein Gehsteig, der um diese Zeit meistens voller Menschen war. Heute war es aber mit 38 Grad unerbittlich heiß draußen. Nicht das geringste Lüftchen regte sich, obwohl sie keine fünf Meilen vom Meer entfernt waren. Die meisten Familien, die ihre Kinder normalerweise zu Fuß abholten, saßen heute in ihren klimatisierten Fahrzeugen. Nur eine Familie nicht.

      Um genau 4 Uhr und 12 Minuten fuhr ein junges Mädchen, vielleicht sieben oder acht Jahre alt, langsam auf ihrem Fahrrad diesen Weg entlang. Sie trug ein elegantes weißes Kleid. Ihre junge Mutter kam mit ein wenig Abstand in Jeans und T-Shirt hinterher. Den Rucksack des Mädchens trug sie auf der linken Schulter.

      Keri wurde mulmig zumute. Sie wollte dagegen ankämpfen. Verstohlen sah sie sich um. Ob jemand sie beobachtete? Doch niemand beachtete Keri. Sie sah dem Mädchen und ihrer Mutter eifersüchtig und sehnsüchtig zu. Auch wenn sie sie Mädchen schon so oft gesehen hatte, konnte Keri immer noch nicht fassen, wie sehr das Mädchen ihrer kleinen Evie ähnelte: die blonden Locken, die grünen Augen, das leicht schiefe Grinsen.

      Wie in Trance starrte Keri aus dem Fenster, auch als das Mädchen schon längst außer Sichtweite war.

      Als Keri sich schließlich wieder ihrem Büro zuwandte, verließ die lateinamerikanische Frau gerade das Revier. Auch der Autodieb war nicht mehr da. Neue Übeltäter waren erschienen, in Handschellen und unter strenger Aufsicht. Sie warteten geduldig auf ihr weiteres Schicksal.

      Keri warf einen Blick auf die Digitalanzeige der Kaffeemaschine. 4 Uhr 22.

      Stand ich wirklich zehn Minuten lang an diesem Fenster? Es wird immer länger.

      Mit gesenktem Kopf ging sie wieder an ihren Schreibtisch, um den neugierigen Blicken ihrer Kollegen zu entgehen. Sie setzte sich und konzentrierte sich auf die Akten, die auf ihrem Tisch lagen. Der Fall Martine war soweit abgeschlossen und wartete nur noch auf die Unterschrift des Staatsanwalts, bevor die Akte endgültig geschlossen werden konnte. Der Fall Sanders lag hingegen auf Eis, bis die Spurensicherung den vorläufigen Bericht vorlegte. Eine andere Abteilung hatte Pacific gebeten, den Fall einer vermissten Prostituierten namens Roxie unter die Lupe zu nehmen. Eine ihrer Kolleginnen hatte angedeutet, dass sie jetzt im Westen der Stadt arbeitete, und wenn Pacific das bestätigte, musste keine Vermisstenakte eröffnet werden.

      Oft war das Schwierige an ihrem Job, dass es kein Verbrechen war, wenn erwachsene Menschen „verschwanden“. Wenn es sich um Minderjährige handelte, hatte die Polizei eine größere Handlungsfreiheit, je nachdem wie alt die verschwundene Person war. Im Großen und Ganzen konnte man jedoch nicht viel tun, wenn jemand beschloss, spurlos zu verschwinden. Das geschah öfter, als man dachte. Wenn es keinen Hinweis auf ein Verbrechen gab, waren den Ermittlern die Hände gebunden. Deswegen wurde wie in Roxies Fall oft überhaupt nichts unternommen.

      Keri seufzte resigniert und stellte fest, dass es heute keinen Grund gab, länger als bis 5 Uhr zu bleiben, wenn bis dahin nicht noch etwas Wichtiges passierte.

      Sie schloss die Augen und stellte sich vor, wie sie sich in weniger als einer Stunde in ihrem Hausboot Sea Cups zurücklehnen und drei – oder vielleicht besser vier – große Schlucke Glenlivet genehmigen würde. Sie würde ein paar Reste vom Chinesen verputzen, die sie noch im Kühlschrank hatte, und ein paar Wiederholungen von Reich und Schön im Fernsehen ansehen. Falls diese ganz individuelle Therapiestunde nicht ausreichen sollte, konnte sie sich immer noch auf Dr. Blancs Couch legen, auch wenn ihr diese Lösung wenig verlockend erschien.

      Sie hatte bereits begonnen, die Akten aufzuräumen, als Ray an ihren gemeinsamen Schreibtisch kam und sich auf seinen Stuhl fallen ließ. Ray hieß eigentlich Detective Raymond „Big“ Sands und war nun seit knapp einem Jahr ihr Partner, aber seit bereits sieben Jahren ihr Freund.

      Keri nannte ihn jedoch nie Big. Sein Ego war bereits groß genug. Sie nannte ihn ausschließlich Ray. Er war knapp zwei Meter groß, Afroamerikaner, hatte eine Glatze und brachte stolze Hundertzwanzig Kilo auf die Waage. Einem seiner Schneidezähne fehlte eine kleine Ecke, was sein Gesicht mit dem kurzen Ziegenbärtchen ebenso einschüchternd wirken ließ, wie die immer etwas zu engen Hemden, die seine kräftige Statur unterstrichen.

      Er war vierzig Jahre alt, sah aber noch fast genauso aus, wie vor zwanzig Jahren, als er eine olympische Medaille in der Schwergewichtsklasse im Boxen gewonnen hatte. Er hatte seinen Titel acht Jahre lang verteidigt, bis ihm eines Tages ein zwei Köpfe kleinerer Gegner mit einem hinterhältigen Schlag ins Gesicht das rechte Auge kaputt geschlagen hatte. Das war das Ende seiner Karriere. Das Auge war nicht mehr zu retten, und nachdem er zwei Jahre lang eine Augenklappe getragen hatte, wurde ihm letzten Endes ein Glasauge eingesetzt. Seitdem sieht man ihm von dem Unglück nicht mehr viel an.

      Genau wie Keri hatte Ray sich also relativ spät für die Polizeiarbeit entschieden, weil er nach einer neuen Lebensaufgabe gesucht hatte. Er war schnell aufgestiegen und arbeitete jetzt als Senior Detective bei der Einheit für vermisste Personen.

      „Du siehst aus als würdest du von Wellen und Whiskey träumen“, sagte er.

      „Ist es so offensichtlich?“, fragte sie.

      „Ich bin eben ein Top-Ermittler. Meine Beobachtungsgabe kennt keine Grenzen. Ganz davon abgesehen hast du deine Feierabendpläne heute schon mindestens zweimal angemerkt.“

      „Was soll ich sagen? Ich bin eben besonders zielstrebig, Detective Sands.“

      Er lächelte sie an und sein gesundes Auge strahlte eine Herzlichkeit aus, die man ihm auf den ersten Blick vielleicht nicht zutrauen würde. Keri war die einzige, die ihn bei seinem echten Namen nannte, auch wenn sie sich gerne Spitznamen füreinander ausdachten, wenn sie alleine waren.

      „Hör mal, Little Miss Sunshine, vielleicht solltest du in den letzten Minuten vor Feierabend besser die Spurensicherung kontaktieren und den Fall Sanders endlich abschließen, anstatt von deinem Fläschchen zu träumen.“

      „Mein Fläschchen?“, sagte sie überspitzt entrüstet, „nur damit wir uns richtig verstehen, aus dem Alter bin ich raus. Mir kommen nur noch ausgewachsene Flaschen ins Haus, Gigantor.“

      Gerade wollte er zu einer Antwort ansetzen, als das Telefon klingelte. Keri nahm den Hörer ab und streckte ihm die Zunge heraus.

      „Einheit für vermisste Personen, Dienststelle Pacific. Sie sprechen mit Detective Locke.“

      Ray hatte seinen Apparat ebenfalls abgehoben und hörte still zu.

      Die Frau am anderen Ende der Leitung klang jung, vielleicht Ende zwanzig oder Anfang dreißig. Noch bevor sie den Grund ihres Anrufs erklärt hatte, hatte Keri bereits die Sorge in ihrer Stimme bemerkt.

      „Mein Name ist Mia Penn. Ich wohne in den Venice Canals bei Dell Avenue. Ich mache mir Sorgen um meine Tochter Ashley. Sie hätte längst nach Hause kommen müssen. Sie weiß, dass wir heute einen Zahnarzttermin haben. Sie hat mir eine SMS geschickt, als sie sich auf den Heimweg gemacht hat, aber sie ist nicht zu Hause angekommen. Jetzt beantwortet sie weder Anrufe noch Nachrichten. Das sieht ihr überhaupt nicht ähnlich. Sie ist normalerweise sehr verantwortungsbewusst.“

      „Miss Penn, läuft oder fährt Ashley den Weg normalerweise?“, СКАЧАТЬ